Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Baureederei (ß 509 HGB) ist als solche nicht gewerbesteuerpflichtig.
Ist für das Betriebsvermögen einer Baureederei ein Einheitswert festgestellt worden, so ist er gemäß § 12 GewStG für die Berechnung des Gewerbekapitals der Partenreederei, die das Schiff nach der Fertigstellung verwertet, maßgebend, bis für das Betriebsvermögen der Partenreederei ein neuer Einheitswert festgestellt ist.
Normenkette
GewStG § § 2, 12/1, § 12/5; GewStDV §§ 26, 23
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) wurde Ende 1952 als Baureederei im Sinne des § 509 HGB von vier Firmen gegründet. Als ihr Zweck wurde bestimmt der gemeinschaftliche Bau des Seefracht-Motorschiffs "Anna" und der gemeinschaftliche Reedereibetrieb mit diesem Schiff nach seiner Fertigstellung. Das Schiff wurde am 28. April 1953 in Dienst gestellt. Das Finanzamt stellte für die Baureederei auf den 1. Januar 1953 rechtskräftig einen Einheitswert von 2.205.000 DM fest. Für den Erhebungszeitraum 1953 setzte es die Gewerbesteuer ab 1. April 1953 (9 Monate) fest. Als Gewerbekapital legte es nicht den Einheitswert des Betriebsvermögens vom 1. Januar 1953 zugrunde, sondern ermittelte gemäß § 26 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1950 das Betriebsvermögen auf den Tag der Indienststellung des Schiffs mit 3.282.000 DM. Es ist der Auffassung, daß der Einheitswert vom 1. Januar 1953 nicht maßgebend sei, weil die Bgin. erst mit dem 28. April 1953 in die Gewerbesteuerpflicht eingetreten sei.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es ermittelte das Gewerbekapital auf der Grundlage des Einheitswerts vom 1. Januar 1953. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung der §§ 2 und 12 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sowie des § 26 GewStDV 1950.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend ist das Finanzgericht von § 12 GewStG ausgegangen. Nach dieser Vorschrift gilt als Gewerbekapital der Einheitswert des gewerblichen Betriebs im Sinne des GewStG mit einigen änderungen, auf die es im Streitfall nicht ankommt. Die Gewerbesteuer ist, soweit sie nach dem Gewerbekapital bemessen wird, eine Einheitswertsteuer, weil für ihre Bemessung der Einheitswert des Betriebsvermögens maßgebend ist, wenigstens hinsichtlich des Stichtags der Bewertung und der Höhe des Betriebsvermögens. Ob und von welchem Zeitpunkt ab die Gewerbesteuer erhoben wird, muß aus dem GewStG entnommen werden.
Einheitswerte werden für bestimmte wirtschaftliche Einheiten und Untereinheiten in einem besonderen Verfahren (Einheitswertverfahren) für längere Zeiträume festgestellt (vgl. §§ 20 ff. des Bewertungsgesetzes - BewG -, § 214 der Reichsabgabenordnung - AO -) und sind in den Besteuerungsverfahren, soweit es die Steuergesetze bestimmen, als Besteuerungsgrundlagen maßgebend (ß 218 Abs. 2 AO). Einheitswerte sieht das Gesetz für solche wirtschaftliche Einheiten vor, deren Wertermittlung erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereitet. Das Einheitswertverfahren soll der Vereinfachung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen.
Die Beteiligten gehen mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 261/55 U vom 6. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 13, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 6) zutreffend davon aus, daß die Baureederei eine Personengesellschaft im Sinne des § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG war und für ihr Betriebsvermögen deshalb gemäß § 23 BewG auf den 1. Januar 1953 ein Einheitswert nachträglich festzustellen war. Dieser Wert blieb maßgebend, bis er bei einer neuen Hauptfeststellung der Einheitswerte (ß 21 BewG) oder durch Fortschreibung (ß 22 BewG, § 225 a AO) geändert wurde. Mit Recht nimmt das Finanzgericht an, daß die Baureederei und die spätere Partenreederei rechtlich und wirtschaftlich identisch waren. Es war nicht etwa so, daß mit der Fertigstellung des Schiffs die Baureederei erlosch, der für sie festgestellte Einheitswert also gegenstandslos wurde, und für die Partenreederei auf den 1. Januar 1954 im Wege der Nachfeststellung gemäß § 23 BewG ein Einheitswert erstmalig festzustellen war.
