Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für drei operative Eingriffe zur Liposuktion.
Bei der 1992 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin wurde ein schmerzhaftes Lipödem beider Arme und Beine (Stadium I) festgestellt. Ihren Antrag auf Kostenübernahme für eine stationär durchzuführende Liposuktion lehnte die Beklagte ab(Bescheid vom 6.9.2018) . Daraufhin beantragte die Klägerin am 21.9.2018 erneut die Kostenübernahme, diesmal als Einzelfallentscheidung für insgesamt drei Operationen an den Unterschenkeln, Oberschenkeln und Armen. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab(Bescheid vom 18.10.2018; Widerspruchsbescheid vom 22.1.2019) .
Vor dem SG begehrte die Klägerin zunächst die Gewährung von Liposuktionsoperationen der Arme, Ober- und Unterschenkel bei der Klinik H als Sachleistung, ließ dann aber die begehrten Eingriffe am 9.7.2019, 3.9.2019 und 27.11.2019 dort durchführen und beantragte Erstattung der Kosten gemäß den Rechnungen vom 17.7.2019, 20.9.2019 und 27.11.2019 in Höhe von insgesamt 17 985 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen. Die Rechnungen entsprächen nicht den Voraussetzungen der GOÄ, sodass sich daraus keine Zahlungsverpflichtung ergebe(Urteil vom 10.7.2020) . Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar sei die Genehmigungsfiktion für die von der Klägerin beantragten Liposuktionsbehandlungen eingetreten. Dem Kostenerstattungsanspruch stehe aber entgegen, dass der Klägerin keine erstattungsfähigen Kosten entstanden seien. Die Rechnungen der Klinik H begründeten keinen rechtswirksamen Vergütungsanspruch, weil sie nicht die für einen fälligen Vergütungsanspruch erforderlichen formellen Voraussetzungen der GOÄ erfüllten. Die formellen Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr 2 GOÄ seien nicht erfüllt, weil die Gebührennummer und die Bezeichnung der zugehörigen Leistung nicht hinreichend transparent angegeben worden seien. Denn die Leistung nach Ziffer 2454 bezeichne die "operative Entfernung von überstehendem Fettgewebe an einer Extremität" und könne daher für jede Extremität nur einmal abgerechnet werden. In der Rechnung sei sie insgesamt 39-mal unter Angabe verschiedener Regionen der Extremität in Ansatz gebracht worden. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt habe, erfüllten die Rechnungen auch die formellen Anforderungen des § 12 Abs 3 Satz 1 GOÄ nicht. Insbesondere fehle es an verständlichen und nachvollziehbaren schriftlichen Begründungen für das Überschreiten des 2,3fachen Steigerungssatzes. Jedenfalls für die mit dem 3,5fachen Gebührensatz berechnete Gebührenziffer 491 enthielten auch die im Berufungsverfahren vorgelegten Vereinbarungen nach § 2 Abs 1 Satz 1 GOÄ keinerlei Angaben. Zudem seien - verdeckt durch den Anschein der Rechnungen - entgegen den Vorgaben der GOÄ Pauschalhonorare abgerechnet worden. Denn für drei verschiedene Operationen sei jeweils der exakt gleiche Betrag in Rechnung gestellt worden, der sich bereits aus den Kostenvoranschlägen ergeben habe(Urteil vom 19.1.2023) .
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung(dazu 1.) und der Divergenz(dazu 2.) .
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft( § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) , muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist(vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN) . Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wirft die Klägerin die Frage auf,
"ob Operationsrechnungen über selbstbeschaffte Leistungen, welche sowohl die Gebührennummern, die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistungen und den jeweiligen Betrag und Steigerungssatz beinhalten, einen Kostenerstattungsanspruch des Patienten begründen, selbst wenn inhaltliche Mängel der Rechnungen vorliegen sollten."
Sie führt hierzu aus, das Berufungsgericht begebe sich auf eine rein inhaltliche und materielle - und im Ergebnis zudem fehlerhafte - Prüfung der abgerechneten Gebührenziffern, während nach der Konzeption des § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V einzig die in § 12 GOÄ geregelte Fälligkeit entscheidend sei. Dieser Widerspruch in der Rechtsfindung werde nicht aufgelöst.
Darüber hinaus hält sie die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob Mängel einer Operationsrechnung in einzelnen Ziffern zu einem Gesamtausschluss des Erstattungsanspruches des Patienten führen, wenn gleichsam andere Rechnungspositionen rechtmäßig erfolgten."
Sie ist der Auffassung, dass selbst wenn einzelne Rechnungspositionen materiell-rechtlich zu beanstanden seien, es bei einer Vielzahl rechtmäßig abgerechneter Positionen verbleibe. Soweit das BSG bereits entschieden habe, dass allein die formelle Wirksamkeit der Rechnung für einen Erstattungsanspruch entscheidend sei, weise sie darauf hin, dass eine Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig sein könne, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen werde und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht würden.
