Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Übernahme der Kosten der Versorgung mit Cannabis bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung des Klägers auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch scheitere bereits daran, dass der Kläger - auch auf gerichtliche Aufforderung - dem Senat keine ärztliche Verordnung vorgelegt habe. Diese wäre Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Beklagte. Allein auf das Attest des behandelnden Arztes könne sich der Kläger nicht berufen. Dieses stelle keine Verordnung, aber auch keine "begründete Einschätzung" iS des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 SGB V dar. Der behandelnde Arzt habe keine Verantwortung für die Therapie übernehmen wollen. Es könne offenbleiben, ob die Erweiterung des Klagebegehrens auf die Cannabissorte "indigo" im Berufungsverfahren zulässig sei (Beschluss des LSG vom 11.2.2021).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (dazu 1.) und des Verfahrensmangels (dazu 2.).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger formuliert bereits keine konkrete Rechtsfrage, die er in einem Revisionsverfahren geklärt wissen will. Sofern sich seinem Vorbringen sinngemäß die Rechtsfrage entnehmen lässt, ob das Vorliegen einer vertragsärztlichen Verordnung Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung der Versorgung mit Cannabis durch die Krankenkasse gemäß § 31 Abs 6 Satz 2 SGB V ist, fehlt es an Darlegungen zur Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage.
Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN). Dem wird der Kläger nicht gerecht.
Er legt insbesondere nicht dar, dass auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen die weiteren Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB V für eine Versorgung mit Cannabis vorliegen, es mithin auf die Frage nach der Erforderlichkeit einer vertragsärztlichen Verordnung entscheidungserheblich ankommt. In diesem Zusammenhang hätte sich der Kläger damit auseinandersetzen müssen, dass das LSG die Ablehnung des Anspruchs nicht allein auf das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung gestützt hat, sondern darüber hinaus auch gemäß § 153 Abs 2 SGG auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen hat. Das SG hatte die Klageabweisung darauf gestützt, dass jedenfalls nicht feststellbar sei, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung für die Behandlung der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen nicht zur Verfügung stehe oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes nicht zur Anwendung kommen könne. Ergänzend hat das LSG hierzu noch hinzugefügt, dass aus der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes iS des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB V unmissverständlich hervorgehen müsse, dass diese/r die ärztliche Verantwortung für die Cannabis-Versorgung übernehme. Der behandelnde Arzt des Klägers habe die Verantwortung für die Therapie ausweislich des vom SG eingeholten Befundberichts gerade nicht übernehmen wollen, weil er hierfür nicht die nötige Erfahrung habe. Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Der bloße Hinweis, der Sachverhalt hätte von der Beklagten oder dem SG hinsichtlich der Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB V von Amts wegen weiter aufgeklärt werden müssen, genügt den Anforderungen an die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage insofern nicht.
Auch der Hinweis des Klägers auf den "dann ggf. alleine wegen Zeitablaufs" bestehenden Anspruch aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V begründet nicht die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren und übergeht zudem, dass die fingierte Leistungsgenehmigung nach der aktuellen Rspr des BSG keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch begründet (vgl BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 9/18 R - BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53; BSG vom 18.6.2020 - B 3 KR 14/18 R - BSGE 130, 219 = SozR 4-2500 § 13 Nr 52; BSG vom 18.6.2020 - B 3 KR 6/19 R - juris und BSG vom 18.6.2020 - B 3 KR 13/19 R - juris).
2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
a) Sofern der Kläger seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) dadurch verletzt sieht, dass das LSG vor Erlass des angegriffenen Beschlusses seinen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung nicht ausdrücklich beschieden habe, setzt er sich nicht mit der Möglichkeit einer stillschweigenden Fristverlängerung auseinander (vgl dazu Wolff-Dellen in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 65 SGG RdNr 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 65 RdNr 5; Senger in jurisPK-SGG, § 65 RdNr 20 ≪Stand 15.7.2017≫, jeweils mwN). In Anbetracht des Umstandes, dass das LSG die von dem Kläger selbst beantragte Frist von 16 Wochen für die Vorlage der Verordnung tatsächlich abgewartet hat, hätte es zudem näherer Darlegungen dazu bedurft, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann (vgl auch BSG vom 15.12.2016 - B 5 R 238/16 B - juris RdNr 11 ff mwN). Auch daran fehlt es.
b) Mit der Rüge, das LSG habe nicht nach § 153 Abs 4 SGG im Beschlusswege entscheiden dürfen, ob eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig war, legt er nicht schlüssig dar, dass bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung unter keinen Umständen zu rechtfertigen gewesen sei (vgl zu diesem Maßstab BSG vom 29.6.2016 - B 1 KR 16/16 B - BeckRS 2016, 71255). Inwiefern es sich bei der Erweiterung des Klagebegehrens um eine andere Cannabissorte ("indigo") um eine wesentliche Veränderung des Streitgegenstandes gehandelt haben sollte, die erstmals Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden lässt, die im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevant waren (vgl BVerwG vom 18.12.2014 - 8 B 47.14 - juris RdNr 7), zeigt der Kläger nicht auf.
c) Die von dem Kläger ebenfalls erhobene Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG) erfordert ua, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder im Urteil wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Der Beweisantrag muss in der das Verfahren abschließenden mündlichen Verhandlung oder, wenn - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt gestellt werden, in dem feststeht, dass das Gericht von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen will (BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 4 = juris, RdNr 5). An Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags sind zwar verminderte Anforderungen zu stellen, wenn der Kläger - wie hier - in der Berufungsinstanz durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (vgl BSG vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5). Auch ein unvertretener Kläger muss dem Berufungsgericht aber deutlich machen, dass und ggf wo er die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht und deshalb im Berufungsverfahren auf die Sachverhaltsaufklärung hinwirken (vgl BSG vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4; BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5; BSG vom 18.1.2011 - B 5 RS 55/10 B - juris RdNr 9). Daran richtet der Kläger sein Beschwerdevorbringen nicht aus.
Sofern er vorträgt, er habe mit Schreiben vom 10.7.2020 beantragt, eine weitere schriftliche ärztliche Stellungnahme einzuholen, lag dieses Schreiben zum einen vor der Anhörung des LSG zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG. Nach der Anhörung hat er sich - auch seinem eigenen Vorbringen nach - lediglich noch gegen die Forderung einer vorherigen vertragsärztlichen Verordnung gewandt und für deren Vorlage eine Fristverlängerung beantragt. Inwiefern das LSG danach Grund zu der Annahme gehabt haben sollte, der Kläger sehe die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt an, erschließt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Zum anderen lässt sich der pauschalen Aufforderung zur Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme auch nicht entnehmen, von welchem Arzt oder welcher Ärztin zu welcher Frage das LSG eine Stellungnahme hätte einholen sollen.
d) Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang meint, das LSG hätte den Kläger im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht auffordern müssen, ggf noch nicht benannte behandelnde Ärzte zu bezeichnen, von denen ein Befundbericht eingeholt werden sollte, oder es hätte auf die Stellung eines formgerechten Antrages nach § 109 SGG hinwirken müssen, legt er einen Verfahrensfehler (Verletzung der Hinwirkungspflicht nach § 106 SGG) ebenfalls nicht schlüssig dar. Die Tatsachengerichte sind grundsätzlich nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben. Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es den Beweis schon von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so braucht es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinzuwirken, um eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (vgl BSG vom 23.3.2017 - B 9 V 51/16 B - juris RdNr 5 mwN). Ebenso wenig muss das Gericht auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG hinweisen (vgl BSG vom 26.3.2013 - B 1 KR 35/12 B - juris RdNr 12 mwN).
e) Sofern der Kläger schließlich eine Verletzung von § 109 SGG rügt, stellt dies nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein keinen tauglichen Grund für die Zulassung der Revision dar.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Schlegel Scholz Bockholdt
Fundstellen
Dokument-Index HI15073919 |