Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5322,79 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Streitig ist die Zahlung von Säumniszuschlägen für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge.
Der 1954 geborene Versicherte war vom 1.9.1972 bis zum 31.10.1973 im Dienste der Deutschen Bundesbahn, einer Rechtsvorgängerin der Klägerin, versicherungsfrei beschäftigt. Um die Nachversicherung durchführen zu können, schrieb die Deutsche Bundesbahn den Versicherten im August und Oktober 1974 erfolglos an. Im Dezember 2014 beantragte der Versicherte die Nachversicherung. Am 13.2.2015 entrichtete die Klägerin für die Nachversicherung des Versicherten für den Beschäftigungszeitraum Beiträge iHv 3002,16 Euro an die Beklagte. Mit Bescheid vom 2.8.2019 erhob diese nach Anhörung der Klägerin für die Zeit ab dem 1.1.1995 bis zum 13.2.2015 für 242 Monate Säumniszuschläge iHv 5322,79 Euro. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos(Widerspruchsbescheid vom 10.2.2021) .
Das SG hat die Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 29.6.2022) . Die Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen(Urteil vom 12.12.2023) . Die Beklagte sei berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt zu erheben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV lägen vor. Die Klägerin sei mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten säumig gewesen. Die Beiträge seien zumindest seit dem 1.1.1992 fällig gewesen. Nach § 184 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB VI sei § 24 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Säumnis am 1.1.1995 begonnen habe. Die Klägerin habe nicht unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt. Vielmehr habe sie mit bedingtem Vorsatz gehandelt, ohne dass ihr eine Exkulpation für ihr Organisationsverschulden möglich sei. Die Säumniszuschläge seien nicht verjährt. Die 30-jährige Frist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV , die wegen des bedingten Vorsatzes Anwendung finde, sei ausgehend vom Beginn der Säumnis am 1.1.1995 im Jahr 2019 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Geltendmachung des Säumniszuschlags widerspreche auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben( § 242 BGB ) .
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht eine Divergenz und hilfsweise eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt einen Revisionszulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Die Klägerin hat das Vorliegen einer Divergenz nicht ausreichend bezeichnet.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG besteht, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht(vgl zB BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 20 mwN) .
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung des LSG weiche von dem Urteil des BSG vom 27.6.2012 - B 5 R 88/11 R -( BSGE 111, 107 = SozR 4-2600 § 233 Nr 2) sowie von dem Urteil des BSG vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R -( BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8) ab.
a) Das BSG habe in dem Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R - den Rechtssatz aufgestellt, dass es bei der Frage, welcher Verschuldensmaßstab bei der Beurteilung der positiven Kenntnis der Zahlungspflicht nach § 24 Abs 2 SGB IV zugrunde zu legen sei, nicht auf § 276 BGB ankomme. Im Rahmen des Haftungssystems des § 24 SGB IV bestehe vielmehr ein eigenständiger Verschuldensmaßstab, der Fahrlässigkeit ausschließe. Hingegen habe das LSG bei der Anwendung des § 24 SGB IV ausdrücklich den Rechtssatz aufgestellt, dass es bei der Beurteilung auf den in § 276 BGB festgesetzten Verschuldensmaßstab ankomme. Hierin sei eine Abweichung zu sehen, auf der das Urteil des LSG auch beruhe.
Die Klägerin versäumt es bereits, sich mit der vom 12. Senat vorgenommenen Abgrenzung der Voraussetzungen einer unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht im Rahmen des § 24 Abs 2 SGB IV je nach der zugrundeliegenden Rechtsfrage auseinanderzusetzen(vgl BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R - BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8, RdNr 19: Statuszuordnung oder Nachversicherung). Zudem geht sie nicht darauf ein, dass das LSG einen bedingten Vorsatz der Klägerin bejaht hat und mithin selbst bei Zugrundelegung des vom 12. Senat des BSG entwickelten eigenständigen Verschuldensmaßstabs die Voraussetzungen einer Exkulpation nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht gegeben wären. Dass die Klägerin der Auffassung ist, dass sich in ihrem Fall allenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründen lasse, vermag eine Divergenz nicht zu begründen. Ob das LSG die Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.
b) Zur Begründung einer Abweichung vom Urteil des Senats vom 27.6.2012 - B 5 R 88/11 R - trägt die Klägerin vor, es gehe um die Frage, ob auf Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge, die vor dem 1.7.1977 fällig geworden seien, die Regelung des § 24 Abs 1 SGB IV oder aber des Art II § 14 SGB IV iVm § 397a RVO anzuwenden sei. Hinsichtlich der Verjährung gehe es darum, ob auf Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge die Regelung des § 25 Abs 1 SGB IV oder aber diejenige des Art II § 15 SGB IV( BGBl I 1976, 3845, 3869 ) iVm § 29 RVO gelte. Das BSG habe in seiner Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, dass Art II § 15 SGB IV weiterhin Geltung habe, obwohl die Vorschrift im Jahr 2012 schon seit mehr als zehn Jahren(vgl Art 67 Nr 2 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 - BGBl I 1983) außer Kraft gesetzt gewesen sei. Im Gegensatz hierzu habe das LSG den Rechtssatz aufgestellt, dass auf Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge die Regelungen der §§ 24 ,25 SGB IV anzuwenden seien. Die Entscheidung des BSG sei dem LSG auch bekannt gewesen, was sich aus dem Umstand zeige, dass es sich bei der Frage des Organisationsverschuldens ausdrücklich auf das Urteil bezogen habe. Art II § 14 SGB IV habe das BSG in seiner Entscheidung zwar nicht explizit genannt. Durch die Anwendung des Art II § 15 SGB IV im Jahre 2012 - ohne dies näher zu begründen oder in Frage zu stellen - habe es aber implizit auch die Anwendung des Art II § 14 SGB IV über den Zeitpunkt seines Außerkrafttretens im Jahre 2001 hinaus bejaht. Das LSG gehe hingegen davon aus, dass die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV zu erheben gewesen seien.
Damit hat die Klägerin eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass das Tatsachengericht einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung divergierenden Rechtssatz aufgestellt hat. Das LSG hat sich - so auch das Vorbringen der Klägerin - vielmehr mit dem rechtlichen Ansatz des BSG in dem genannten Urteil, das den Grundsätzen des intertemporalen Rechts folgt, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Indem es auf die Ausführungen des SG verwiesen hat, hat es sich dessen Auffassung zu eigen gemacht, dass Art II § 14 SGB IV im Hinblick auf seine Aufhebung im Jahr 2001 nicht mehr anzuwenden sei. Dass nach Art II §§ 14 und15 SGB IV ein Anspruch auf Säumniszuschläge verjährt und §§ 24 ,25 SGB IV daher nicht mehr anwendbar sein könnten, hat das LSG nicht erwogen. Der von der Klägerin herausgestellte Umstand, dass das LSG das Urteil des BSG vom 27.6.2012 an anderer Stelle zitiert, verdeutlicht, dass der Senat sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesehen und die dortigen Ausführungen zur Verjährung eines Anspruchs auf Nachversicherungsbeiträge hier nicht für einschlägig gehalten hat. Eine zulässige Rüge der Divergenz setzt indes die Darlegung eines Widerspruchs im Grundsätzlichen voraus. Dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, wie zB Missverstehen, fehlerhafte Subsumtion, unzutreffende Beurteilung oder Übersehen einer Rechtsfrage oder einer gesetzlichen Vorschrift, die das Revisionsgericht angewendet hat(stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 6 ; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 14 mwN aus der Rspr des BSG) . Im Kern ihres Vorbringens rügt die Klägerin eine unrichtige Rechtsanwendung durch das LSG. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden.
2. Ebenso erfüllt die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse für den hilfsweise geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht.
Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt(s etwa BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 12 mwN) .
Die Klägerin bezeichnet folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam:
"Ob für noch nicht entrichtete Nachversicherungsbeiträge, die vor dem 01.07.1977 fällig geworden sind, die Übergangsregelung des Artikel II § 14 SGB IV und damit die Vorschrift des § 397a RVO Anwendung finden muss."
Sie trägt dazu vor, soweit der Entscheidung des BSG vom 27.6.2012 - B 5 R 88/11 R -(aaO) kein Rechtssatz dahingehend zu entnehmen sei, dass neben Art II § 15 SGB IV auch der - dort nicht explizit benannte - Art II § 14 SGB IV über sein Außerkrafttreten hinaus weitergelten solle, so seien die Voraussetzungen einer grundsätzlichen Bedeutung erfüllt. Dass eine außer Kraft gesetzte (Übergangs-)Regelung weiter anzuwenden sei, ergebe sich naturgemäß nicht aus dem Gesetz. Die Frage sei als klärungsbedürftig anzusehen. Sie sei auch klärungsfähig. Von der Beantwortung hänge die gesamte rechtliche Bewertung der durch die Beklagte erhobenen Säumniszuschläge ab. § 397a RVO , der im Falle des Bejahens der Rechtsfrage zugrunde zu legen sei, regele das Rechtsinstitut des Säumniszuschlags anders als die im Falle des Verneinens anzuwendende Regelung des § 24 SGB IV . Die Beantwortung der Rechtsfrage sei auch über den hier vorliegenden Einzelfall von Bedeutung. Das zeige sich an den weiteren acht beim BSG anhängigen Parallelverfahren, die die gleichen oder jedenfalls verwandte Rechtsfragen aufwerfen würden.
Die Klägerin legt damit die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar. An die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit im Rahmen der Grundsatzrüge bestehen besondere Anforderungen, wenn ausgelaufenes Recht betroffen ist. Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat. Eine Fortwirkung kann insbesondere dann vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist oder die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn sie nicht offensichtlich erfüllt sind, in der Beschwerdebegründung darzulegen(vgl zB BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 12 KR 60/19 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN) . Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr macht die Klägerin gerade die Unterschiede der Regelungen vor und nach Inkrafttreten des SGB IV geltend. Dass sich tatsächlich in lediglich fünf weiteren anhängigen Verfahren die von der Klägerin aufgeworfene Frage stellt und - wie die Klägerin ausführt - es nicht fernliegend sei, dass sich auch in Zukunft die Frage bei weiteren Nachversicherungsfällen aus dem vergangenen Jahrhundert mit vor dem 1.7.1977 fällig gewordenen Nachversicherungsbeiträgen stellen werde, lässt eine "erhebliche Zahl von Fällen" nicht erkennen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1 , § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16675271 |