TOP 1 Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI Pflege in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 5. März 1998 in der Rechtssache C 160/96 mit Urteil entschieden, daß es nicht gegen die Artikel 6 und 48 Abs. 2 EG Vertrag verstößt, wenn ein Mitgliedsstaat Personen, die in seinem Gebiet arbeiten, jedoch in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen, zu Beiträgen zu einem System der sozialen Sicherheit zur Deckung des Risikos der Pflegebedürftigkeit heranzieht, daß es jedoch gegen die Artikel: 19 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und Artikel 28 Abs. 1 der EWG-VO Nr. 1408/71 verstößt, den Anspruch auf eine Leistung wie das Pflegegeld davon abhängig zu machen, daß der Versicherte in dem Staat wohnt, in dem er der Versicherung angeschlossen ist.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung des EuGH ist die Frage gestellt worden, ob Pflegepersonen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes haben, durch die im Ausland ausgeübte nicht erwerbsmäßige Pflegetätigkeit der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterstellt werden, wenn der Pflegebedürftigte – so wie es § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI fordert – Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Die Besprechungsteilnehmer sind der Auffassung, daß in diesen Fällen Versicherungspflicht nicht eintritt und infolgedessen keine Beiträge der Pflegekassen zur deutschen Rentenversicherung zu zahlen sind. Dies ergibt sich zunächst aus den Regelungen über den räumlichen Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches Nach § 3 Nr. 2 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Pflegepersonen sind demnach nur dann versicherungspflichtig – Voraussetzung ihrer Versicherungspflicht ist die nicht erwerbsmäßig ausgeübte Pflegetätigkeit –, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus den Regelungen des überstaatlichen Rechts. Die nicht erwerbsmäßige Pflege eines Pflegebedürftigen fällt nicht unter die EWG-VO Nr. 1408/71 bzw. EWG-VO Nr. 1612/68, weil weder die Arbeitnehmereigenschaft erfüllt ist noch eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Die Bestimmungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, die grundsätzlich vom Beschäftigungslandprinzip ausgehen, finden daher keine Anwendung.
Gegen die Annahme einer Versicherungspflicht von Pflegepersonen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, spricht ferner § 3 Satz 6 SGB VI. Aufgrund dieser Regelung werden Bezieher von Entgeltersatzleistungen und Bezieher von Vorruhestandsgeld, also Personen deren Versicherungspflicht nicht eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit anknüpft, der Rentenversicherungspflicht auch dann unterstellt, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Eine solche Ausweitung des räumlichen Geltungsbereiches hat der Gesetzgeber für die nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen nicht vollzogen. Daraus ist nach Ansicht der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zu schließen, daß eine Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nicht gewollt ist.
TOP 2 Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI, hier Regelmäßigkeit der Pflege bei internatsmäßiger Unterbringung des Pflegebedürftigen
[vgl. auch BE v. 10.07.2003, TOP1 zur Rentenversicherungspflicht der Pflegepersonen; Anm. d. Redaktion]
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI für Personen in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat Rentenversicherungspflicht kommt allerdings nur für solche Pflegepersonen in Betracht, bei denen im Zeitpunkt der Aufnahme der Pflegetätigkeit bereits feststeht, daß sie diese nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer (mehr als zwei Monate) ausüben werden und der Pflegeumfang regelmäßig mindestens 14 Stunden in der Woche ausmacht.
Im Rahmen ihrer Besprechung am 4. Juni 1996 waren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger übereinstimmend der Auffassung (vgl. Punkt 2 der Niederschrift), daß eine internatsmäßige Unterbringung des Pflegebedürftigen der "Regelmäßigkeit" dann nicht entgegensteht, wenn der Pflegebedürftige immer am Wochenende in den häuslichen Bereich zurückkehrt und in dieser Zeit regelmäßig mindestens 14 Stunden gepflegt wird.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger halten an der in der Besprechung am 4. Juni 1996 vertretenen Auffassung fest Allerdings dürften die Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht, insbesondere wegen des Umfangs ...