Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.02.2017; Aktenzeichen L 9 R 3651/16)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 26.08.2016; Aktenzeichen S 8 R 655/15)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit Urteil vom 21.2.2017 - dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 3.3.2017 - hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Vormerkung von Kindererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeiträume 17.3.1987 bis 16.7.1987 und 24.1.1989 bis 23.7.1989 verneint. Hiergegen hat der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.3.2017, beim BSG eingegangen am 20.3.2017, die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und mit Schriftsatz vom 4.5.2017, beim BSG eingegangen am 8.5.2017, beantragt, die Frist zur Abgabe der Revisionsbegründung bis 2.6.2017 zu verlängern. Mit Schreiben vom 18.5.2017 hat er gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung Folgendes geltend gemacht: Er sei krankheitsbedingt verhindert gewesen, die mit Schriftsatz vom 4.5.2017 begehrte Fristverlängerung zur Abgabe der Revisionsbegründung rechtzeitig bis zum 3.5.2017 zu stellen. Die zu beantragende Verlängerungsfrist sei für ihn, der erstmalig im Revisionsverfahren tätig geworden sei, wesentlich vom Erhalt der Akten abhängig gewesen, sodass eine vorsorgliche Antragstellung bereits im Rahmen der Einlegung des Rechtsmittels unterblieben sei. Die Gerichts- und Verwaltungsakten hätten ihn erst am 18.4.2017 erreicht. In den folgenden Tagen sei die Akte kopiert worden und für die Rücksendung an das Gericht zum 28.4.2017 in den Postausgang gelegt worden. Es sei beabsichtigt gewesen, zu diesem Zeitpunkt auch ein Anschreiben mit dem Antrag auf Fristverlängerung zur Abgabe der Revisionsbegründung beizufügen. Aufgrund einer am 28.4.2017 einsetzenden akuten Brech-/Durchfallerkrankung habe er die Kanzlei jedoch an diesem Tag nicht aufsuchen und auch keine Post versenden können. Da die Beschwerden im Laufe des nachfolgenden Wochenendes zunächst nachgelassen hätten, sei er davon ausgegangen, ab dem 2.5.2017 wieder den Geschäften nachgehen zu können. In der Nacht zum 2.5.2017 habe er jedoch einen krankheitsbedingten Rückfall erlitten, sodass es ihm am 2./3.5.2017 unmöglich gewesen sei, seine Kanzlei aufzusuchen. Erst am 4.5.2017 habe er wieder arbeiten und auch an diesem Tag den Fristverlängerungsantrag stellen können. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ferner darauf hingewiesen, dass er ein allein arbeitender Einzelanwalt in einer eigenen Kanzlei sei und weder über anwaltliche Kanzleikollegen noch über Mitarbeiter verfüge, welche er ggf hätte unterrichten und denen er Weisungen zur Sicherung der Fristwahrung hätte geben können. Bei seiner Krankheit habe es sich um eine unvorhersehbare Erkrankung gehandelt, sodass auch keine vorsorglichen Maßnahmen hätten getroffen werden können. Insbesondere sei er davon ausgegangen, dass die Krankheit in zwei bis drei Tagen, mithin jedenfalls vor Fristablauf, ausheile und er die Frist noch einhalten könne. Der am 2.5.2017 einsetzende krankheitsbedingte Rückfall sei ebenfalls nicht vorhersehbar gewesen.

II

Die Revision der Klägerin ist mangels fristgerechter Begründung als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach S 2 dieser Vorschrift kann die Begründungsfrist auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

Das Urteil des LSG ist der Klägerin am 3.3.2017 zugestellt worden, sodass die zweimonatige Frist zur Revisionsbegründung am 3.5.2017 abgelaufen ist (§ 63 Abs 2 SGG iVm § 174 ZPO; § 64 Abs 2 S 1 SGG). Bis zu diesem Tag hat eine Revisionsbegründung der Klägerin nicht vorgelegen. Der Klägerin konnte auch nicht auf ihren Antrag vom 4.5.2017, eingegangen beim BSG am 8.5.2017, eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gewährt werden, weil der Antrag erst nach Fristablauf und damit verspätet gestellt worden ist.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist liegen nicht vor.

Ist jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 67 Abs 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumnis der Frist muss auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen sein (BSG GrS SozR 1500 § 67 Nr 1 S 3).

Eine schuldlose Fristversäumnis hat nicht vorgelegen.

Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt (BGH Beschluss vom 26.9.2013 - V ZB 94/13 - Juris RdNr 7). Eine derartige Verpflichtung besteht insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei allein betreibt und nicht über eingearbeitetes, zum selbstständigen Handeln befähigtes Personal verfügt (vgl BSG Beschluss vom 16.2.2010 - B 2 U 318/09 B - Juris RdNr 7; BGH Beschluss vom 24.10.1985 - VII ZB 16/85 - Juris RdNr 5). Einem Einzelanwalt ohne Personal ist es zB zumutbar, Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall durch eine Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen zu treffen (BGH Beschluss vom 26.9.2013 - V ZB 94/13 - Juris RdNr 7).

Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht entsprochen. Nach seinen Angaben hat er keinerlei Vorkehrungen für eine Vertretung im Fall eines unvorhersehbaren Ausfalls getroffen.

Die Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist wäre bei Anwendung der von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernden üblichen Sorgfalt (vgl zu diesem Maßstab BGH Beschluss vom 12.11.2013 - VI ZB 4/13 - Juris RdNr 13) vermeidbar gewesen.

Zwar kann eine unvorhergesehene Erkrankung einen Rechtsanwalt außerstande setzen, noch irgendwelche fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nach seinen Angaben unter einer Brech-/Durchfallerkrankung gelitten. Daraus ergibt sich aber nicht, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, einen vertretungsbereiten Kollegen im Fall einer vorherigen Absprache zu benachrichtigen und diesen zu bitten, eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zu beantragen (vgl auch BGH Beschluss vom 26.9.2013 - V ZB 94/13 - Juris RdNr 11).

Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin gemäß § 73 Abs 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO zurechnen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10895443

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