Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Vertragsarzt. Rüge über Bewertung eines von ihm vorgelegten Attestes durch Disziplinarausschuss. Rechtsanwendung im Einzelfall
Orientierungssatz
1. Soweit ein Vertragsarzt die Bewertung des von ihm vorgelegten Attestes durch den Disziplinarausschuss rügt, betrifft dies die Rechtsanwendung im Einzelfall und ist ersichtlich nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 24.9.2014 - 1 BvR 2246/14).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7900 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger, der bis zum 31.6.2012 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme. Er beantragte im Dezember 2011 das Ruhen seiner Zulassung vom 1.1.2012 bis zum 30.6.2012 wegen Krankheit sowie aus "sonstigem Grund". Nachdem der Zulassungsausschluss als nächsten Sitzungstermin den 7.3.2012 mitgeteilt hatte, erklärte der Kläger, die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten sei ab dem 1.1.2012 eingestellt werden, die Verfolgung wegen Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise sei für ihn nicht mehr auszuhalten, das Attest sei in Arbeit und werde bis spätestens 7.3.2012 vorliegen. Auf den Hinweis der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), dass er bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses eine Versorgungsverpflichtung habe, entgegnete der Kläger, er sei in den letzten Jahren überproportional tätig gewesen und nehme nunmehr seine Überstunden frei. Am 28.2.2012 legte der Kläger ein ärztliches Attest vom 24.2.2012 vor, wonach er seit dem 27.12.2011 bis voraussichtlich 30.6.2012 außerstande war, seine vertragsärztlichen Verpflichtungen wahrzunehmen. Der Zulassungsausschuss stellte das Ruhen der Zulassung vom 8.3.2012 bis 31.3.2012 fest. Der Disziplinarausschuss verhängte mit Beschluss vom 18.4.2012 gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 2000 Euro, weil er seit dem 1.1.2012 Patienten nur noch gegen Bezahlung behandelt habe. Das Attest sah der Ausschuss als bloße Gefälligkeit an. Es handle sich offenbar um eine Erkrankung zur Vermeidung vertragsärztlicher Tätigkeit. Das SG hat mit Urteil vom 10.4.2013 die Klage abgewiesen. Das LSG hat mit der angefochtenen Entscheidung die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe gegen das Sachleistungsprinzip sowie gegen seine Präsenzpflicht verstoßen.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend macht.
II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Ihre Begründung genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG ≪Kammer≫, DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die zitierte BVerfG-Rspr und zB BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14).
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Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Soweit der Kläger die Rechtsfragen stellt, |
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ob die Kassenärztliche Vereinigung willkürlich die Termine für den Beschwerdeausschuss festsetzen kann und ob die Kassenärztliche Vereinigung keinen sofortig tagenden Beschwerdeausschuss einrichten muss, |
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welche Anforderungen ein Beschwerdeausschuss an ein Attest zur Krankschreibung richten darf und ob überhaupt ein Beschwerdeausschuss berechtigt ist, eine solche Anforderung zu stellen oder die Krankschreibung, auch durch den Arzt selbst, akzeptieren muss, |
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ob zuviel geleistete Stunden, mithin Stunden, die über die 20-Wochenstunden im Rahmen der kassenärztlichen Vertragstätigkeit hinausgehen, vorausgeleistet und später "abgefeiert" werden können, |
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ob ein Ruhen der Zulassung in der Kassenärztlichen Vereinigung auch rückwirkend angeordnet werden kann und muss, |
ist bereits ein Zusammenhang mit dem Streitgegenstand nicht erkennbar, weil Entscheidungen des Beschwerdeausschusses in diesem Verfahren keine direkte Rolle spielen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger statt den Beschwerdeausschuss den Zulassungsausschuss und/oder den Disziplinarausschuss meint, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht hinreichend deutlich. Soweit die Ausführungen des Klägers zum Erfordernis eines "Eilausschusses" dahin zu verstehen sind, dass die beklagte KÄV für eine raschere Entscheidung über seinen Ruhensantrag hätte sorgen müssen, verkennt er bereits, dass es sich bei dem Zulassungsausschuss nach § 96 SGB V um ein Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung handelt, das die KÄV weder errichtet noch in seiner Tätigkeit bestimmt. Die Entscheidung über das Ruhen der Zulassung des Klägers ist im Übrigen nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens. Insofern fehlt es, ebenso wie für die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Ruhensanordnung an jeglicher Darlegung der Klärungsfähigkeit. Soweit der Kläger die Bewertung des von ihm vorgelegten Attestes durch den Disziplinarausschuss rügt, betrifft dies die Rechtsanwendung im Einzelfall und ist ersichtlich nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Dass der Disziplinarausschuss ein ihm vorgelegtes Attest eigenständig zu bewerten hat, folgt im Übrigen aus seiner Funktion. Unabhängig von der Frage, welche konkreten Angaben zur Krankheit eines Vertragsarztes verlangt werden können, hat der Disziplinarausschuss das Attest hier deshalb für wertlos gehalten, weil der Kläger gegen Bezahlung weiterhin Leistungen erbracht hat, was er auch in der Beschwerdebegründung erneut vorträgt. Insofern fehlt es jedenfalls an Ausführungen des Klägers zur Klärungsfähigkeit der Frage nach den Anforderungen an ein Attest. Soweit der Kläger die Frage stellt, ob "zuviel" geleistete Stunden "abgefeiert" werden können, fehlt es an einer fundierten Auseinandersetzung mit den Rechtsgrundlagen der vertragsärztlichen Tätigkeit, insbesondere dem erforderlichen zeitlichen Umfang der Teilnahme eines Vertragsarztes an der Versorgung. Der bloße Hinweis darauf, dass der Kläger anders als ein Arbeitnehmer behandelt werde, ist angesichts des mit der Stellung eines Arbeitnehmers nicht vergleichbaren Status eines Vertragsarztes, insbesondere hinsichtlich seiner Rechtsbeziehungen zu der KÄV und den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung, unzureichend. |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechen-den Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen, die von keinem Beteiligten beanstandet worden ist.
Fundstellen