hier: Nachweis des weiteren Vorliegens einer chronischen Erkrankung
Sachstand:
Nach § 62 Abs. 1 SGB V haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt die Belastungsgrenze unter bestimmten Voraussetzungen 1 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Die weitere Dauer der Behandlung der schwerwiegenden chronischen Erkrankung ist der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), soweit erforderlich, zu prüfen. Das Nähere zur Definition einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den Richtlinien nach § 92 SGB V.
Mit dem Ziel einer pragmatischen Verfahrensweise und eines verhältnismäßigen administrativen Aufwands schlugen die seinerzeitigen Spitzenverbände der Krankenkassen dem Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vor, bei chronisch Kranken auf den jährlichen Nachweis des weiteren Vorliegens der chronischen Erkrankung zu verzichten, wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, d. h. Wegfall der schwerwiegenden chronischen Krankheit, vorliegen. Z. B. bei Pflegebedürftigen dürfte regelmäßig anzunehmen sein, dass die chronische Erkrankung weiterhin vorliegt, sofern in der Beurteilung des Pflegebedarfs keine Änderung eingetreten ist. Aber auch in anderen Fällen kann es denkbar sein, dass die Krankenkasse anhand ihres Datenbestandes über ausreichende Nachweise verfügt – z. B. bei Dialysepatienten. Diese Rechtsauffassung wurde mit Schreiben vom 12. Oktober 2004 durch den Staatssekretär des BMGS bestätigt (Anlage 1 [Anmerkung der Redaktion: Anlage hier nicht abgebildet.]) und durch die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrer Besprechung zum Leistungsrecht am 16. Dezember 2004 nochmals bekräftigt (vgl. Tagesordnungspunkt 4 der Niederschrift, Anlage 2).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich am 21. Dezember 2004 mit der Definition der schwerwiegenden chronischen Krankheit im Sinne des § 62 SGB V befasst und mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eine Verfahrenserleichterung für Pflegebedürftige der Pflegestufen 2 oder 3 nach dem 2. Kapitel SGB XI beschlossen. Demzufolge wird bei einer festgestellten Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI nach Ablauf eines Jahres seit dem Beginn der Pflegebedürftigkeit nach einer dieser Pflegestufen das Vorliegen einer Dauerbehandlung unterstellt (§ 3 Abs. 1 der "Chroniker-Richtlinie" i. d. F. vom 22. Januar 2004, zuletzt geändert am 19. Juni 2008).
Aus der Praxis wurde nunmehr die Frage herangetragen, ob die Regelung in § 3 Abs. 1 der Chroniker- Richtlinie als abschließend mit der Konsequenz zu betrachten ist, dass in weiteren Fallgestaltungen als den in § 3 Abs. 1 der Chroniker-Richtlinie benannten nicht auf den jährlichen Nachweis des weiteren Vorliegens der chronischen Erkrankung verzichtet werden kann, auch wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegen.
Bislang bestand die – allerdings unprotokollierte - Auffassung, dass es sich bei § 3 Abs. 1 der Chroniker-Richtlinie um keine abschließende Regelung handelt. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der in § 3 Abs. 7 der Chroniker-Richtlinie getroffenen Aussage, wonach im Zusammenhang mit dem Nachweis der Dauerbehandlung auf die der zuständigen Krankenkasse bereits vorliegenden Unterlagen verwiesen bzw. zurückgegriffen werden kann. Zudem lässt sich die Rechtsauffassung in Bezug auf eine abschließende Regelung auch nicht aus dem seinerzeitigen Schreiben des Staatssekretärs im BMGS, auf dessen Grundlage auch entsprechende generelle Ausführungen sowohl in den derzeit gültigen Verfahrensgrundsätzen zur Vorschrift über die Erstattung bzw. Befreiung von gesetzlichen Zuzahlungen gemäß § 62 Abs. 1, 2 und 3 SGB V vom 4./5. Oktober 2010 des GKV-Spitzenverbands und der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene ("Verfahrensgrundsätze zu § 62 SGB V") als auch in der Verwaltungsvereinbarung zu § 62 SGB V in den Fassungen vom 1. Juni 2005 und 22./23. Januar 2008 getroffen wurden (vgl. Abschnitt 5.3.2, Abs. 1), herleiten.
Darüber hinaus sieht offensichtlich auch der G-BA die in § 3 Abs. 1 der Chroniker-Richtlinie getroffene Regelung nicht als abschließend an. So bezog sich die Arbeitsgruppe Zuzahlung des Unterausschusses (UA) Prävention im Zuge des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 und der damit einhergehenden Änderungen des § 62 SGB V zur Feststellung eines "therapiegerechten" bzw. "therapiewidrigen" Verhaltens ebenfalls auf die Ausführungen im Schreiben des BMGS vom 12. Oktober 20...