Das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne wird weder durch den Umstand der Wahrnehmung eines Ehrenamtes noch durch eine öffentlichrechtliche Organstellung ausgeschlossen. Die versicherungsrechtliche Beurteilung ehrenamtlicher Organtätigkeiten in der funktionalen Selbstverwaltung erfolgt nach den aus dem Urteil des BSG vom 16.8.2017, B 12 KR 14/16 R (USK 2017- 49) zu einem ehrenamtlich tätigen Kreishandwerksmeister resultierenden Grundsätzen (vgl. TOP 1 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 22.3.2018):
- Das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV wird weder durch den Umstand der Wahrnehmung eines Ehrenamtes noch durch eine öffentlichrechtliche Organstellung gehindert. So schließt weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter als solches noch dessen Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit eigenen gesetzlichen Befugnissen noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses aus.
- Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und nicht jedermann frei zugänglich sind, führen regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit.
- Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält ihr Gepräge durch ideelle Zwecke und Unentgeltlichkeit.
- Die organschaftlichen Aufgaben ergeben sich aus den gesetzlichen und den darauf basierenden satzungsrechtlichen Regelungen. Dies gilt grundsätzlich auch für die Ausführung von Organbeschlüssen und organschaftliche Verwaltungsaufgaben aufgrund normativer Vorgaben. Tätigkeiten, die rein organschaftlich bestimmte Aufgaben übersteigen (überobligatorische Tätigkeiten), wie z.B. die Erledigung laufender Verwaltungsgeschäfte, können eine Beschäftigung begründen.
- Dem Ausschluss einer Erwerbserzielungsabsicht als wesentliches Merkmal eines außerhalb beruflicher Erwerbstätigkeit ausgeübten Ehrenamtes stehen konkrete oder pauschale finanzielle Zuwendungen für Aufwendungsersatz nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn diese Zuwendungen für den Ausfall von Zeit oder Verdienst gewährt werden.
- Die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks muss ohne Erwerbsabsicht objektiv erkennbar vorliegen. Die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen. Auf die subjektive Sicht des Einzelnen kommt es nicht an.
Die Anwendung dieser Grundsätze wurde auf ehrenamtliche Organtätigkeiten in der funktionalen Selbstverwaltung beschränkt, da für eine Übertragung auf ehrenamtliche Organtätigkeiten in der kommunalen Selbstverwaltung sowie auf ehrenamtliche Organtätigkeiten für juristische Personen des privaten Rechts zunächst weitere Rechtsprechung abgewartet werden sollte. Hinsichtlich der Prüfung einer über die Verfolgung eines ideellen Zwecks hinausgehenden Erwerbsabsicht sollte bei gesetzlich bzw. satzungsrechtlich geregelten und von den Rechts- oder Fachaufsichten nicht beanstandeten Entschädigungen für Organtätigkeiten in der funktionalen Selbstverwaltung bis zu einer näheren Bestimmung finanzieller Grenzbeträge durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung widerlegbar vermutet werden, dass die ehrenamtliche Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt wird.
Das BSG hat mit Urteil vom 23.2.2021, B 12 R 15/19 R (USK 2021-1) zu einem ehrenamtlichen Vorstand einer gemeinnützigen Stiftung bürgerlichen Rechts sowie mit den Urteilen vom 27.4.2021 zu ehrenamtlichen Ortsvorstehern (B 12 KR 25/19 R, USK 2021- 16) und zu einem ehrenamtlichen Bürgermeister (B 12 R 8/20 R, USK 2021-12) entschieden, dass die von ihm aufgestellten Grundsätze auch auf die versicherungsrechtliche Beurteilung ehrenamtlicher Organtätigkeiten für juristische Personen des privaten Rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie der kommunalen Selbstverwaltung, Anwendung finden.
Soweit für die versicherungsrechtliche Beurteilung nicht die Unterscheidung von Repräsentations- und Verwaltungsaufgaben, sondern diejenige zwischen den zur Ausübung des Wahlamts erforderlichen und den darüber hinausgehenden Aufgaben maßgebend ist, führen Verwaltungsaufgaben auch für Wahlamtsinhaber zu Weisungsgebundenheit und Eingliederung, soweit sie unter arbeitsteiliger Inanspruchnahme der Organisationsstrukturen des Dienstgebers übertragen werden und ihrer Art nach nicht notwendig mit dem Wahlamt verbunden sind, sondern auch von Dritten erbracht werden könnten. Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung ist entscheidend, welcher Aufgabenbereich die Tätigkeit prägt, was in einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich des Ausmaßes der finanziellen Zuwendungen zu beurteilen ist.
Soweit die Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes...