Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwillig versicherter Selbstständiger. Zulässigkeit der Festsetzung der Beitragshöhe bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid
Orientierungssatz
Beitragsbescheide müssen die Beiträge selbstständig Erwerbstätiger in der Regel endgültig festsetzen und dürfen sich zur Bestimmung der maßgeblichen Einnahmen auf die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen stützen (vgl BSG vom 22.3.2006 - B 12 KR 14/05 R = SozR 4-2500 § 240 Nr 5).
Normenkette
SGB 4 § 15 Abs. 1; SGB 5 § 240 Abs. 1, 4 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Höhe der Beiträge der bei der Beklagten freiwillig krankenversicherten Klägerin für die Zeit ab dem 1.1.2002.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 6.2.2007 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.
Die sachliche Unrichtigkeit des Urteils ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.
Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7 ). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31 ). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat zwar die "Fragestellung" formuliert, "ob der Beklagte einen zutreffend unter Vorbehalt einer späteren Änderung und Rücknahme auf Basis einer Einkommenshochrechnung festgesetzten Beitragsbescheid unter Zugrundelegung eines ebenfalls nur vorläufig geschätzten Einkommens für die Beitragsperiode ändern durfte." Es kann unerörtert bleiben, ob es sich hierbei überhaupt um eine - hinreichend konkrete - Rechtsfrage handelt. Je nachdem, welche Bedeutung die Formulierung "eines ebenfalls nur vorläufig geschätzten Einkommens" in der Frage haben soll, ist entweder schon in der Begründung aufgezeigt, dass die Frage nicht klärungsfähig ist, oder aber nicht dargelegt, dass sie klärungsbedürftig ist.
Versteht man die Formulierung so, dass gefragt werden soll, ob und ggf wie eine Beitragsfestsetzung unter Vorbehalt aufgrund einer neuen vorläufigen Einkommensschätzung geändert werden darf, ist die Frage nach dem Beschwerdevorbringen nicht klärungsfähig. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Beklagte die Beitragsfestsetzung aufgrund der Vorlage eines Einkommensteuerbescheides geändert hat, also gerade nicht aufgrund einer vorläufigen Schätzung.
Soweit mit der Frage gemeint sein soll, ob die Beklagte eine vorläufige Beitragsfestsetzung aufgrund eines Einkommensteuerbescheides für die Vergangenheit auch über den Zeitraum hinaus ändern darf, für den der Einkommensteuerbescheid ergangen ist, fehlt es an den erforderlichen Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Der Senat hat in seinem vom LSG in Bezug genommenen Urteil vom 22.3.2006 ( B 12 KR 14/05 R,BSGE 96, 119 =SozR 4-2500 § 240 Nr 5 ) ausgeführt, dass Beitragsbescheide die Beiträge selbstständig Erwerbstätiger in der Regel endgültig festsetzen müssen und sich zur Bestimmung der maßgeblichen Einnahmen auf die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen stützen dürfen. Aufgrund der besonderen Verhältnisse bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen könnten deren tatsächliche Einnahmen jeweils nur zeitversetzt berücksichtigt werden. Eine Änderung komme daher nur und erst mit der Vorlage eines neuen Steuerbescheides für die Zukunft in Betracht ( § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V in der hier maßgebenden Fassung ). Lediglich wenn bei erstmaliger Beitragseinstufung am Beginn der Berufstätigkeit Nachweise über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse noch nicht erbracht werden könnten, komme zur Vermeidung sonst zu zahlender Höchstbeiträge eine einstweilige Regelung in Betracht. Im am 22.3.2006 entschiedenen Fall gab daher die Vorlage des Steuerbescheides für das erste Berufsjahr (1999) gleichermaßen Anlass, die Krankenversicherungsbeiträge des damaligen Klägers unter Ersetzung der entsprechenden vorläufigen Regelungen sowohl hierfür als auch für die nachfolgende Zeit (1.1.2000 bis 30.6.2001), für die dieser Einkommensteuerbescheid ebenfalls den erforderlichen Nachweis erbrachte, endgültig festzusetzen und eine Neufestsetzung erst ab der später erfolgten Vorlage des Steuerbescheides für das Kalenderjahr 2000 vorzunehmen. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass diese Äußerungen des Senats die von ihr aufgeworfene Frage offen gelassen hätten, insbesondere inwiefern zu ihren Gunsten rechtlich von Bedeutung sein könnte, dass der ihr für das Kalenderjahr 2001 erteilte Steuerbescheid bestandskräftig ist, oder erneut Klärungsbedürftigkeit aufgetreten sein könnte, etwa weil in Literatur und Rechtsprechung seither mit beachtlichen Gründen Bedenken erhoben worden wären.
Soweit die Klägerin darüber hinaus durch die Rüge einer fehlerhaften Anwendung der Rechtsprechung des Senats sinngemäß eine "Abweichung" geltend machen will, verkennt sie die Voraussetzungen der Revisionszulassung. Nicht die etwaige Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung ( vgl dazu SozR 3-1500 § 160 Nr 26 ). Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht ( vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67 ). Die Klägerin hat bereits keinen vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz angegeben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen