Leitsatz (amtlich)
Zu den nach § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung gehören auch die Kosten für die Wasserversorgung und Abwasserversorgung.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Potsdam (Beschluss vom 18.04.2013; Aktenzeichen 46 F 26/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Potsdam vom 18.4.2013 - 46 F 26/13 - dahin abgeändert, dass keine Raten zu zahlen sind.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Familiengerichts verbleibt ihr nach Abzug aller gem. § 115 ZPO anrechenbaren Abzüge kein einzusetzendes Einkommen, das eine Ratenzahlungsverpflichtung gem. § 115 Abs. 3 ZPO rechtfertigen könnte. Soweit das Familiengericht nach der im Übrigen nicht zu beanstandenden Berechnung zu einem einzusetzenden Einkommen von 46,06 EUR gelangt ist, beruht dies auf der Annahme, dass gem. § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO von den Kosten, die die Antragstellerin für Unterkunft und Heizung aufwendet, lediglich 90,90 EUR absetzbar sind.
Tatsächlich belaufen sich jedoch die gem. § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zu berücksichtigenden monatlichen Wohn- und Heizkosten auf mindestens 137,75 EUR, nämlich
a) Kosten für Wasserver- und Abwasserentsorgung (599,33 EUR: 12) 49,94 EUR,
b) Kosten für Grundsteuer (93,39 EUR: 12) 7,83 EUR,
c) Kosten für Wohngebäudeversicherung: (239,81 EUR: 12) 19,98 EUR,
d) Kosten für Heizung (Gas) 60 EUR,
mithin insgesamt 137,75 EUR,
so dass unter Berücksichtigung Freibeträge und der weiteren Einkünfte und Ausgaben kein einzusetzendes Einkommen verbleibt. Soweit das Familiengericht insbesondere die Kosten für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht als abzugsfähige Aufwendungen i.S.v. § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO berücksichtigt hat, entspricht diese Ansicht zwar der Rechtsauffassung des BGH (FamRZ 2008, 781) und der langjährigen Spruchpraxis des Senats. Der Senat hält daran jedoch nicht mehr fest.
Zu den nach § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zu berücksichtigenden Abzügen für Unterkunft und Heizung gehören auch die als Mietnebenkosten berechenbaren Beträge für die Versorgung mit Wasser und die Entsorgung des Abwassers, und zwar unabhängig davon, ob diese Kosten tatsächlich vom Vermieter der Wohnung als Betriebskosten auf den um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten umgelegt werden oder letzterer diese Kosten - wie hier - als Eigentümer aufzubringen hat. Die Regelung in § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO knüpft, wie sich bereits aus § 115 Abs. 1 Ziff. 1. a) ergibt, hinsichtlich der Berücksichtigung von Wohnkosten an das Sozialhilferecht an. Mithin ist es gerechtfertigt, diese Norm dahin auszulegen, dass nur solche Wohnkosten vom Regelungsbereich erfasst sein sollen, die nicht bereits bei der Bemessung des Regelbedarfs nach §§ 27a, 28 SGB XII, an deren Stelle im Verfahrenskostenhilfeverfahren die Freibeträge gem. § 115 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZPO treten, berücksichtigt worden sind. Zu diesen nicht bei der Ermittlung des Regelbetrages erfassten Wohnkosten zählen zunächst alle von § 35 SGB XII erfassten Kosten für Wohnung und Heizung, denn diese Kosten werden kraft Gesetzes über den Regelbedarf hinaus als besonderer Bedarf in Höhe der tatsächlichen und angemessenen Aufwendungen anerkannt. Nach ganz herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung gehören zu den tatsächlichen Aufwendungen i.S.d. § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII alle Nebenkosten der Unterkunft, soweit es sich um die ihrer Art nach in § 2 Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I, 2346 - BetrKV) aufgeführten Betriebskosten handelt, weil der Vermieter berechtigt ist, sie gem. § 556 BGB auf die Mieter umzulegen, ohne dass Letzterer diese Kosten senken oder gar vermeiden kann (vgl. nur BSG, NZS 2010, 110; BSGE 102, 247; BSG Urt. v. 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - Zit. n. juris; Bieritz-Harder/Conradis/Thiel, SGB XII, 9. Aufl., § 35 Rz. 22; Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., § 35 SGB XII, Rz. 2). Zu diesen Betriebskosten gehören nach § 2 Nr. 2 u. 3 BetrKV auch die Kosten der Wasserversorgung, die Kosten des Wasserverbrauchs, die Grundgebühren, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung von Wasserzählern, die Gebühren für die Haus- und Grundstücksentwässerung, die Kosten des Betriebs einer entsprechenden nicht öffentlichen Anlage und die Kosten des Betriebs einer Entwässerungspumpe.
Dass die Aufwendung für die Wasserver- und Entsorgung nicht bereits bei der Bemessung des Regelbedarfs gem. § 28 SGB XII berücksichtigt sind, ergibt sich auch bei näherer Betrachtung der Grundlagen für die Regelbedarfsermittlung. Nach § 28 Abs. 3 SGB XII erfolgt die Ermittlung des Regelbedarfs im Sozialhilferecht auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt vorgenommenen Einkommens- und Verbrauchsstich...