Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Wirtschaftliche Voraussetzungen. Verbleib von Geldvermögen. Bedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Partei muss in ihrem Prozesskostenhilfeantrag glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, warum früher vorhandene erhebliche Geldbeträge ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen.
Diese Darlegungen müssen ein so hinreichendes Maß an Plausibilität erreichen, dass mit ihnen zum einen der Verdacht ausgeräumt werden kann, der Hilfesuchende habe die Geldmittel nicht verbraucht, sondern nur zur Seite geschafft oder damit andere verwertbare Vermögensgegenstände erworben. Zum anderen muss auch ausgeschlossen werden können, dass der Hilfesuchende, der mit Kosten durch einen bevorstehenden oder einen schon geführten Rechtsstreit rechnen konnte und deshalb seine finanziellen Dispositionen auf die Prozessführung einrichten musste, sich seines Vermögens durch Ausgaben entäußert hat, für die keine dringende Notwendigkeit bestand (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 10.1.2006 - VI ZB 26/05, FamRZ 2006, 548, 549).
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
[1] Die Parteien, die sich am 15.3.2004 getrennt hatten, streiten um Trennungs- und Kindesunterhalt. Das AG - FamG - hat den Beklagten auf die seit Dezember 2004 anhängige Klage zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das OLG als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, für deren Durchführung er Prozesskostenhilfe beantragt.
[2] Nach seinen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und den beigefügten Belegen verfügt der Beklagte über Einkünfte aus Arbeitslosengeld in monatlicher Höhe von 1.669,80 EUR, wovon durch die Klägerin monatlich insgesamt 939,60 EUR als Unterhalt gepfändet werden. Der Beklagte ist Eigentümer einer etwa 63 m2 großen und im Jahre 1993 bezugsfertig gewordenen Eigentumswohnung in Z. Die Wohnung wird von der 1921 geborenen Mutter des Beklagten bewohnt, zu deren Gunsten der Beklagte am 24.3.2004 ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht bewilligt hat. Nach dem Inhalt seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt der Beklagte sonst nur noch über ein älteres Kraftfahrzeug und einen Barbetrag von 3.000 EUR.
[3] Aus dem Vortrag der Parteien zur Hauptsache ergibt sich zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten - soweit für die Entscheidung über die begehrte Prozesskostenhilfe von Bedeutung - ergänzend folgendes:
[4] Das Arbeitsverhältnis des Beklagten, der als leitender Angestellter beschäftigt war, wurde durch eine von seinem Arbeitgeber ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung zum 30.6.2004 beendet. In einem anschließenden Kündigungsschutzverfahren schloss der Beklagte einen Vergleich, wonach sein Arbeitsverhältnis auf eine hilfsweise ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung erst zum 30.9.2004 endete und der Beklagte für den Verlust des Arbeitsplatzes mit einer Abfindung i.H.v. 230.000 EUR (brutto) entschädigt wurde. Nachdem der Beklagte noch mit Schriftsätzen vom 7. und 10.3.2005 vorgetragen hatte, die Abfindung sei noch nicht ausgezahlt, hat er später behauptet, den Betrag im Januar 2005 erhalten zu haben. Er habe den Nettobetrag von knapp 190.000 EUR von seinem Konto abgehoben und diesen zusammen mit weiterem Bargeld i.H.v. 40.000 EUR, welches aus dem Rückkauf einer Lebensversicherung stammte, im Schlafzimmer seiner Mietwohnung in R. ungesichert aufbewahrt. Während einer zweiwöchigen Ortsabwesenheit Anfang Februar 2005 seien noch nicht ermittelte Täter mit Hilfe eines für Notfälle zwischen Rollladen und Balkontür deponierten Schlüssels in die Wohnung eingedrungen und hätten das gesamte Bargeld entwendet.
II.
[5] Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren Gewährung nicht vorliegen.
[6] 1. Dabei kann es auf sich beruhen, ob es dem Beklagten trotz des zugunsten seiner Mutter bestehenden dinglichen Wohnungsrechts möglich und zumutbar ist, seine im Übrigen unbelastete Eigentumswohnung in Z. - die nicht zum Schonvermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII zählt - durch Veräußerung oder Belastung für die Prozesskosten einzusetzen.
[7] 2. Denn eine Bewilligung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte für den Verbleib seines noch im Februar 2005 vorhandenen Geldvermögens keine plausible Erklärung abgegeben hat.
[8] Eine Partei muss in ihrem Prozesskostenhilfeantrag glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, warum früher vorhandene erhebliche Geldbeträge ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen (Musielak/Fischer ZPO, 5. Aufl., § 115 ZPO Rz. 55 m.w.N.). Diese Darlegungen müssen wenigstens ein so hinreichendes Maß an Plausibilität erreichen, dass mit ihnen zum einen der Verdacht ausgeräumt werden kann, der Hilfesuchende habe die Geldmittel nicht verbraucht, sondern nur zur Seite geschafft oder damit andere verwertbare Vermögensgegenstände erworben (Musielak/Fischer, a.a.O., Zöller/Philippi ZPO, 26. Aufl., § 115 Rz. 73). Zum anderen muss auch ausgeschlossen werden können, dass der Hilfesuchende, der mit Kosten durch einen bevorstehenden oder einen schon geführten Rechtsstreit rechnen konnte und deshalb seine finanziellen Dispositionen auf die Prozessführung einrichten musste, sich seines Vermögens durch unangemessene Ausgaben entäußert hat, für die keine dringende Notwendigkeit bestand. Denn anderenfalls wäre sein Begehren nach staatlicher Prozessfinanzierung rechtsmissbräuchlich (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 10.1.2006 - VI ZB 26/05, FamRZ 2006, 548, 549; Zöller/Philippi, a.a.O., Rz. 72; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 115 Rz. 65; Stein/Jonas/Bork ZPO, 22. Aufl., § 115 Rz. 92 m.w.N.).
[9] Dem Vorbringen des Beklagten zur Entwendung seines Barvermögens fehlt indessen selbst das Maß an Plausibilität, das im Verfahren der Prozesskostenhilfe gefordert werden muss.
[10] a) Der Beklagte hat schon keinen nachvollziehbaren Grund dafür benannt, dass er sich sein gesamtes Geldvermögen (Abfindung und Rückkaufswert der Lebensversicherung) von der Bank auszahlen ließ, um es als Bargeld in seiner Wohnung zu deponieren. Ein erst beabsichtigter Immobilienerwerb stellt hierfür keinen plausiblen Grund dar. Denn dass der Beklagte - wie behauptet - angenommen haben könnte, er könne durch Barzahlung des vollständigen Kaufpreises einen Nachlass erzielen, der ihm im Falle einer Banküberweisung nicht gewährt würde, erscheint dem Senat abwegig. Ein redlicher Immobilienverkäufer wird dem Anerbieten einer Zahlung des vollständigen Kaufpreises in einer Größenordnung von mehr als 200.000 EUR durch Übergabe von Bargeld eher im Hinblick auf eine möglicherweise zweifelhafte Herkunft des Geldes mit Misstrauen begegnen. Selbst im Falle einer Zwangsversteigerung konnte der Meistbietende auf Bargeld - als dies rechtlich noch zulässig war (vgl. nunmehr § 69 Abs. 1 ZVG in der Fassung von Art. 11 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006, BGBl. I, 3416) - nur in Höhe der beizubringenden Sicherheitsleistung zurückgreifen.
[11] b) Für den Beklagten bestand auch keine Veranlassung, sich Bargeld für den Kauf einer Immobilie bereits unmittelbar nach der Überweisung der arbeitsrechtlichen Abfindung im Januar 2005 und vor Antritt seiner Urlaubsreise Anfang Februar 2005 auszahlen zu lassen. Denn er konnte für diesen Zeitpunkt weder ein ihn konkret interessierendes Objekt noch gar die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nachweisen. Der Beklagte hat auch kein konkretes Misstrauen gegen die Finanzinstitute dargelegt, das ihn bewogen haben könnte, das Guthaben sofort und in voller Höhe abzuheben. Denn zuvor hatte er offensichtlich über einen längeren Zeitraum keine Bedenken, Vermögen durch Einzahlung von Beiträgen in eine Lebensversicherung zu bilden.
[12] c) Schließlich ist es auch nicht nachvollziehbar, warum sich der Beklagte des außergewöhnlichen Risikos ausgesetzt haben sollte, sein gesamtes Geldvermögen in der Wohnung zu verwahren und für die Deponierung des Bargelds nicht auf nahe liegende und erheblich sicherere Aufbewahrungsmöglichkeiten - wie die Anmietung eines Bankschließfachs - zurückzugreifen. Dies leuchtet umso weniger ein, als der Beklagte kurz nach der Abhebung des Bargeldes das Entwendungsrisiko dadurch weiter erhöht haben will, dass er seine Wohnung für eine längere Urlaubsreise verlassen und einen Ersatz-Wohnungsschlüssel außen am Gebäude abgelegt haben will. Angesichts eines angeblich in der Wohnung ungesichert verwahrten Geldbetrages i.H.v. etwa 230.000 EUR würde dies eine gänzlich unerklärbare Leichtfertigkeit darstellen.
[13] d) Bei dieser Sachlage vermag der Senat nicht auszuschließen, dass der Beklagte entweder entgegen dem Inhalt seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht prozesskostenarm ist oder seine Bedürftigkeit durch Ausgaben herbeigeführt hat, die einem Anspruch auf staatliche Prozesskostenfinanzierung entgegenstehen. In beiden Fällen kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.
[14] Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die dem Beklagten laut seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeblich verbliebenen Einkünfte i.H.v. monatlich (24,34 EUR x 30 Tage =) 730,20 EUR sogar die von ihm angegebenen Unterkunftskosten i.H.v. monatlich 768,18 EUR unterschreiten und nicht ersichtlich ist, wovon der Beklagte sonst seinen Lebensunterhalt bestreitet.
Fundstellen
Haufe-Index 1986167 |
BGHR 2008, 813 |
EBE/BGH 2008 |
FamRZ 2008, 1163 |
FuR 2008, 282 |
NJW-RR 2008, 953 |
JurBüro 2008, 435 |
JurBüro 2008, 502 |
ZAP 2008, 817 |
MDR 2008, 759 |
FF 2008, 340 |
FamRB 2008, 239 |
HRA 2008, 12 |
RENOpraxis 2008, 140 |
RVGreport 2008, 357 |
ZFE 2008, 308 |
Rafa-Z 2009, 11 |