Entscheidungsstichwort (Thema)
Beauftragung einer anderen Finanzbehörde mit der Außenprüfung - Verhältnis der Beauftragung zur Prüfungsanordnung - Ablaufhemmung bei rechtswidriger Beauftragung - Beteiligtenwechsel bei Feststellungsklage - Fortsetzungsfeststellungsklage gegen erledigte Prüfungsanordnung - Zuständigkeiten der Oberfinanzdirektion - Anwendbarkeit von § 127 AO 1977
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beauftragung einer anderen Finanzbehörde mit der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO 1977) ist eine gegenüber der Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) verfahrensrechtlich selbständige Regelung.
2. Diese Beauftragung ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet und damit ein Verwaltungsakt, wenn sie dem Steuerpflichtigen vom beauftragenden FA zusammen mit der Prüfungsanordnung bekanntgegeben wird (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 10.Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322).
3. Ist die Rechtswidrigkeit der Beauftragung festgestellt, hemmt die von der beauftragten Finanzbehörde durchgeführte Außenprüfung nicht den Ablauf der Verjährung (§ 171 Abs.4 AO 1977).
4. Diese Folge der Rechtswidrigkeit kann nicht nachträglich geheilt werden.
5. Die FÄ des Landes Nordrhein-Westfalen durften die einer OFD eingegliederten Großbetriebsprüfungsstellen nicht mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragen.
Orientierungssatz
1. Die Übertragung von Aufgaben vom örtlich zuständigen Finanzamt auf ein Finanzamt für Großbetriebsprüfung führt in einem Verfahren wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung zu einem Wechsel des Beteiligten auf der Beklagtenseite (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1977 V R 67/75; Literatur).
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine in der Hauptsache nach Durchführung der Außenprüfung erledigte Prüfungsanordnung und/oder gegen mit dieser verbundene Verwaltungsakte ist --unter weiteren Voraussetzungen-- zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat. Dieses Interesse ist insbesondere dann gegeben, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Verwaltungsakte zu einem Verwertungsverbot führt. Ein solches besteht grundsätzlich dann, wenn die Prüfungsanordnung aufgehoben worden oder wenn sie nichtig ist. Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich, wenn die Beauftragung einer anderen Behörde mit der der Außenprüfung angefochten wird (vgl. BFH-Rechtsprechung). Ein Verwertungsverbot liegt aber nicht vor, wenn das FA zwar nicht auf Erkenntnisse einer ersten Prüfung zurückgreifen darf, aber die Ergebnisse einer Wiederholungsprüfung auswertet. Ein Feststellungsinteresse kann jedoch darin liegen, daß die aufgrund einer rechtswidrigen Prüfungsanordnung bzw. von einer unzulässigerweise beauftragten Finanzbehörde durchgeführte Prüfung nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmt.
3. Es ist nicht zulässig, daß die Oberfinanzdirektion in Ausübung ihrer Leitungsfunktion Verwaltungszuständigkeiten an sich zieht, wenn dadurch für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Verwaltungszuständigkeiten der Finanzämter ausgegliedert werden.
4. § 127 AO 1977 ist nicht anwendbar bei Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit (vgl. Rechtsprechung: BFH, BVerwG; Literatur).
Normenkette
AO 1977 §§ 16, 118, 127, 171 Abs. 4, §§ 195-196; FVG § 8 Abs. 1, § 17 Abs. 2; FGO §§ 63, 41 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 11.12.1990; Aktenzeichen 2 K 344/85) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein. Er unterliegt als Großbetrieb der Außenprüfung nach §§ 193 ff. der Abgabenordnung (AO 1977). Er hat seinen Sitz im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts --FA-- B (Beklagter und Revisionsbeklagter zu 1 - Beklagter zu 1). Zum 1.Oktober 1992 ist die sachliche Zuständigkeit vom früher zuständigen FA A auf den Beklagten zu 1 übergegangen (Beteiligtenwechsel).
Mit Verfügung vom 23.November 1984 ordnete das FA A eine Außenprüfung für die Jahre 1979 bis 1983 an. Mit der Prüfung wurde eine Großbetriebsprüfungsstelle (Groß- Bp) beauftragt. Diese war nach dem früheren Behördenaufbau im Lande Nordrhein-Westfalen der Oberfinanzdirektion (OFD) als Außenstelle angegliedert.
Der Kläger legte gegen diese Verfügung Beschwerde ein, mit der er sich insbesondere gegen die Beauftragung der Groß-Bp wandte. Diese Beschwerde wurde mit Entscheidung vom 15.Oktober 1985 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. In einem Beschwerdeverfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung der Verfügung vom 23.November 1984 hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 28.Mai 1986 I B 22/86 (BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656) die Aussetzung insoweit ausgesprochen, als die Groß- Bp mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt worden war.
Infolge dieser Entscheidung kam es in Nordrhein-Westfalen zu einer Neuordnung der für die Außenprüfung zuständigen Behörden. Es wurden Finanzämter (FÄ) für Großbetriebsprüfung errichtet, darunter auch der Beklagte und Revisionsbeklagte zu 2 (Beklagter zu 2), der seine Tätigkeit am 1.Oktober 1986 aufnahm. Rechtsgrundlage für die Neuorganisation war § 17 Abs.2 Satz 3 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) i.V.m. §§ 1 und 3 Abs.1 der Verordnung über die Bestimmung der Bezirke der Prüfungsfinanzämter vom 12.September 1986 (BStBl I 1986, 506, 514). Diese Verordnung ist mit Ablauf des 31.Dezember 1987 außer Kraft getreten. Die Zuständigkeit des Beklagten zu 2 richtet sich seit dem 1.Januar 1988 --inhaltlich unverändert-- nach § 1 Abs.3 (i.V.m. Anlage 3) der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter vom 16.Dezember 1987 (BStBl I 1988, 47, 71, 76).
Unter dem 10.Oktober 1986 erließ der Beklagte zu 2 gegen den Kläger eine Verfügung des Inhalts, daß er anstelle der Groß-Bp die laufende Prüfung durchführen bzw. fortführen werde ("ergänzende Prüfungsanordnung"). Die Verfügung ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und weist zur Begründung auf die geänderten Zuständigkeiten hin; anders als bei der in ihrem Betreff genannten Prüfungsanordnung vom 23.November 1984 werden die zu prüfenden Steuerarten und der Prüfungszeitraum nicht bezeichnet. Gegen diese Verfügung hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdeverfahren ruht.
In der Folgezeit hat der Beklagte zu 2 die Prüfung wie angeordnet durchgeführt. Soweit bereits die Groß-Bp Prüfungshandlungen durchgeführt hatte, wurden sie vom Beklagten zu 2 wiederholt. Die Außenprüfung ist abgeschlossen.
Im Klageverfahren hat der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom 27.Oktober 1986 auf die Neuordnung der Zuständigkeiten hingewiesen und einen gesetzlichen Parteiwechsel geltend gemacht. In der Folgezeit ist der Beklagte zu 2 für die Finanzverwaltung aufgetreten.
Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) hat der Kläger geltend gemacht, aus einer Feststellung der Rechtswidrigkeit ergebe sich die Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 1979 und 1980. Der Beklagte zu 2 sei nicht passivlegitimiert. Die Prüfungsanordnung sei insgesamt rechtswidrig gewesen, nicht nur insoweit, als die OFD unzulässigerweise mit der Prüfung beauftragt worden sei. Die Mitteilung über die Beauftragung der OFD sei kein selbständiger Verwaltungsakt.
Der Kläger hatte vor dem FG zunächst beantragt, die Prüfungsanordnung aufzuheben. Nach Durchführung der Außenprüfung hat er beantragt,
festzustellen, daß die Prüfungsanordnung vom 23.November 1984 insgesamt rechtswidrig gewesen sei,
hilfsweise, daß die Beauftragung der OFD mit der Durchführung der Außenprüfung rechtswidrig gewesen sei,
wiederum hilfsweise, daß die Mitteilung über die Beauftragung der OFD mit der Durchführung der Außenprüfung insgesamt rechtswidrig gewesen sei.
Das FG hat die Klage gegen den Beklagten zu 1 als unzulässig, die Klage gegen den Beklagten zu 2 als hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet, im übrigen als unzulässig abgewiesen. Sein Urteil ist teilweise veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 449.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung insbesondere der §§ 17 FVG, 195 AO 1977.
Er beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen,
1. daß die Prüfungsanordnung vom 23.November 1984 insgesamt rechtswidrig war (Hauptantrag),
2. hilfsweise, daß die Prüfungsanordnung vom 23.November 1984 --hinsichtlich der Beauftragung der OFD-- teilweise rechtswidrig war (1.Hilfsantrag),
3. wiederum hilfsweise, daß die Mitteilung vom "31.November 1984" über die Beauftragung der OFD insgesamt rechtswidrig war (2.Hilfsantrag).
Der Beklage zu 2 beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision ist unbegründet, soweit das FG die Klage gegen den Beklagten zu 1 als unzulässig abgewiesen hat. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Beklagte zu 1 nicht passivlegitimiert ist.
Auf der Rechtsgrundlage des § 17 Abs.2 Satz 3 FVG kann dem örtlich zuständigen FA die Prüfungszuständigkeit genommen und bei einem FA konzentriert werden. Spätestens aufgrund der Verordnung vom 16.Dezember 1987 ist ein gegenständlich begrenzter Teil der damaligen Zuständigkeit des FA A auf den Beklagten zu 2 übergegangen. Letzterem sind jedenfalls durch § 1 Abs.3 dieser Verordnung in dem in Anlage 3 beschriebenen Umfang "Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen" worden; hierzu gehören die "Anordnung und Durchführung" von Betriebsprüfungen u.a. bei Großbetrieben (soweit nicht, was hier nicht in Betracht kommt, die Zuständigkeit anderer FÄ begründet ist; Anlage 3 Nr.2.5 Buchst.b zu § 1 Abs.3 der Verordnung vom 16.Dezember 1987). Diese Übertragung von Aufgaben hat zu einem Wechsel des Beteiligten (§ 63 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) auf der Beklagtenseite geführt (vgl. BFH- Urteil vom 10.November 1977 V R 67/75, BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 17 FVG, Tz.3; § 63 FGO Tz.4 m.w.N.). Die Feststellungsklage konnte daher nur gegen den Beklagten zu 2 gerichtet werden.
B. Soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2 richtet, ist die Revision hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet und hinsichtlich des 1.Hilfsantrages begründet. Auf den 2.Hilfsantrag brauchte der Senat hiernach nicht mehr einzugehen.
I. Die zulässige (vgl. unten II. 1.) Fortsetzungsfeststellungsklage ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet.
1. Die Prüfungsanordnung war nicht insgesamt rechtswidrig. Denn die Beauftragung der OFD durch das FA A war ein gegenüber der Prüfungsanordnung selbständiger Verwaltungsakt. Nach § 196 AO 1977 ist in der Prüfungsanordnung lediglich der (sachliche und zeitliche) Umfang der Außenprüfung zu bestimmen. Die weiteren Prüfungsmodalitäten werden nicht in der so umschriebenen Prüfungsanordnung geregelt. Zu diesen zählen z.B. der Ort der Prüfung (BFH-Urteil vom 25.Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, 26, BStBl II 1989, 483 unter II. 4.) ebenso wie die Festlegung des Prüfungsbeginns (BFH-Urteil vom 24.Februar 1989 III R 36/88, BFHE 156, 54, 58, BStBl II 1989, 445). Diese verfahrensrechtlich selbständigen Regelungen können mit der Prüfungsanordnung verbunden werden (BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483). Gleiches gilt für die Beauftragung einer anderen Behörde (§ 195 Satz 2 AO 1977).
2. Dem steht das BFH-Urteil vom 10.Dezember 1987 IV R 77/86 (BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322) nicht entgegen.
Diese Entscheidung betraf den Fall, daß ein anderes FA, das mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt worden war, zulässigerweise (BFH-Urteil vom 11.Dezember 1991 I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595) die Prüfungsanordnung erlassen hat. Der BFH hat hierzu entschieden, daß die Zuständigkeit des beauftragten FA durch einen innerdienstlichen Auftrag begründet werden könne; in diesem Falle enthalte die Prüfungsanordnung auch die Regelung, daß die Prüfung vom beauftragten FA durchgeführt werde. Der Steuerpflichtige, der die Übertragung der Außenprüfung beanstande, müsse diese Prüfungsanordnung anfechten.
Im Streitfall enthält bereits die dem Kläger mitgeteilte Beauftragung der OFD eine Regelung, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist; sie ist deshalb ein Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977.
3. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, eine Rechtswidrigkeit des zwischenbehördlichen Mandats an die OFD hätte die Rechtswidrigkeit der gesamten Prüfungsanordnung zur Folge. Er begründet dies unter Hinweis auf den Rechtsgedanken der §§ 125 Abs.4 AO 1977, 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) damit, daß ohne gleichzeitige Beauftragung der OFD die Prüfung nicht angeordnet worden wäre. Dem folgt der erkennende Senat nicht. Die Durchführung von Außenprüfungen ist das vom Gesetz vorgeschriebene Instrument zur Ermittlung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte. Erweist sich eine Modalität der Außenprüfung als nicht rechtmäßig, kann nicht unterstellt werden, daß die mit der Vollziehung der Steuergesetze betraute Verwaltung dann generell von der angeordneten Außenprüfung Abstand nehmen wollte.
II. Der 1.Hilfsantrag ist zulässig und begründet.
1. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Anfechtungsantrag zulässigerweise in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag i.S. des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO umgestellt. Er hat ein Rechtsschutzinteresse für diesen Antrag.
a) Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs.1 Satz 4 FGO) gegen eine in der Hauptsache nach Durchführung der Außenprüfung erledigte Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) und/oder gegen mit dieser verbundene Verwaltungsakte ist --unter weiteren Voraussetzungen-- zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 10.April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721). Das berechtigte Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Verwaltungsakte zu einem Verwertungsverbot führt (vgl. BFH-Beschluß vom 30.November 1987 VIII B 3/87, BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183 m.w.N.; BFH-Urteil vom 10.Mai 1991 V R 51/90, BFHE 164, 495, BStBl II 1991, 825). Ein solches Verwertungsverbot besteht grundsätzlich dann, wenn die Prüfungsanordnung aufgehoben worden oder wenn sie nichtig ist (BFH-Urteil vom 10.April 1987 III R 202/83, BFHE 150, 1, 4, BStBl II 1988, 165) oder wenn keine Prüfungsanordnung erlassen wurde (BFH-Beschluß vom 4.Oktober 1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59 m.w.N.). Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich, wenn die Beauftragung einer anderen Behörde mit der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO 1977) angefochten wird. Das Verwertungsverbot ist im Hinblick auf das sachliche Gewicht eines Verstoßes gegen die gesetzliche Zuständigkeitsregelung gerechtfertigt.
b) Um ein solches Verwertungsverbot geht es im Streitfall entgegen der Auffassung des FG nicht. Denn die Außenprüfung ist aufgrund der Prüfungsanordnung vom 10.Oktober 1986 wiederholt worden. Selbst wenn das FA auf Erkenntnisse aus der ersten Prüfung nicht zurückgreifen darf, kann es die Ergebnisse der wiederholten Prüfung auswerten (vgl. BFH-Urteil vom 20.Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180).
c) Das Feststellungsinteresse ist jedoch unter dem Gesichtspunkt gegeben, daß die aufgrund einer rechtswidrigen Prüfungsanordnung bzw. von einer unzulässigerweise beauftragen Finanzbehörde durchgeführte Prüfung nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmt (§ 171 Abs.4 AO 1977).
aa) Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer beträgt grundsätzlich (vom Fall der Hinterziehung abgesehen) vier Jahre (§ 169 Abs.2 Satz 1 AO 1977). Sie begann nach § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 für die Umsatzsteuer 1979 mit Ablauf des Jahres 1980 und für die Umsatzsteuer 1980 mit Ablauf des Jahres 1981 und hat im ersten Fall mit Ablauf des Jahres 1984, im letztgenannten Fall mit Ablauf des Jahres 1985 geendet, wenn ihr Lauf nicht durch einen Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestand beeinflußt worden ist.
bb) Nach § 171 Abs.4 AO 1977 (§ 146a Abs.3 der Reichsabgabenordnung --AO--) wird der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn vorher mit der Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird. Die Groß-Bp hatte bereits im Dezember 1984, also vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist, mit der Betriebsprüfung begonnen (vgl. --zum Beginn der Außenprüfung-- Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Tz.13).
Eine Betriebsprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (BFHE 150, 1, 4, BStBl II 1988, 165 m.w.N.; BFH-Urteil vom 13.Dezember 1990 V R 48/86, BFH/NV 1991, 790). Die Entscheidung in BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165 fußt auf der Erwägung, daß --ungeachtet des Umstandes, daß § 146a Abs.3 AO (jetzt: § 171 Abs.4 AO 1977) nicht auf die Rechtmäßigkeit der Prüfung, sondern auf den tatsächlichen Beginn abstellt-- ein erreichtes Verwertungsverbot sich auch auf die Hemmung der Verjährung erstrecken müsse.
Dieselben Rechtsfolgen treten ein, wenn eine wirksame, aber rechtswidrige Prüfungsanordnung auf Anfechtung hin aufgehoben wird oder die Rechtswidrigkeit der erledigten Prüfungsanordnung festgestellt wird. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 16.Mai 1990 X R 147/87 (BFHE 161, 398, 401, BStBl II 1990, 942, unter 4.a) gestützt auf § 124 Abs.2 AO 1977 entschieden, daß mit der Aufhebung eines Verwaltungsaktes grundsätzlich die an seine Wirksamkeit geknüpften Rechtsfolgen entfallen, einschließlich der Wirkung, die Ablaufhemmung nach § 171 Abs.3 Sätze 1 und 2 AO 1977 herbeizuführen. Gleiches gilt für die Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 AO 1977 (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Rdnr.42). Hierbei ist unerheblich, ob eine Prüfungsanordnung oder eine sachlich gewichtige Prüfungsmodalität --wie vorliegend die Beauftragung einer anderen Finanzbehörde-- aufgehoben oder nachträglich als rechtswidrig festgestellt wird.
Auch das BFH-Urteil vom 18.Dezember 1986 I R 49/83 (BFHE 149, 104, 106, BStBl II 1987, 408) geht davon aus, daß eine rechtswidrige Festlegung des Prüfungsbeginns den Ablauf der Verjährung nicht hemmen kann. Wenn das BFH-Urteil vom 18.Oktober 1988 VII R 123/85 (BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76) und unter Bezugnahme hierauf der erkennende Senat (Urteil vom 14.März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612) ausführen, die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Prüfungsbeginns sei nicht Voraussetzung für eine wirksame Ablaufhemmung, wird dies begründet mit der Tatbestandswirkung der nicht angefochtenen diesbezüglichen Anordnung. - Sind hingegen der Anfechtungs- oder der Fortsetzungsfeststellungsantrag erfolgreich, kann Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 AO 1977 nicht eintreten.
d) Die Folgen der Rechtswidrigkeit --hier: der Ablauf der Festsetzungsfrist-- können durch eine nachträglich erlassene rechtmäßige Prüfungsanordnung in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht "geheilt" werden. Zwar kann die Finanzbehörde eine erneute Prüfung --unter Vermeidung des Verfahrensfehlers-- anordnen (BFH- Urteil vom 24.August 1989 IV R 65/88, BFHE 158, 114, BStBl II 190, 2); die wiederholt getroffenen Feststellungen unterliegen keinem Verwertungsverbot. Der Ablauf der Festsetzungsfrist kann dadurch aber nicht rückwirkend beseitigt werden.
Der IV.Senat des BFH hat im Urteil vom 26.Februar 1987 IV R 109/86 (BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361) entschieden, die verfahrensrechtlichen Bedenken gegen die Beauftragung der Großbetriebsprüfungsstelle einer OFD mit der Prüfung seien durch ihre Umwandlung in ein FA für Großbetriebsprüfung beseitigt worden; die damit eingetretene Änderung auf dem Gebiete des Verwaltungsverfahrensrechts sei auch in anhängigen (Revisions-) Verfahren zu beachten; eine Aufhebung der Prüfungsanordnung, damit nunmehr das FA für Großbetriebsprüfung mit der Prüfung beauftragt werde, würde "eine unangebrachte Förmelei bedeuten". Vorliegend geht es indes nicht um die rechtliche Relevanz des nachträglich geänderten Verfahrensrechts für die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung, sondern um die materiell-rechtliche Frage des Erlöschens des Steueranspruchs infolge Ablaufhemmung. Diese Frage war im Urteil in BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361 offenbar nicht entscheidungserheblich.
2. Die Klage ist hinsichtlich des 1.Hilfsantrags begründet. Das FA A als die damals zuständige örtliche Landesbehörde (§ 17 Abs.2 FVG) konnte die Groß-Bp nicht mit der Außenprüfung beauftragen; der diesbezügliche Auftrag war rechtswidrig.
a) Die Beklagten stützen ihre Rechtsauffassung, eine Beauftragung der OFD sei zulässig gewesen, auf § 195 AO 1977. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt; Satz 2 bestimmt, daß diese andere Finanzbehörden mit der Prüfung beauftragen können.
b) Mit Beschluß in BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656 hat der BFH entschieden, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens bestünden. Es sei in Betracht zu ziehen, daß das FA nicht mehr "Herr des Verfahrens" sei.
Die OFD erlasse --wenn sie mit der Prüfung beauftragt sei-- Verwaltungsakte; nur sie könne einer hiergegen erhobenen Beschwerde abhelfen; bei Nichtabhilfe müßte das Finanzministerium über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes befinden (§ 368 Abs.2 AO 1977). Auch könne dem Gesetz nicht unterstellt werden, daß jede Finanzbehörde, also auch die Hauptzollämter, als Finanzbehörden (§ 6 Nr.5 AO 1977) mit einer Außenprüfung beauftragt werden dürften. Würden die größten und bedeutsamsten Prüfungsfälle durch die OFD abgewickelt, könne eingewendet werden, daß Aufgabenverlagerungen dieses Umfangs durch gesetzliche Zuständigkeitsregelung getroffen werden sollten, so daß § 195 Satz 2 AO 1977 nur ausnahmsweise in atypischen Fällen zum Zuge komme (vgl. auch BFH-Beschluß in BFHE 151, 354, 358, BStBl II 1988, 183; zustimmend z.B. Tipke/Kruse, a.a.O., § 195 AO Tz.4; Zwank in Koch, AO 1977, Kommentar, § 195 Rdnr.6).
c) Der erkennende Senat hält diese Bedenken für durchschlagend.
Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit für öffentlich-rechtliche Regelungen der Zuständigkeit der Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes --GG--)gilt (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 28.Oktober 1975 2 BvR 883/73 u.a., BVerfGE 40, 237, 248 ff.; vom 3.Sept. 1984 2 BvR 48/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1985, 285; Tipke/ Kruse, a.a.O., § 16 AO Tz.4). Art.108 Abs.2 Satz 2 GG sieht vor, daß der Aufbau der Landesfinanzbehörden durch Bundesgesetz geregelt wird. Gemäß diesem Gesetzesvorbehalt enthält das FVG eine abschließende Regelung über die sachliche Zuständigkeit, die Vorrang vor hiervon abweichenden Verwaltungsanweisungen hat.
Außenprüfungen werden --vorbehaltlich einer Beauftragung nach § 195 Satz 2 AO 1977-- "von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt". Die Außenprüfung (§§ 193 ff. AO 1977) ist als Ermittlungsmaßnahme Teil des Besteuerungsverfahrens; sie ist in dem mit "Durchführung der Besteuerung" überschriebenen Vierten Teil der AO 1977 geregelt. Gemäß § 16 AO 1977 richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem FVG.
Das FVG enthält eine abschließende Regelung u.a. der den OFD als Mittelbehörden einerseits und den FÄ als örtlichen Behörden der Finanzverwaltung andererseits zugewiesenen Aufgabenbereiche (Verwaltungszuständigkeit). Nach § 8 Abs.1 FVG "leitet" die OFD die Finanzverwaltung; nach Abs.6 leitet die Besitz- und Verkehrsteuerabteilung der OFD "die Durchführung der Aufgaben, für deren Erledigung die Finanzämter zuständig sind". Hingegen sind die FÄ "für die Verwaltung der Steuern mit Ausnahme der Zölle und der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern ... zuständig"; insoweit konkretisiert § 17 Abs.2 Satz 1 FVG die Finanzverfassung des GG (Art.108 Abs.2 i.V.m. Art.106 Abs.1 GG). Zur "Verwaltung" der Steuern gehört auch die Durchführung von Außenprüfungen. Die "Leitung" der Finanzverwaltung ist eine hiervon grundlegend verschiedene Aufgabe. Es bestehen erhebliche Bedenken gegen die Auffassung des Beklagten zu 2, die OFD könne in Ausübung ihrer Leitungsbefugnis Verwaltungszuständigkeiten an sich ziehen. Solches ist jedenfalls nicht zulässig, wenn dadurch für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Verwaltungszuständigkeiten der FÄ ausgegliedert werden. Eine Großbetriebsprüfungsstelle, die mit einem erheblichen Personalbestand ausgestattet sein muß, ist vom FVG in der "Gliederung der Oberfinanzdirektion" (vgl. die amtliche Überschrift zu § 8 FVG) --neben der Zoll- und Verbrauchsteuer-, der Bundesvermögens- und der Besitz- und Verkehrsteuerabteilung-- nicht vorgesehen.
Es braucht ferner nicht entschieden zu werden, ob die Zuständigkeitsordnung des FVG eine Beauftragung der OFD durch ein FA auf der Rechtsgrundlage des § 195 AO 1977 auch im Einzelfall ausschließt (vgl. BFH-Beschluß vom 14.Mai 1968 II R 31/67, BFHE 92, 426, BStBl II 1968, 586). Jedenfalls korrigiert eine Verwaltungsanweisung, in der die OFD generell für eine relevante Anzahl von Fällen ihre eigene Beauftragung anordnet das Gesetz; sie verstößt gegen den Vorrang des FVG.
Diese Verlagerung von Zuständigkeiten auf eine übergeordnete Behörde ist mit dem Fall, daß bestimmten FÄ die Zuständigkeit für die Prüfung von Großbetrieben durch Verwaltungsanordnung zugewiesen wurde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4.April 1984 I R 269/81, BFHE 140, 509, BStBl II 1984, 563, betreffend Großbetriebsprüfungsstellen in Niedersachsen als örtliche Landesfinanzbehörden i.S. der §§ 2 Abs.1 Nr.2, 20, 21 FVG 1950; bestätigt durch BVerfG-Beschluß vom 3.September 1984 2 BvR 48/84, HFR 1985, 285), nicht zu vergleichen.
d) Der Kläger ist nicht durch § 127 AO 1977 gehindert, die Aufhebung des Prüfungsauftrags an die OFD bzw. die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu beanspruchen. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar bei Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit (BFH-Urteil vom 23.April 1986 I R 178/82, BFHE 147, 125, BStBl II 1986, 880, unter B I.2.; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.September 1982 8 C 138.81, BVerwGE 66, 178, 183; Tipke/Kruse, a.a.O., § 16 AO Tz.5 a.E., § 127 AO Tz.7).
3. Soweit das FG den ersten Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen hat, war sein Urteil aufzuheben. Auf die spruchreife Klage hin war die mit diesem Antrag begehrte Feststellung auszusprechen.
Fundstellen
BFH/NV 1993, 53 |
BStBl II 1993, 649 |
BFHE 171, 15 |
BFHE 1994, 15 |
BB 1993, 2440 |
BB 1993, 2440-2443 (LT) |
DB 1993, 1702-1704 (LT) |
DStR 1993, 1329 (KT) |
HFR 1993, 626 (KT) |
StE 1993, 397 (K) |
WPg 1993, 667 (S) |
StRK, R. 58 (LT) |
StBp 1993, 237 (K) |