Damit hat sie allerdings die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend dargelegt. Wie sie selbst ausführt, hat der Senat bereits entschieden, dass Versicherte nur durch eine nach der GOÄ fällige Rechnung einer Forderung ausgesetzt sind, für die eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse in Betracht kommt. Die Rechnung muss nicht mit materiellem Gebührenrecht übereinstimmen(vgl BSG vom 29.8.2023 - B 1 KR 13/22 R - SozR 4-2500 § 27a Nr 22 RdNr 19; BSG vom 26.2.2019 - B 1 KR 33/17 R - juris RdNr 45 ; BSG vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29, 34; BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 ff) . Damit sind beide von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen bereits hinreichend geklärt. Eine erneute Klärungsbedürftigkeit legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Allein mit der Behauptung, der Rechtsprechung werde in nicht geringfügigem Umfang widersprochen und gegen sie würden nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht, wird der erneute Klärungsbedarf nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin legt aber nicht dar, aus welchen Gründen der Rechtsprechung widersprochen werde oder welche Einwände dagegen erhoben würden. Es fehlt insoweit sowohl an jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Senatsrechtsprechung als auch mit der angeblich dagegen vorgebrachten Kritik. Soweit sie vorträgt, verschiedene Landessozialgerichte und Gerichte würden mittlerweile in Kostenerstattungsverfahren auf einzelne Mängel der Operationsrechnungen verweisen und die Erstattung insgesamt ablehnen, bleibt es auch insoweit bei der bloßen Behauptung; entsprechende Entscheidungen werden nicht bezeichnet. Zu der angegriffenen Berufungsentscheidung führt sie aus, das LSG vermenge formelle mit materiellen Wirksamkeitsfragen. Damit rügt die Klägerin aber im Kern lediglich eine von ihr behauptete inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung; ein erneuter Klärungsbedarf der aufgeworfenen Fragen ergibt sich daraus nicht.
2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz( § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht(vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6 ; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8 ; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫ vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8) . Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen Rechtssatz aufgestellt hat, der objektiv von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht(vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8 ) . Dem LSG muss es dabei aber nicht subjektiv bewusst gewesen sein, dass es einen objektiv abweichenden Rechtssatz aufstellt(vgl auch BSG vom 2.9.2015 - B 11 AL 34/15 B - juris RdNr 18 ) . Es genügt für eine Abweichung, dass das LSG andere rechtliche Maßstäbe aufstellt(vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91). An der Aufstellung eines von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Rechtssatzes fehlt es, wenn das LSG lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. Die Aufstellung eines Rechtssatzes durch das LSG, der objektiv von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht, hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen.
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin führt hierzu aus, das BSG habe den Rechtssatz aufgestellt, dass es lediglich darauf ankomme, ob der Versicherte einer nach GOÄ fälligen Forderung ausgesetzt sei(Hinweis auf BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32) . Hiervon weiche das Berufungsgericht ab, indem es auf inhaltliche Faktoren der Rechnungen abstelle. Es vermenge materielle Rechtsfragen der Operationsrechnungen mit den Voraussetzungen der formalen Fälligkeit. Dies führe in jedem Fall verdeckt zu einer abweichenden Entscheidung im Vergleich zu der zitierten Entscheidung.
Der Beschwerdebegründung fehlt es an der Darlegung eines entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatzes in dem angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts. Einen von der Rechtsprechung des BSG abweichenden Rechtssatz legt die Klägerin nicht dar. Ein solcher kann ihren Ausführungen auch inhaltlich nicht entnommen werden. Denn das LSG hat seine Entscheidung ausdrücklich damit begründet, dass die Rechnungen nicht die für einen fälligen Vergütungsanspruch erforderlichen formellen Voraussetzungen nach § 12 Abs 2 Nr 2 GOÄ und nach § 12 Abs 3 Satz 1 GOÄ erfüllten, weshalb die Klägerin inhaltlich rügt, das LSG vermenge materielle mit formalen Anforderungen an eine Rechnung und komme damit verdeckt zu einer abweichenden Entscheidung. Dies vermag aber die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht zu begründen, denn diese Rüge betrifft lediglich die Behauptung einer fehlerhaften Anwendung des Rechts. Ein abstrakter Rechtssatz, den das LSG in Abweichung zur Rechtsprechung des BSG aufgestellt hat, wird damit nicht dargelegt.
Im Übrigen legt die Klägerin auch nicht dar, dass das Urteil auf der von ihr behaupteten Abweichung beruht. Werden von einem Gericht mehrere selbstständige Begründungen gegeben, die den Urteilsausspruch schon jeweils für sich genommen tragen, muss in der Beschwerde für jede der Begründungen ein Revisionszulassungsgrund mit Erfolg geltend gemacht werden(vgl BSG vom 19.6.1975 - 12 BJ 24/75 - SozR 1500 § 160a Nr 5 S 7; BSG vom 22.4.2010 - B 1 KR 145/09 B - juris RdNr 8 ; BSG vom 6.1.2023 - B 9 V 22/22 B - juris RdNr 12 ) . Die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, dass nach Auffassung des LSG in Wahrheit eine Pauschalabrechnung vorgelegen habe.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab( § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16469063 |