Das Finanzamt stützt seine Auffassung vor allem auf § 26 GewStDV 1950. Danach ist, wenn ein Gewerbebetrieb in die Steuerpflicht eintritt, das Gewerbekapital für den ersten Erhebungszeitraum auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht den Grundsätzen des § 12 GewStG und des BewG zu ermitteln. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht für die Auffassung des Finanzamts. Mit Recht ist das Finanzamt in übereinstimmung mit der Rechtsprechung (vgl. z. B. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 261/55 U) und der Verwaltungsübung (vgl. Abschnitt 21 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1951) davon ausgegangen, daß eine Baureederei, weil sie den eigentlichen Gewerbebetrieb der Frachtenreederei nur vorbereitet, der Gewerbesteuer nicht unterliegt. Die Vorbereitung und die Abwicklung einer gewerblichen Tätigkeit können zwar ein Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien (vgl. z. B. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 516, BStBl 1954 III S. 109, und das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil I 294/56 U vom 10. September 1957). Die historische Entwicklung und das Wesen der Gewerbesteuer als Realsteuer haben aber dazu geführt, solche Handlungen nicht als Gewerbebetriebe im Sinne des § 2 GewStG anzusehen (vgl. Abschnitt 22 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1951 und die dort angeführte Rechtsprechung). War demnach die Baureederei als solche nicht gewerbesteuerpflichtig, so liegt es nahe, den Beginn der Gewerbesteuerpflicht mit dem Finanzamt auf den Tag der Indienststellung des Schiffs zu verlegen und nach § 26 GewStDV zu verfahren. Zutreffend hat aber das Finanzgericht nicht den Wortlaut des § 26 GewStDV maßgebend sein lassen, sondern angenommen, daß bei sinngemäßer Auslegung die Vorschrift Fälle der vorliegenden Art nicht treffen wolle. § 26 GewStDV schafft vor allem eine Zwischenlösung für neu eröffnete Gewerbebetriebe, für die ein Einheitswert des Betriebsvermögens nicht vorliegt, weil Einheitswerte immer nur erstmalig auf den 1. Januar festgestellt werden können, der auf die Eröffnung des Gewerbebetriebs folgt (ß 23 Abs. 2 BewG). Die Vorschrift enthält eine Behelfslösung. Sie soll das Vakuum überbrücken, das hinsichtlich des Gewerbekapitals sonst für die Zeit von der Eröffnung des Gewerbebetriebs bis zum Ende des Eröffnungsjahrs entstehen würde. Liegt aber, wie im Streitfall, bei Beginn der Gewerbesteuerpflicht ein Einheitswert ausnahmsweise vor, so würde es dem Wortlaut und Sinn des § 12 GewStG sowie dem Vereinfachungszweck, dem das Einheitswertverfahren dient, nicht entsprechen, unter Außerachtlassung des vorhandenen Einheitswerts den Wert des Betriebsvermögens nach § 26 GewStDV besonders zu ermitteln.
Es ist dem Finanzamt zuzugeben, daß sich bei dieser Auslegung die erhebliche Wertsteigerung, die das Betriebsvermögen der Bgin. zwischen dem 1. Januar und 28. April 1953 erfahren hatte, für den Erhebungszeitraum 1953 nicht auswirkt. Das entspricht aber dem Sinn des § 12 GewStG und dem Willen des Gesetzes. Wertsteigerungen des Betriebsvermögens sollen für das Gewerbekapital nur ausgewertet werden, wenn im Wege der Neufeststellung oder Fortschreibung ein anderer Einheitswert festgestellt ist, und erst ab dem Stichtag, auf den der neue Einheitswert festgestellt wird. Das Gesetz nimmt um der Vereinfachung willen in Kauf, daß in gewissen Grenzen Vermögenssteigerungen sich gewerbesteuerlich nicht auswirken. Es steht dem Finanzamt frei, wenn die Wertgrenzen des § 22 BewG überschritten sind, den Einheitswert des Betriebsvermögens der Bgin. auf den 1. Januar 1954 fortzuschreiben und den fortgeschriebenen Einheitswert ab 1. Januar 1954 der Berechnung des Gewerbekapitals zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 408913 |
BStBl III 1957, 448 |
BFHE 1958, 559 |
BFHE 65, 559 |