Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 25.10.2016; Aktenzeichen L 5 KN 214/15) |
SG Dresden (Entscheidung vom 23.02.2015; Aktenzeichen S 24 KN 1481/11) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Oktober 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit steht die rentensteigernde Berücksichtigung weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien und zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau (VEB ...) bei der Berechnung der dem Kläger aufgrund eines Urteils des Sächsischen LSG vom 4.8.2010 rückwirkend gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.10.2005. Zudem macht der Kläger geltend, er sei noch nicht vollständig beruflich rehabilitiert, so dass noch zu berücksichtigende rentenrechtliche Zeiten offen seien. Im Verwaltungsverfahren konnte er mit seinem Begehren nicht durchdringen. Das von ihm angerufene SG hat die Klage ua mit der Begründung abgewiesen, die geltend gemachten Entgelte könnten keine Berücksichtigung finden, weil für diese keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die durch den Rehabilitierungsbescheid des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg vom 5.4.2005 festgestellten beruflichen Rehabilitierungszeiten habe die Beklagte vollständig berücksichtigt (Gerichtsbescheid vom 23.2.2015). Das LSG hat die Berufung des Klägers hiergegen unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des SG zurückgewiesen. Ergänzend hat es unter Hinweis auf § 256a SGB VI ausgeführt, dass es an einer Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Berücksichtigung weiterer Entgelte mangele. Das LSG hat die Revision zum BSG nicht zugelassen (Urteil vom 25.10.2016).
Zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens begehrt der Kläger die Bewilligung von PKH.
II
Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dahinstehen kann hier, ob der Kläger nach seinen eigenen Angaben die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH erfüllt. Unabhängig von den Zweifeln des Senats daran, dass er eine Prozessführung durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könnte, mangelt es bereits an der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung.
Gegen das vom Kläger angegriffene Urteil des LSG ist als Rechtsmittel allein die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG inhaltlich richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Dass einer dieser Zulassungsgründe hier mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, ist nach Prüfung des Streitstoffs und Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben vom 15.11.2016 nicht ersichtlich.
Es ist nicht zu erkennen, dass eine Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang ungeklärte und für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass der Rechtsstreit des Klägers Rechtsfragen solcher Art aufwirft, die über die durch die Entscheidungen des BSG vom 11.12.2002 und 23.8.2007 (B 5 RJ 14/00 R - BSGE 90, 197 = SozR 3-2600 § 256a Nr 10 sowie B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) und BVerfG vom 30.8.2005 (1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 - SozR 4-2600 § 256a Nr 1) geklärten Rechtsfragen, mit denen sich das LSG auseinandergesetzt hat, hinausgehen, ist nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger geltend macht, das Recht sei auf den Lebenssachverhalt seines Falls anders anzuwenden als im Urteil des LSG erfolgt, kann damit keine Zulassung der Revision aufgrund von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bewirkt werden. Denn selbst wenn man insoweit der Rechtsauffassung des Klägers folgen wollte, folgte hieraus keine für eine grundsätzliche Bedeutung notwendige Breitenwirkung, sondern allenfalls eine unzutreffende Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Hierauf könnte ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch ebenso wenig mit dem Ergebnis der Zulassung der Revision durch den Senat gründen, wie mit dem Vortrag, dass die Rechtslage sozialpolitisch unausgewogen sei. Zur Bewertung der Rechtslage im Hinblick auf die vom Kläger behauptete verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Gruppe derjenigen, die einem Zusatzversorgungssystem angehörten und derjenigen, bei denen das nicht der Fall war, wird auf die bereits zitierte Entscheidung des BVerfG verwiesen.
Dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Divergenz bedeutet das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - Juris RdNr 10).
Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Das LSG nimmt ausdrücklich oder über den Verweis auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids des SG auf die zuvor bereits benannten höchstrichterlichen Entscheidungen Bezug und berücksichtigt sie bei der Bewertung der Sach- und Rechtslage. Es hat insoweit keine abweichenden Rechtssätze formuliert. Auch hier gilt, dass die nach Auffassung des Klägers unzutreffende Rechtsanwendung keine Zulassung der Revision wegen Divergenz nach sich ziehen kann.
Schließlich vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel in dem Sinne erfolgreich rügen könnte, dass deswegen die Revision zuzulassen wäre (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, weil ihm aus finanziellen Gründen eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sei, führt dies nicht dazu, die Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde zu bejahen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren gebieten, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (BSG vom 26.5.2014 - B 12 KR 67/13 B - Juris RdNr 7 unter Hinweis auf BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - Juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger hat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die vorgenannten Hinweise erhalten. Soweit er sich an der Teilnahme gehindert sah, könnte er sich nur dann auf die Verletzung rechtlichen Gehörs berufen, wenn er alles unternommen hätte, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Dies ist hier nach Aktenlage nicht geschehen. Weder hat er einen begründeten Antrag auf die Verlegung des Termins noch die Übernahme der Reisekosten beantragt. Er hat vielmehr auf dem Empfangsbekenntnis der Ladung - ohne weiteren Kommentar - angekreuzt, an dem Termin nicht teilzunehmen.
Nichts anderes gilt für sein Vorbringen, ihm sei erst mit der Zustellung der Entscheidungen bewusst geworden, dass das LSG in zwei Verfahren entscheiden werde. Dabei hat er allerdings selbst darauf hingewiesen, dass beide Aktenzeichen auf der Ladung des LSG verzeichnet gewesen seien und hat dieses Vorbringen durch die Beifügung der Ladung belegt. Mit der Ladung hat das LSG deutlich zu erkennen gegeben in welchen Rechtsstreiten es am 25.10.2016 mündlich verhandeln wolle. Die Forderung nach einem weiteren ausdrücklichen Hinweis überschreitet die vom Gericht zu erwartende prozessuale Fürsorgepflicht. Die Gerichte sind im Rahmen dessen nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zugunsten des Betroffenen zu ergreifen (BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 1/16 R - SozR 4-1500 § 65a Nr 3, RdNr 29). Insoweit obliegt es vielmehr den Beteiligten, alles Erforderliche zu unternehmen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG vom 20.3.2017 - B 11 AL 88/16 B - Juris RdNr 4).
Mit den vom Kläger im PKH-Antrag vor dem BSG angebrachten Tatsachen hat sich das LSG - zum Teil unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG - im Wesentlichen auseinandergesetzt. Soweit es dabei zu anderen Bewertungen der Tatsachen gelangt ist, greift der Kläger damit allenfalls die Beweiswürdigung des LSG an. Eine solche auf § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützte Rüge kann jedoch ausdrücklich nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG keine Zulassung der Revision nach sich ziehen.
Da nach alledem die Bewilligung von PKH abzulehnen ist, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI11141404 |