Leitsatz (redaktionell)
1. Die Annahme, das Geschwürsleiden am Magen und Zwölffingerdarm beruht im wesentlichen auf der Konstitution des Erkrankten, und nur ein Geschwür, das sich im Anschluß an außergewöhnliche wehrdienstbedingte Belastungen gebildet hat, kann als Versorgungsleiden iS der Verschlimmerung anerkannt werden, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich insoweit um einen allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz, der im medizinischen Schrifttum, in der Praxis der ärztlichen Gutachtertätigkeit und auch in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit häufig Ausdruck gefunden hat (vgl auch "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen", zusammengestellt von der Ärztlichen Abteilung des BMA 1954, 89).
Wenn über die "Anerkennung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleidens" auch eine andere medizinische Lehrmeinung vertreten wird, so muß das Gericht dieser Lehrmeinung nicht folgen, es ist auch nicht seine Aufgabe sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist.
2. Das Gericht überschreitet die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen, wenn es ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen ärztlicher Gutachter hinweggeht und seine eigene Auffassung an deren Stelle setzt.
Das Gericht hält sich im Rahmen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen, wenn es seine Entscheidung auf stichhaltige Erwägungen und auf eine ausreichende medizinische Beweisgrundlage stützt.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; SGG § 128 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Dezember 1957 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Das Landessozialgericht (LSG.) hat die Revision nicht zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist daher nur statthaft, wenn gerügt wird, das Verfahren des LSG. leide an einem wesentlichen Mangel und wenn dieser Mangel auch tatsächlich vorliegt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG. 1 S. 150), oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muß die Revision nicht nur die verletzte Rechtsnorm, sondern auch die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG).
2. Der Kläger trägt vor, das LSG. habe sein Zwölffingerdarmgeschwürsleiden zu Unrecht nicht als Schädigungsfolge anerkannt, es habe die medizinische Lehrmeinung, die sich für die Anerkennung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleidens als Kriegsleiden ausspreche, nicht berücksichtigt; in der "Nichtbeachtung grundsätzlicher medizinischer Erkenntnisse, der Nichtbeiziehung der Röntgenaufnahmen und der nicht durchgeführten fachinternen Begutachtung" liege ein wesentlicher Mangel des Verfahrens des LSG.
3 Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, daß gerügt werden soll, das LSG. habe die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen (§ 128 SGG), überschritten und seine Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären (§ 103 SGG), verletzt. Die Rügen gehen fehl. Die Annahme des LSG., das Geschwürsleiden am Magen und Zwölffingerdarm beruhe im wesentlichen auf der Konstitution des Erkrankten, und nur ein Geschwür, das sich im Anschluß an außergewöhnliche wehrdienstbedingte Belastungen gebildet habe, könne als Versorgungsleiden im Sinne der Verschlimmerung anerkannt werden, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich insoweit um einen allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz, der im medizinischen Schrifttum, in der Praxis der ärztlichen Gutachtertätigkeit und auch in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit häufig Ausdruck gefunden hat (vgl. auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen" zusammengestellt von der ärztlichen Abteilung des PMA 1954 S. 89). Wenn, wie der Kläger meint, über die "Anerkennung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleidens" auch eine andere medizinische Lehrmeinung vertreten wird, so hat das LSG. dieser Lehrmeinung nicht folgen müssen, es ist auch nicht seine Aufgabe gewesen, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist Das LSG hätte wohl die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen, überschritten, wenn es ohne ausgewogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen ärztlicher Gutachter hinweggegangen wäre und seine eigene Auffassung an deren Stelle gesetzt hätte. Das hat aber das LSG. hier nicht getan. Es hat seine Entscheidung vielmehr auf stichhaltige Erwägungen und auf eine ausreichende medizinische Beweisgrundlage gestützt; es hat sich damit im Rahmen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen gehalten. Soweit der Kläger beanstandet, es seien die Röntgenbilder nicht beigezogen worden, und er sei nicht "fachintern" begutachtet worden, vermag sein Vorbringen die Rüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 103 SGG) nicht ordnungsgemäß zu begründen (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Kläger hat nicht dargelegt, auf Grund welcher Umstände das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen auf medizinischem Gebiete anzustellen und in welcher Richtung Ermittlungen im einzelnen hätten vorgenommen werden müssen (BSG. Urteil vom 20.2.1957, SozR. zu § 103 SGG Nr. 14), er hat auch nicht angegeben, welche vorhandenen Röntgenbilder, die bei der bisherigen medizinischen Beurteilung nicht vorgelegen haben, vom LSG. noch hätten herbeigezogen werden müssen. Soweit der Kläger die Untersuchungsergebnisse des Röntgenologen Dr. R. meint, handelt es sich im übrigen nicht um Röntgenaufnahmen, sondern um Durchleuchtungsbefunde, die dem LSG. auch Vorgelegen haben.
Soweit sich der Kläger in allgemeinen Ausführungen gegen die auf den ärztlichen Gutachten beruhenden Feststellungen und Schlußfolgerungen des LSG. wendet, richtet sich sein Vorbringen gegen den sachlichen Inhalt des Urteils, es betrifft kein verfahrensmäßig unrichtiges Verhalten des Gerichts. Substantiierte Verfahrensrügen im Sinne der §§ 162 Abs. 1 Nr. 2, 164 Abs. 1 Satz 2 SGG liegen auch insoweit nicht vor.
4. Bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einer Schädigung im Sinne des BVG ist das Gesetz nur verletzt, wenn eine für das Gebiet der Kriegsopferversorgung geltende "Kausalitätsnorm" nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (BSG. 1 S. 268). Ein solcher Verstoß ist nicht behauptet, er liegt auch nicht vor.
5. Die Revision, die weder nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG noch nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft ist, ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen