Leitsatz (amtlich)
Rentenmehrbeträge, die dem Geschädigten auf Grund des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. April 1952 gewährt werden, muß der Schädiger, soweit sie sich im Rahmen des von ihm zu ersetzenden Schadens halten, dem Versicherungsträger - im Gegensatz zu Mehrzahlungen auf. Grund von Systemänderungen des Gesetzes (BGH LM § 1542 RVO - 9 = VersR 1954, 537 und BGH VersR 1955, 393) - auch dann erstatten, wenn der Geschädigte hinsichtlich des ihm entstandenen Schadens vor Eintritt der Rentenerhöhung mit dem Schädiger einen Abfindungsvergleich abgeschlossen hat.
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 10.05.1954) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 18.12.1953) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 10. Mai 1954 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts in Hamburg vom 18. Dezember 1953 wird zurückgewiesen, soweit die Beklagten verurteilt sind, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 1951 bis zum 15. August 1965 zusätzlich zu den von ihnen anerkannten Rentenbeträgen in Höhe von 51,70 DM monatlich weitere 7,80 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung über den weitergehenden Anspruch der Klägerin und die Kosten des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am ... 1900 geborene Weichenreiniger U. wurde am 7. Januar 1950, als er mit dem Reinigen von Straßenbahnweichen an einer Straßenkreuzung in Hamburg beschäftigt war, von einem dem Erstbeklagten gehörigen, von dem Zweitbeklagten geführten Lastkraftwagen überfahren und tödlich verletzt.
Die Klägerin hat an die Witwe U. Unfallrente zu zahlen. Die Rente betrug zunächst 51,70 DM monatlich. Sie ist durch das Gesetz über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. April 1952 (BGBl. I, 253) mit Wirkung vom 1. Juni 1951 um 7,80 DM monatlich erhöht worden.
Die Beklagten haben die Rückgriffsansprüche der Klägerin in Höhe des ihnen von dieser ursprünglich mitgeteilten Betrages von 51,70 DM monatlich anerkannt. Dagegen haben sie sich zur Zahlung der Zulage von 7,80 DM monatlich nicht bereit erklärt, weil sie am 23. Dezember 1950 durch ihren Haftpflichtversicherer mit der Witwe U. einen Abfindungsvergleich abgeschlossen haben, wonach diese gegen Zahlung von 1.000 DM sich hinsichtlich aller ihr zustehenden Ersatzansprüche für vollständig befriedigt erklärt hat.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagten sich ihr gegenüber auf den mit der Witwe U. abgeschlossenen Vergleich nicht berufen könnten; sie hat Klage erhoben mit dem Antrage, die Beklagten zu verurteilen, vom 1. Juni 1951 ab zusätzlich zu den von ihnen anerkannten Rentenbeträgen monatlich 7,80 DM an die Klägerin zu zahlen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagten um Zurückweisung der Revision bitten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1.
Gemäß § 1542 RVO gehen die Schadensersatzansprüche, die dem Sozialversicherten oder seinen Hinterbliebenen gegen den Schädiger erwachsen sind, auf den öffentlichen Versicherungsträger insoweit über, als er ihnen nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren hat. In Schrifttum und Rechtsprechung ist anerkannt, daß dieser Rechtsübergang auf den öffentlichen Versicherungsträger sich bereits im Augenblick der Entstehung des Anspruchs vollzieht, meist also schon im Zeitpunkt des Unfalls, der die Ersatzpflicht des Schädigers auslöst, obwohl in diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht feststeht, in welcher Höhe der Schädiger zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein und in welcher Höhe der Versicherungsträger an den Geschädigten Versicherungsleistungen zu erbringen haben wird. Es handelt sich also gewissermaßen um einen Übergang der Schadensersatzansprüche dem Grunde nach. Demgemäß gehen die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger auf den Versicherungsträger auch insoweit über, als die von diesem zu gewährenden Leistungen durch nachträgliche Gesetzesänderungen erhöht worden sind (Urteil des erkennenden Senats vom 25. März 1953 - VI ZR 13/52 - LM RVO § 1542 - 5 = VRS 5, 342 Nr. 197 = VersR 1953, 209 und vom 24. März 1954 - VI ZR 24/53 - LM RVO § 1542 - 9 = VersR 1954, 537 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts; Wussow: Das Unfallhaftpflichtrecht 5. Aufl. § 1542 RVO - 1, 5 und 7 S 529, 534-536.). Der erkennende Senat hat diesen Rechtsgrundsatz allerdings bisher ausdrücklich nur für Rentenerhöhungen auf Grund des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes ausgesprochen. Dasselbe muß aber auch für Rentenerhöhungen auf Grund des hier in Frage stehenden Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. April 1952 (BGBl. I, 253) gelten, auf Grund dessen die Klägerin der Witwe U. den Mehrbetrag von monatlich 7,80 DM ab 1. Juni 1951 zu gewähren hat. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders als hinsichtlich des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes.
Eine Ausnahme ist lediglich zu machen bei der Neubegründung von Ansprüchen infolge Systemänderung des Gesetzes, wie der erkennende Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 24. März 1954 und seinem Urteil vom 30. April 1955 (VersR 1955, 393) näher dargelegt hat.
2.
Das Berufungsgericht meint, daß die Beklagten der Klägerin diesen Mehrbetrag nicht zu erstatten brauchten, weil sie sich auf den mit der Witwe U. lange vor der Verkündung und vor dem Inkrafttreten des erwähnten Gesetzes vom 29. April 1952 abgeschlossenen und von ihnen erfüllten Abfindungsvergleich berufen könnten.
Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.
a)
§ 1542 enthält einen gesetzlichen Forderungsübergang. Gemäß § 419 BGB finden auf die Übertragung von Forderung kraft Gesetzes die Vorschriften der § § 399 bis 404, 406 bis 410 BGB, somit auch § 407 BGB, entsprechende Anwendung. Die Versicherungsträger müssen daher den durch einen Abfindungsvergleich zwischen Geschädigtem und Schädigern zustande gekommenen Erlaßvertrag hinsichtlich der Mehrforderungen dann gegen sich gelten lassen, wenn die Schädiger die Abtretung nicht gekannt haben. Das Schrifttum steht, soweit ersichtlich, einhellig auf dem Standpunkt, daß der Schädiger Gesetzesänderungen, die zu Rentenerhöhungen geführt haben, nicht habe voraussehen können und mit ihnen auch nicht habe zu rechnen brauchen, so daß ein vor einer Gesetzesänderung abgeschlossener Abfindungsvergleich den Schädiger dagegen schütze, von dem Versicherungsträger auf Ersatz der diesem infolge der Gesetzesänderung erwachsenen Mehrleistungen an den Geschädigten in Anspruch genommen zu werden (Wussow a.a.O. S 536, DR 1942, 779, WJ 1953, 87 und 1954 199; Chomse, VersR 1951, 233; Geigel: Der Haftpflichtprozeß 7. Aufl. § 1542 EVO Anm. 2 S 393; Brandts, Liebing, Malkewitz, Zumbansen: Komm zur EVO 5. Aufl. § 1542 Anm. 10; Hennicke, Versicherungswirtschaft 1953, 216; von Altrock, Deutsche Versicherungszeitschrift 1953, 272; Köhler, VersR 1953, 286; Seitz, Die Ersatzansprüche der. Sozialversicherungsträger nach § § 903 und 1542 EVO [1954] S 41). Lores (Berufsgenossenschaft 1953, 476) kommt, wenn auch mit anderer Begründung, zu demselben Ergebnis. Er meint, daß in einem derartigen Falle der Geschädigte nicht unberechtigt, sondern als Berechtigter über die ihm zustehende Schadensersatzforderung verfügt habe. Diese Verfügung des Berechtigten müsse der Versicherungsträger nach allgemeinen Grundsätzen gegen sich gelten lassen. Das OVA Düsseldorf (Breithaupt 1953, 649 Nr. 224) hat sich, wenn auch nur in einer beiläufigen Bemerkung, der im Schrifttum herrschenden Auffassung angeschlossen. Entscheidungen der ordentlichen Gerichte zu dieser Rechtsfrage sind mit Ausnahme des in VersR 1954, 358 abgedruckten Urteils des Berufungsgerichte in dieser Sache dem Senat bisher nicht bekannt geworden. Das Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1954 (a.a.O.) hat lediglich ausgesprochen, daß der Schädiger sich jedenfalls dann gemäß § 407 BGB auf seine Unkenntnis berufen kann, wenn dem Versicherungsträger infolge einer Systemänderung des Gesetzes ganz neue Leistungen auferlegt worden sind, die ihm nach der bisherigen gesetzlichen Regelung überhaupt nicht oblagen. Auch die Urteile des OLG Jena (DR 1943, 1237 Nr. 16) und des Kammergerichts (VersR 1954, 19) betreffen Fälle von Systemänderungen des Gesetzes und nicht bloße Rentenerhöhungen.
