Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafte Beweiswürdigung bei Beurteilung medizinischer Fragen

 

Orientierungssatz

Da dem Gericht die speziellen Sachkenntnisse meist fehlen, darf es ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch ärztliche Sachverständige nicht hinweggehen und insbesondere nicht seine eigene Auffassung an deren Stelle setzen, da davon auszugehen ist, daß die Ärzte auf ihrem Fachgebiet ein besseres Wissen, eine größere Erfahrung und darum ein zuverlässigeres Urteil als die Laien haben (vgl BSG 1955-08-25 4 RJ 120/54 = SozR Nr 2 zu § 128 SGG).

 

Normenkette

SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2, § 128 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 10.07.1959)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 1959 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit das Urteil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Oberversicherungsamts Landshut vom 10. März 1952 zurückgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger, der im zweiten Weltkrieg mit Unterbrechungen Arbeits- und Wehrdienst geleistet hat, beantragte im Mai 1947 die Gewährung von Versorgungsrente wegen eines Ohren-, Herz- und Zwölffingerdarmgeschwürsleidens. Durch Bescheid vom 19. Januar 1951 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) ein altes chronisches Mittelohrleiden links im Sinne der Verschlimmerung als Schädigungsfolge an, lehnte aber die Anerkennung der weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen ab und versagte dem Kläger eine Rente, weil die durch die anerkannte Schädigungsfolge bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 25 v.H. betrage. Zugleich forderte es von dem Kläger Rentenvorschüsse in Höhe von 260,-- DM zurück. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung (alten Rechts) des Klägers und der gegen das Urteil des Oberversicherungsamts (OVA) L... vom 10. März 1959 gerichtete Rekurs, der als Berufung neuen Rechts auf das Bayerische Landessozialgericht (LSG) übergegangen war, sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG verneinte in seinem Urteil vom 17. Juli 1956 im Gegensatz zu einem von ihm eingeholten Gutachten der II. Medizinischen Klinik der Universität M... vom 15. Mai 1956 den ursächlichen Zusammenhang des Magen- und Darmleidens, des Klägers mit dem Wehrdienst, weil der wehrdienstbedingte Verschlimmerungsanteil für das Ohrenleiden nur 10 v.H. betrage und daher der von der chronischen Mittelohreiterung durch giftige Wirkstoffe herrührenden allgemeinen körperlichen Umstimmung, soweit es sich um rein wehrdiensteigentümliche Einflüsse handle, nicht gleichzeitig auch die Bedeutung eines das Geschwürsleiden verschlimmernden Faktors beigemessen werden könne.

Auf die - nicht zugelassene - Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 12. August 1958 (10 RV 1053/56) das Urteil des LSG mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Es hat eine Verletzung der für die Beweiswürdigung maßgebenden Grundsätze (§ 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel darin erblickt, daß das LSG den ursächlichen Zusammenhang des Magengeschwürsleidens nur unter dem Gesichtspunkt beurteilt hat, ob es mittelbare Folge des als Versorgungsleiden im Sinne der Verschlimmerung anerkannten Ohrenleidens ist, aber nicht geprüft hat, ob und mit welchem Anteil die Belastungen des Wehrdienstes unmittelbar die Entstehung oder Verschlimmerung des Geschwürsleidens beeinflußt haben.

Das Bayerische LSG hat daraufhin ohne weitere Beweiserhebung durch Urteil vom 10. Juli 1959 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des OVA L... vom 10. März 1952 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ein Anspruch des Beklagten auf Rückforderung der Rentenvorschüsse nicht besteht. Es hat den Anspruch des Klägers auf Anerkennung des Geschwürsleidens als Schädigungsfolge erneut verneint und hierzu ausgeführt: Wenn der Kläger als Angehöriger einer Luftnachrichteneinheit auch keinen außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt gewesen sei, so müsse doch berücksichtigt werden, daß sein Magengeschwürsleiden noch während der Wehrdienstzeit begonnen habe, daß der Kläger mit beschränkter Verwendungsfähigkeit eingezogen worden und in seiner Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft geschwächt gewesen sei, und daß die allgemeinen Belastungen des Wehrdienstes in dem Kläger einen Wehrmachtangehörigen getroffen hätten, dessen allgemeine Reaktionslage durch toxische Wirkstoffe, wie sie bei einer chronischen Mittelohreiterung entstünden, von der Norm abgewichen sei. Gleichwohl könne die Tatsache allein, daß der im Wehrdienst nur durchschnittlichen Belastungen ausgesetzte Kläger in seiner körperlichen Widerstandskraft durch das Ohrenleiden beeinträchtigt gewesen sei, entgegen der im Gutachten der Universitätsklinik M... vertretenen Ansicht nicht zur Anerkennung einer wehrdienstbedingten bleibenden Verschlimmerung des Geschwürsleidens führen; denn nach der in der medizinischen Wissenschaft herrschenden Lehrmeinung beruhe das Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden auf einerrein konstitutionsbedingten Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems, so daß exogene Faktoren wie Einflüsse des Wehrdienstes oder der Gefangenschaft für die Entstehung dieses Leidens nicht in Betracht kämen. Auch eine Verschlimmerung des Geschwürsleidens könne durch solche äußeren Umstände, wenn überhaupt, nur vorübergehend - zeitlich ganz begrenzt - eintreten, zumal das Leiden in Schüben verlaufe. Da jeder neue Schub eine Neuerkrankung darstelle, sei ein nachdienstlich aufgetretener Schub völlig unabhängig von einem im Wehrdienst durchgemachten zu beurteilen; er sei im schicksalsmäßigen Ablauf des Leidens begründet und habe mit Einflüssen des Wehrdienstes oder mit einem während des Dienstes aufgetretenen Geschwürsschub nichts mehr zu tun.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Gegen das am 7. September 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1959, beim BSG eingegangen am 6. Oktober 1959, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 7. Dezember 1959 mit einem am 13. November 1959 beim BSG eingegangenen Schriftsatz begründet. Er beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 10. Juli 1959 insoweit aufzuheben, als mit ihm die Berufung des Klägers gegen das Urteil des OVA L... vom 10. März 1952 zurückgewiesen worden ist, und insoweit die Sache an das LSG zurückzuverweisen sowie die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten.

Der Kläger, der die Statthaftigkeit seiner Revision aus § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG herleitet, rügt eine Verletzung der §§ 103 und 128 SGG durch das Berufungsgericht. Er ist der Ansicht, das LSG habe sein Recht zur freien Beweiswürdigung dadurch überschritten, daß es eine Verschlimmerung des Magenleidens durch den Wehrdienst entgegen der in dem Gutachten der Universitätsklinik München vertretenen Auffassung verneint habe, ohne sich insoweit auf ein anderes ärztliches Gutachten stützen zu können und ohne selbst hinreichend sachkundig zu sein. Damit habe das Berufungsgericht in unzulässiger Weise an die Stelle einer nur von ärztlicher Seite zu treffenden Feststellung seine eigene Meinung gesetzt. