Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO durch Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist zur Beantragung einer Steuervergütung
Leitsatz (amtlich)
Fällt der Ablauf der Frist für die Beantragung einer Steuervergütung mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist zusammen und wird ein entsprechender Antrag erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist und damit nach dem Erlöschen des Vergütungsanspruchs gestellt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO mit der Folge einer rückwirkenden Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO nicht in Betracht.
Normenkette
StromStG § 10 Abs. 1; StromStV § 18 Abs. 1; AO § 110 Abs. 1, § 171 Abs. 3, § 47
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übersandte dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) mit Schreiben vom 20. Februar 2006 die Kopie eines Antrages auf Gewährung einer Stromsteuervergütung nach § 10 Abs. 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG), den sie nach eigenen Angaben bereits am 15. Dezember 2005 für das Jahr 2004 gestellt hatte. Mit Schreiben vom 6. März 2006 wies die Klägerin ergänzend darauf hin, dass sie den ersten Antrag fristgerecht mit der Post versandt habe, so dass sie kein Verschulden daran treffe, dass er nicht beim HZA eingegangen sei. Das HZA wies den Vergütungsantrag mit dem Hinweis ab, dass der Antrag für das Jahr 2004 gemäß § 18 Abs. 1 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) bis zum 31. Dezember 2005 hätte gestellt werden müssen.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) legte das Schreiben der Klägerin vom 6. März 2006 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (§ 110 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) und stellte fest, dass die Klägerin ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Antragsfrist des § 18 Abs. 1 StromStV einzuhalten. Die Klägerin habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Brief von einer ihrer Mitarbeiterinnen am 15. Dezember 2005 bei der Post aufgegeben worden sei, so dass die Klägerin hinsichtlich des nicht fristgerechten Eingangs des Schreibens beim HZA kein Verschulden treffe.
Im Streitfall sei der Ablauf der einjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 1 AO) gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt gewesen. Denn aufgrund der rechtlichen Wirkung der gewährten Wiedereinsetzung gelte der Vergütungsantrag als vor dem Fristende, also vor dem 31. Dezember 2005, und damit vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt. Bei dieser Betrachtung komme es auf die Frage nicht an, ob es überhaupt möglich sei, eine Wiedereinsetzung in eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist zu gewähren. Der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2004 6 K 2157/01 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2004, 283), das in einem vergleichbaren Fall wegen des Erlöschens des Vergütungsanspruchs infolge Fristablaufs eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für ausgeschlossen gehalten habe, könne nicht gefolgt werden. Denn die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist führe zum rückwirkenden Eintritt der Ablaufhemmung und damit zum Aufleben des zunächst erloschenen Vergütungsanspruchs. Diesem Ergebnis stehe das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. August 1999 III R 57/98 (BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330) nicht entgegen. Da im Streitfall die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StromStG vorlägen, habe die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Stromsteuervergütung.
Mit der Revision rügt das HZA die Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Regelung des § 110 AO finde lediglich auf verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Fristen Anwendung, die vom Steuerpflichtigen auch eingehalten werden könnten. Die Wiedereinsetzung in eine abgelaufene Festsetzungsfrist komme daher nicht in Betracht. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO zum Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führe. Eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung sei daher unzulässig. Entgegen der Ansicht des FG könne ein kraft Gesetzes erloschener Anspruch nicht wieder aufleben. Im Streitfall liege weder ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch eine Anfechtung eines Steuerbescheids nach Ablauf der Festsetzungsfrist vor, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten. Eine Ablaufhemmung könne nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Antrag vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden sei. Schließlich habe der Gesetzgeber bei der Konzeption der Regelung des § 18 Abs. 1 StromStV das Zusammenfallen des Endes der Antragsfrist mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist bewusst in Kauf genommen. Der Steuerpflichtige sei nicht daran gehindert, den Antrag fristgerecht zu stellen. Insoweit sei die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das HZA beantragt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Dabei schließt sie sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Es sei unstreitig, dass Wiedereinsetzung in eine abgelaufene Festsetzungsverjährungsfrist nach § 110 Abs. 1 AO nicht gewährt werden könne. Im Streitfall gehe es jedoch um die Antragsfrist nach § 18 Abs. 1 StromStV, was das HZA verkenne. Aufgrund der Fiktionswirkung der Wiedereinsetzung sei die Festsetzungsfrist überhaupt nicht betroffen; der Vergütungsanspruch sei nie erloschen. Das FG habe sich auch nicht in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Auffassung des HZA zu einer verfassungswidrigen Rechtslage führe. Denn danach könne es aufgrund des Zusammenfallens des Endes der Antragsfrist mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 18 Abs. 1 StromStV in keinem Fall geben. Dies sei jedoch mit der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--) und dem Gehörsanspruch des Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar. Im Übrigen gebe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in ständiger Rechtsprechung der Rechtsrichtigkeit den Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der erloschene Vergütungsanspruch durch Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist wieder zur Entstehung gelangt.
1. Der Anspruch der Klägerin auf eine Stromsteuervergütung nach § 10 Abs. 1 StromStG ist infolge des Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschen (§ 169 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. § 47 AO).
Gemäß § 155 Abs. 4 AO sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung von Steuervergütungen sinngemäß anzuwenden. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Nr. 1 AO). Im Streitfall macht die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung der Stromsteuer nach § 10 Abs. 1 StromStG für den im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2004 zu betrieblichen Zwecken entnommenen und für begünstigte Zwecke i.S. von § 9 Abs. 3 StromStG verwendeten Strom geltend. Gemäß § 18 Abs. 1 StromStV ist die Vergütung der Steuer für innerhalb eines Kalenderjahres entnommenen Strom bis zum 31. Dezember des folgenden Kalenderjahres schriftlich beim HZA zu beantragen. Folglich hätte die Klägerin einen entsprechenden Antrag bis zum 31. Dezember 2005 stellen müssen. Nach den Feststellungen des FG ging ein entsprechender Antrag jedoch erst am 21. Februar 2006 beim HZA ein.
Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Klägerin eine Stromsteuervergütung begehrt, also mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (§ 170 Abs. 1 AO), und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2005. Weder § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch § 170 Abs. 3 AO finden im Streitfall Anwendung. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass ein Vergütungsantrag gemäß § 10 Abs. 1 StromStG, der vom Steuerpflichtigen nach Belieben gestellt werden kann, keine Steueranmeldung nach § 8 Abs. 1 StromStG darstellt, für deren Abgabe eine gesetzliche Verpflichtung besteht (vgl. zur vergleichbaren Problematik bei einem Anspruch nach dem Investitionszulagengesetz: BFH-Urteil vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432). Auch eine Anzeige nach § 138 oder § 139 AO liegt nicht vor. Schließlich geht es im Streitfall weder um eine Aufhebung noch um eine Änderung oder Berichtigung einer bereits erfolgten Steuerfestsetzung. Es bleibt daher beim Beginn der Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004, so dass im Zeitpunkt des Eingangs des Vergütungsantrages am 21. Februar 2006 die einjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war. Wie das FG zutreffend erkannt hat, ist der Vergütungsanspruch mit Ablauf der Festsetzungsfrist (31. Dezember 2005) gemäß § 47 AO erloschen.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des FG kann die durch den Ablauf der Festsetzungsfrist eingetretene Rechtsfolge nicht dadurch rückwirkend beseitigt werden, dass der Klägerin nach § 110 Abs. 1 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Antragsfrist gewährt wird. Selbst wenn der Auslegung des FG zu folgen wäre, nach der das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schreiben vom 6. März 2006 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gedeutet werden könnte, kann ein solcher Antrag nicht dazu führen, den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO rückwirkend zu hemmen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Vergütungsantrag und der Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden sind, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem der geltend gemachte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits erloschen war.
a) Nach § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war. Ob die in § 18 Abs. 1 StromStV normierte Antragsfrist einer Wiedereinsetzung fähig ist, oder ob es sich um eine Ausschlussfrist handelt, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Jedenfalls gehören zu den in § 110 Abs. 1 AO genannten Fristen solche, die dem Steuerpflichtigen kein bestimmtes Verhalten nahelegen und von diesem nicht durch eine entsprechende Ausrichtung seines Handelns befolgt werden können. Nicht wiedereinsetzungsfähig sind daher die gesetzlichen Fristen, die von den Finanzbehörden als Verwaltungsträger im Verwaltungsverfahren zu beachten sind. Daher kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in eine abgelaufene Festsetzungsfrist nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330, sowie BFH-Entscheidungen vom 21. Oktober 1996 VI R 4/94, BFH/NV 1997, 330, und vom 13. Juni 1995 I B 108/94, BFH/NV 1996, 104).
b) Das vom FG dargelegte Verständnis von § 110 Abs. 1 und § 171 Abs. 3 AO und die Annahme einer rückwirkenden Ablaufhemmung kämen einer Wiedereinsetzung in eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist gleich. Sinn und Zweck der Festsetzungsverjährung stehen einem solchen Ergebnis jedoch entgegen. Die Festsetzungsfrist dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden; denn die Erweisbarkeit eines Anspruchs wird um so schwieriger, je mehr Zeit nach Entstehung des Anspruchs verstrichen ist (BFH-Entscheidungen vom 28. September 2000 III R 43/97, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211; vom 18. Juni 1998 V R 24/97, BFH/NV 1999, 281; vom 31. Januar 1989 VII R 77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442, und BVerfG-Beschluss vom 22. Oktober 1981 1 BvR 172/81, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1974, § 46, Rechtsspruch 2). Im Gegensatz zur Verwirkung, die ebenfalls dazu führt, dass der Anspruchsinhaber dauerhaft daran gehindert ist, seinen Anspruch geltend zu machen, treten die Rechtsfolgen der Festsetzungsverjährung durch bloßen Zeitablauf ein. Nach Ablauf der in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO festgelegten Frist sollen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herrschen. Dabei dient die Regelung sowohl dem Interesse des Steuerpflichtigen als auch den Belangen der Finanzverwaltung. Die am Steuerschuldverhältnis Beteiligten sollen nach Ablauf der Festsetzungsfrist darauf vertrauen dürfen, dass sie endgültig nicht mehr in Anspruch genommen werden. Schließlich dient die Festsetzungsverjährung auch dem Allgemeininteresse an einem geordneten Arbeitsablauf der Finanzverwaltung (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 281).
Eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist und damit ein Hinausschieben des Eintritts der Festsetzungsverjährung sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass ein Antrag auf Steuerfestsetzung vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden ist (§ 171 Abs. 3 AO). In dieser Situation soll der Finanzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt werden, den Antrag sorgfältig zu prüfen, indem es einer Bescheidung des Antrages unter Zeitdruck noch vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht bedarf. Im Interesse des Steuerpflichtigen an einer sachgerechten Entscheidung und im Interesse der Finanzverwaltung an einer ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Befugnisse sind die Hemmung des Fristablaufs und der damit verbundene Fortbestand der Rechtsunsicherheit hinzunehmen. Hat es der Steuerpflichtige dagegen unterlassen, einen Antrag auf Steuerfestsetzung bzw. einen Vergütungsantrag innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen, muss die Finanzverwaltung nicht mehr damit rechnen, einen Antrag bescheiden und einen Vergütungsanspruch befriedigen zu müssen. Ist innerhalb der Festsetzungsfrist kein Antrag des Steuerpflichtigen eingegangen, ist das Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis unabweisbar. Selbst bei unverschuldeter Säumnis des Steuerpflichtigen kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO mit dem Ziel einer rückwirkenden Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO nicht gewährt werden (Kruse in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 10; Frotscher in Schwarz, AO, § 171 Rz 9a; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 171 Rz 11; a.A. ohne nähere Begründung Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 19, und Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 17).
c) Der Ansicht der Klägerin, dass aufgrund der zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Vergütungsanspruch zu keinem Zeitpunkt erloschen war, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nicht bereits durch die bloße Möglichkeit gehemmt, dass der Steuerpflichtige innerhalb der in § 110 Abs. 2 und 3 AO festgelegten Fristen einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen könnte. Vielmehr läuft die Festsetzungsfrist unabhängig davon ab, ob der Antrag infolge eines schuldhaften Verhaltens des Steuerpflichtigen oder ohne dessen Verschulden nicht fristgerecht bei der Finanzbehörde eingegangen ist. Ist die Festsetzungsfrist verstrichen, ohne dass ein Antrag gestellt worden ist, tritt durch bloßen Zeitablauf die in § 47 AO angeordnete Rechtsfolge ein. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich ungewiss, ob der Steuerpflichtige überhaupt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen beabsichtigt. Lässt er die Dinge auf sich beruhen, liegt es auf der Hand, dass das Steuerschuldverhältnis durch Erlöschen des Anspruchs beendet ist. Auch Sinn und Zweck der Festsetzungsverjährung stehen der Auffassung der Klägerin entgegen.
Ist ein Vergütungsanspruch aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen, kommt eine rückwirkende Anwendung von § 171 Abs. 3 AO nicht mehr in Betracht. Wie bereits ausgeführt, gehört die Festsetzungsfrist zu den nicht wiedereinsetzungsfähigen Fristen. Daher scheidet auch eine Wiedereinsetzung in die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO aus. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO wegen Versäumung einer zur Ablaufhemmung führenden Antragsfrist geht somit in den Fällen ins Leere, in denen die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen und der geltend gemachte Anspruch erloschen ist.
3. Dieses Ergebnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht daran gehindert, eine gesetzliche Antragsfrist so zu bemessen, dass ihr Ablauf mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist zusammenfällt.
Bei der Ausgestaltung von Verwaltungsverfahren kommt dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu, insbesondere der Vorrang, zwischen Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Herstellung der Gerechtigkeit im Einzelfall abzuwägen (BVerfG-Beschluss vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 268). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes begegnet die Normierung nicht wiedereinsetzungsfähiger Festsetzungsfristen (§ 169 Abs. 2 AO) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn diese Fristen dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden; sie gewährleisten damit die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips. Diese Zielsetzung legitimiert zugleich eine Beschränkung der in § 171 Abs. 3 AO eröffneten Möglichkeit, den Ablauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Nur für den Fall, dass der Antrag vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist gestellt worden ist, tritt nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Hemmung des Fristablaufs ein.
Da das FG zu einem von der Rechtsauffassung des Senats abweichenden Ergebnis gelangt ist, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das HZA hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Vergütung der Stromsteuer für das Jahr 2004 zu Recht abgelehnt. Die Klage ist daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1956447 |
BFH/NV 2008, 838 |
BFH/PR 2008, 330 |
BStBl II 2008, 462 |
BFHE 2008, 214 |
BFHE 220, 214 |
DB 2008, 912 |
DStRE 2008, 588 |
HFR 2008, 548 |