b)
Bei der Beantwortung der hier zur Entscheidung stehenden Frage muß von den Ausführungen unter 1 ausgegangen und in Betracht gezogen werden, daß die Forderung nach § 1542 RVO im allgemeinen bereits im Augenblick des Schadensfalles übergeht. Die Schadenersatzansprüche des Geschädigten stehen also bereits von diesem Zeitpunkt an dem Versicherungsträger im Umfange der jeweils von ihm zu bewirkenden Leistungen zu. Von diesem Grundsatz ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. März 1954 nicht abgegangen. Das Urteil enthält lediglich eine Abgrenzung für die Anwendung dieses Grundsatzes in der Richtung, daß ein Forderungsübergang insoweit nicht in Frage kommen kann, als die Leistungspflicht des Versicherungsträgers nicht zum mindesten gleichfalls ihrem Grunde nach gesetzlich festgelegt war. Zu einer weiteren Einschränkung des erwähnten Grundsatzes sieht der erkennende Senat auch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß. Soweit also der Geschädigte durch einen Vergleich über derartige auf den Versicherungsträger übergegangene Ansprüche verfügt, handelt es sich entgegen Lores (a.a.O.) um die Verfügung eines Nichtberechtigten. Es bleibt daher lediglich zu prüfen, ob der Versicherungsträger diese von dem Geschädigten unberechtigt vorgenommene Verfügung gemäß § 407 BGB gegen sich gelten lassen muß.
c)
Diese Frage ist zu verneinen. Wie der erkennende Senat (a.a.O.) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts betont hat, besitzt jeder, der von dem Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses weiß, die Kenntnis von der "Abtretung" der Forderung im Sinne des § 407 BGB, so daß Leistungen an den Geschädigten oder Rechtsgeschäfte mit ihm dem Versicherungsträger nicht entgegengehalten werden können. Es ist dabei bedeutungslos, in welcher Höhe die Rente im Zeitpunkt der Leistung des Geschädigten oder des Abschlusses des Abfindungsvergleichs tatsächlich zu gewähren ist. Da es sich gewissermaßen um einen Übergang der Rente dem Grunde nach handelt, der durch die Höhe der jeweils von dem Versicherungsträger zu gewährenden Leistungen lediglich konkretisiert wird, kann sich der Schädiger nicht darauf berufen, daß zur Zeit des Abschlusses eines Abfindungsvergleichs nach den in diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen nur eine Rente in bestimmter Höhe zu leisten war. Die Erstattung von Rentenerhöhungen, die auf ein Gesetz zurückgeben, das zu keiner Systemänderung in der Sozialversicherung führt, kann daher von dem zum Schadensersatz verpflichteten Schädiger nicht abgelehnt werden, wenn er sich ohne Zustimmung des Versicherungsträgers mit dem Geschädigten verglichen hat.
Wussow (Unfallhaftpflichtrecht S 532) befindet sich mit der hier vertretenen Auffassung insoweit in Einklang, als er aus der Eigenart des Rechtsübergangs nach § 1542 RVO folgert, daß sich die Kenntnis des Schädigers auf alle im Zeitpunkt seiner Leistung an den Verletzten als möglich vorauszusehenden Leistungen des Versicherungsträgers erstreckt. Er führt demgemäß aus, daß sich die Höhe des übergehenden Teils der Schadensersatzansprüche nur aus der weiteren Entwicklung feststellen lasse, und meint, es sei grundsätzlich dem Schädiger zuzumuten, sich darüber im klaren zu sein, daß sich die Grenze zwischen dem übergegangenen Schadensteil und dem Restanspruch des Verletzten dauernd verschieben könne, insbesondere mit Rücksicht auf die Entwicklung des Gesundheitszustandes des Verletzten (WJ 1954, 12). Trotzdem will er bei Gesetzesänderungen dem Schädiger die Berufung auf § 407 BGB nicht versagen. Er begründet diese Ansicht damit, daß der Wortlaut des § 1542 RVO nur eine solche Auslegung zulasse und außerdem die Auswirkungen von Gesetzesänderungen von dem Schädiger in keiner Weise vorausberechnet werden kannten (Unfallhaftpflichtrecht S 537). Dieser Folgerung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Daß der Hinweis auf den Wortlaut des § 1542 RVO nicht durchgreifen kann, ist bereits in dem oben erwähnten Urteil des Senats vom 24. März 1954 (a.a.O.) näher dargelegt worden. Auf diese Ausführungen, an denen der erkennende Senat, auch nach erneuter Prüfung, festhält, wird verwiesen. Die weitere Begründung, die Wussow (a.a.O.) für seine Ansicht gibt, rechtfertigt es nur, die Belastung des Schädigers mit Mehrleistungen infolge von Systemänderungen des Gesetzes, nicht aber die Belastung mit bloßen Rentenerhöhungen auszuschalten, zumal diese ihre Grundlage im wesentlichen in der Anpassung der persönlichen Bedürfnisse der Versicherten an den allgemein erhöhten Lebensstandard haben.
Wie die Rechtsentwicklung auf diesem Gebiete in den letzten Jahrzehnten, insbesondere in der Zeit nach der Währungsreform gezeigt hat, sind nämlich die Sozialrenten nicht gleich geblieben. Ebenso wie Löhne und Gehälter nach der Währungsreform in Anpassung an die gestiegenen Preise und mit Rücksicht auf die günstige Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage in weitem Umfang, wenn auch in recht unterschiedlichem Ausmaße, erhöht worden sind, sind auch die Rentenleistungen nach und nach verbessert worden. Diese sich zwangsläufig ergebenden Rentenerhöhungen sind allgemein als notwendige Folge der Lohn- und Preisentwicklung vorauszusehen gewesen. Kein Schädiger hat daher darauf vertrauen können, daß es für alle Zukunft bei der ursprünglich festgesetzten Rente bleiben werde. Bei bloßen Rentenerhöhungen durch eine Gesetzesänderung ohne Systemänderung der Sozialversicherung kann somit die Berufung des Schädigers auf einen mit dem Geschädigten vor der Gesetzesänderung geschlossenen Abfindungsvergleich die Anwendung des § 407 BGB nicht rechtfertigen.
Es kommt noch folgendes hinzu: Der Wille des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 1542 RVO ist auf eine möglichst weitgehende Entlastung des öffentlichen Versicherungsträgers gerichtet gewesen. Dieser und nicht der Schädiger sollte durch die vom Gesetz getroffene Regelung geschützt werden (vgl. BGHZ 9, 179 [190 f]). Es verdient daher eine Gesetzesauslegung den Vorzug, die es ermöglicht, den verantwortlichen Schädiger heranzuziehen, und nicht den Schädiger auf Kosten des Sozialversicherungsträgers entlastet. Eine solche Lösung erscheint gerade deshalb nicht unbillig, weil die gesetzlich angeordneten Rentenerhöhungen im wesentlichen auf die allgemeine Hebung des Lohn- und Preisniveaus zurückzuführen sind. Der verletzte oder getötete Sozialversicherte würde im allgemeinen ein höheres Einkommen haben, wenn er noch in seiner vor dem Unfall innegehabten Stellung tätig sein könnte. Sein Verdienstausfall und ebenso der Unterhaltsanspruch der Witwe, der ihr durch den Tod ihres Ernährers entgangen ist, würden höher sein, als sie im Zeitpunkt des Unfalles gewesen sind. Diesen erhöhten Schaden könnten die Verletzten und Hinterbliebenen von dem Schädiger ersetzt verlangen, wenn er nicht durch die Rentenerhöhungen ausgeglichen werden würde. Es handelt sich also bei den hier in Frage stehenden Erhöhungen im Grunde nur um eine in genereller Weise durchgeführte Anpassung an die Verhältnisse des Verletzten. Wenn durch Abfindungsvergleiche auch die auf die Versicherungsträger übergegangenen Ansprüche mit Wirkung gegen diese mitumfaßt werden könnten, so würden Abfindungsvergleiche zwischen Schädiger und Geschädigten in solchen Fällen meist zu Lasten des Versicherungsträgers gehen, denn der hieraus dem Versicherungsträger gegen den Versicherten möglicherweise zustehende Anspruch wird oft keinen Ausgleich bieten. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. Es ist daher daran festzuhalten, daß Abfindungsvergleiche mit dem Geschädigten den Schädiger gegenüber dem Versicherungsträger bei durch Gesetz angeordneten Rentenerhöhungen, anders als bei Systemänderungen des Gesetzes, nicht schützen.
d)
Durch diese Rechtsprechung werden zwar Vergleiche mit dem sozialversicherten Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen erschwert. Derartige Vergleiche bleiben jedoch auch weiterhin möglich. Der Schädiger muß allerdings bei einem Vergleich, den er nur mit dem Geschädigten abschließt, solche Rentenerhöhungen mit in Betracht ziehen, ebenso wie er die Schwankungen berücksichtigen muß, die eintreten können, wenn der Gesundheitszustand des Geschädigten sich ungünstig entwickelt (vgl. Wussow, WJ 1954, 11). Ist der Geschädigte sozialversichert, so stehen dem Schädiger zwei Berechtigte gegenüber, nämlich der Geschädigte und der Sozialversicherungsträger. Es bedeutet keine Besonderheit, daß in einem solchen Falle der gesamte Unfallschaden durch einen Abfindungsvergleich mit dem Geschädigten allein ohne Beteiligung des Sozialversicherungsträgers nicht endgültig geregelt werden kann. Durch den Abfindungsvergleich wird nur der dem Geschädigten selbst zustehende Anspruch abgegolten. Sofern der Versicherungsträger zu einem Vergleich über seinen Anspruch nicht bereit ist, kann der Schädiger durch einen Vergleich mit dem Geschädigten diesen Anspruch auch nicht erfassen.
e)
Schwierigkeiten können bei dieser Lösung, wie der Revisionserwiderung zuzugeben ist, auch dann eintreten, wenn der sozialversicherte Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem Schädiger wegen der ihnen verbliebenen Rentenansprüche eine Kapitalabfindung gemäß § 843 Abs. 3 BGB verlangen. Praktische Schwierigkeiten, die infolge einer als richtig erkannten Gesetzesauslegung entstehen können, dürfen aber nicht dazu Veranlassung geben, einer anderen Auslegung den Vorzug zu geben (BGHZ 18, 149 [163]). Das gilt hier um so mehr, als Kapitalabfindungen in der Praxis nur selten verlangt werden, so daß diese Frage verhältnismäßig geringe Bedeutung hat.
f)
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Prüfung, ob sich der Schädiger den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten lassen muß, wenn er sich unter Umständen, wie sie hier vorliegen, dem Versicherungsträger gegenüber auf den Abfindungsvergleich mit dem Geschädigten beruft. Ebensowenig kommt es auf die von der Revision erörterte Frage an, ob die Auslegung des Abfindungsvergleichs durch das Berufungsgericht rechtlich zutreffend ist.
3.
Der Anspruch auf den Mehrbetrag konnte der Klägerin jedoch von dem erkennenden Senat nur bis zu dem Zeitpunkt zugesprochen werden, in dem der Getötete, wenn er am leben geblieben wäre, das 65. Lebensjahr erreicht hätte. Daß bis zu diesem Zeitpunkt der der Witwe U. durch den Tod ihres Ehemanns entstandene Schaden die Rentenleistungen einschließlich der Zulage von 7,80 DM monatlich übersteigt, ist von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Für die spätere Zeit kann die Klägerin dagegen den Mehrbetrag von dem Schädiger nur ersetzt verlangen, wenn feststeht, daß der Getötete, der wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis bei der Hamburger Hochbahn ausgeschieden wäre, auch in der Folgezeit ein Einkommen gehabt hätte, das einen Schadensersatzanspruch der Witwe U. wegen entgangenen Unterhalts in Höhe der gesamten Rente, einschließlich des Mehrbetrags, auch unter Berücksichtigung eines etwa vorliegenden Mitverschuldens des Getöteten, gerechtfertigt hätte. Insoweit bedarf die Sache noch weiterer Aufklärung, so daß der erkennende Senat in diesem Umfang nicht in der Sache selbst entscheiden kann, sondern den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweisen muß. Bemerkt sei noch, daß der Witwe über den Zeitpunkt des mutmaßlichen natürlichen Todes des Unterlauf hinaus kein Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zusteht. Auch diesem Umstand wird bei der von dem Berufungsgericht zu treffenden Entscheidung Rechnung zu tragen sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Revision, ist aus Zweckmäßigkeitsgründen ebenfalls dem Berufungsgericht übertragen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 3018528 |
BGHZ 19, 177 - 185 |
BGHZ, 177 |
DB 1956, 522 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1956, 461-463 (Volltext mit amtl. LS) |