Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Zumutbarer Einsatz einer kapitalbildenden Lebensversicherung
Leitsatz (amtlich)
Zur Zumutbarkeit des Einsatzes einer kapitalbildenden Lebensversicherung im Rahmen der Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3
Verfahrensgang
AG S. (Beschluss vom 12.10.2009; Aktenzeichen 32 F 161/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das AG hat mit insgesamt zutreffenden Erwägungen die Antragsgegnerin für nicht bedürftig gehalten, da sie die bestehenden Rückkaufswerte ihrer kapitalbildenden Lebensversicherungen zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen hat.
1. An die Zumutbarkeit der Verwertung des Vermögens gem. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht Aufgabe der Allgemeinheit, dem Antragsteller den Aufbau oder Erhalt von Vermögen zu finanzieren. Nur wenn das Vermögen unverwertbar, z.B. unpfändbar nach §§ 811, 812 ZPO ist, oder wenn die Veräußerung wirtschaftlich unvertretbar erscheint, ist in Ausnahmefällen Zumutbarkeit zu verneinen. In aller Regel ist der Einsatz aber auch dann zumutbar, wenn mit der vorzeitigen Kündigung Einbussen verbunden sind; die hiermit verbundenen Nachteile fallen in die Risikosphäre des Antragstellers (BSG, FamRB 2005, 347; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 72; 2006, 1396, 1397; 1399, 1400; OLGReport 2006, 256, 257; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2007, 847, 848; OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2005, 504, 506; OLG Celle, FamRZ 2005, 992; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2006, 269; i. E. auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 524; OLG Bremen, FamRZ 2007, 1341 und OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466). Anderenfalls könnte der Beteiligte durch manipulative Festlegung von Geldern zu Lasten der Allgemeinheit Vermögenswerte anhäufen. I. Ü. muss der Beteiligte vorhandene Vermögenswerte nicht zwingend auflösen, auch die Aufnahme eines Darlehens unter Beleihung vorhandener Vermögenswerte ist in Betracht zu ziehen (BGH FamRZ 2007, 460, 461; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 386; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2007, 1036, 1037; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2007, 847).
Der Einsatz kapitalbildender Lebensversicherungen, die also einen Kapitalbetrag zur Auszahlung gelangen lassen, ist grds. uneingeschränkt zumutbar. Mit der Möglichkeit der Kapitalauszahlung zeigt der Versicherte, dass die Kapitalbildung und nicht die Altersvorsorge nicht im Vordergrund steht; dies braucht die Allgemeinheit nicht hinzunehmen (Horndasch/Viefhues/Götsche, FamFG, 2009, Anhang zu § 76 Rz. 108).
Der Antragsteller trägt für all dies die vollständige Darlegungslast. Er muss schlüssig darlegen, dass er bei Vorhandensein einer Lebensversicherung gleichwohl kein einzusetzendes Vermögen besitzt (zur Lebensversicherung: OLG Bremen, FamRZ 2007, 1341 [1342]; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2007, 847; zum Prozesskostenvorschussanspruch: OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2007, 1037, 1038 und OLGR 2005, 866 f.; OLG Karlsruhe, JAmt 2006, 470; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1933 f.) bzw. weshalb ihm der Vermögenseinsatz unzumutbar ist (OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2005, 504, 506). Im Falle des § 90 Abs. 3 SGB XII (besondere Härte) muss der Antragsteller die wesentliche Erschwernis ausreichend dartun, da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt (vgl. auch OLG Bremen OLGReport Bremen 2007, 619, 620). Bestehende Zweifel gehen zu seinen Lasten und führen regelmäßig zur vollständigen Versagung der Verfahrenskostenhilfe.
2. Diesen strengen Anforderungen genügt die hier betriebene Altersvorsorge nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der Unzumutbarkeit einen Ausnahmefall statuiert. Erst wenn der Versicherte aller Voraussicht nach zwingend auf die vorhandenen Versorgungen zur Absicherung seines Bedarfes im Alter angewiesen ist, kann von einer Unzumutbarkeit der Verwertung ausgegangen werden. Hier ist zum einen der hohe Wert der vorhandenen beiden Kapitallebensversicherungen von insgesamt über 26.000 EUR Rückkaufswert zu bedenken. Zur Begleichung der Prozesskosten braucht die Antragsgegnerin lediglich einen Teil dieser Versicherung, weshalb sie diese nicht einmal vollständig auflösen muss, vielmehr eine Beleihung in Betracht ziehen kann; dies führt dann dazu, dass aus den Lebensversicherungen später lediglich eine geringere Alterversorgung fließen würde. Letztendlich kommt es darauf aber nicht einmal an. So ist hier zu berücksichtigen, dass es sich eben um kapitalbildende Lebensversicherungen und nicht um Rentenversicherungen handelt. Der Charakter als Altervorsorge ist damit in Zweifel zu ziehen. Erst recht ist die Verwertung der Lebensversicherung zumutbar, weil die Antragsgegnerin bereits auf andere Weise neben den vorhandenen gesetzlichen Rentenversorgungsrechten eine Alterversorgung betreibt. So ist sie Alleineigentümerin einer Doppelhaushälfte, woraus sie im Grundsatz ihre...