Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Antrag. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Form. Formular. Beschwerdefrist. Nichtzulassungsbeschwerde. Zugelassene Prozessbevollmächtigte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist, dass sowohl der grundsätzlich formlose Antrag auf Prozesskostenhilfe als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form, d.h. auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 06.01.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden.

2. Eine von einer Naturpartei selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG ist unzulässig, da sie nicht der gesetzlichen Form entspricht, weil sie nicht selbst Beschwerde einlegen kann, sondern sich vor dem BSG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen muss.

 

Normenkette

SGG §§ 63-64, 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, § 160a Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, 4, §§ 121, 172

 

Verfahrensgang

SG Heilbronn (Entscheidung vom 15.04.2020; Aktenzeichen S 9 U 2010/18)

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen L 3 U 1492/20)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit Urteil vom 14.12.2022 hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Entscheidung ist der Klägerin am 21.12.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16.1.2023, der am 19.1.2023 beim BSG eingegangen ist, wendet sich die Klägerin gegen die Entscheidung des LSG und legt "Widerspruch" ein. Des Weiteren teilt sie mit, sich "keinen Anwalt leisten" zu können. Der Senat wertet dies als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG und als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts. Eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Klägerin nicht vorgelegt.

II

1. Der sinngemäße Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Voraussetzung der PKH ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 2 und 4 ZPO), dh mit dem gemäß § 117 Abs 3 ZPO durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl I 34) in neuer Fassung eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 20.9.2022 - B 2 U 7/22 BH - juris RdNr 2 mwN; BSG Beschluss vom 26.9.2019 - B 2 U 127/19 B - juris RdNr 2; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.11.2018 - 1 BvR 1020/17; BVerfG Beschluss vom 20.10.1981 - 2 BvR 1058/81 - SozR 1750 § 117 Nr 2). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Bis zum Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist, die für die Klägerin hier am Montag, dem 23.1.2023 endete (§ 160a Abs 1 Satz 2, § 64 Abs 2 und 3 SGG), hat sie zwar den Antrag sinngemäß gestellt, die erforderliche Erklärung jedoch nicht vorgelegt.

Die Klägerin ist in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auf das Erfordernis der Vorlage des PKH-Gesuchs und der formgerechten Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist ausdrücklich hingewiesen worden. Diese Voraussetzungen sind ihr durch gerichtliches Schreiben vom 20.1.2023 unter Übersendung eines PKH-Formulars nochmals dargelegt worden. Es ist jedoch weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert war, das Erklärungsformular rechtzeitig vorzulegen.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH muss daher abgelehnt werden (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die gleichzeitig sinngemäß eingelegte Beschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht der gesetzlichen Form entspricht. Die Klägerin konnte, worauf sie sowohl in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils als auch im Schreiben vom 20.1.2023 ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen lassen (§ 73 Abs 4 SGG). Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Roos

Hüttmann-Stoll

Karmanski

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15641151

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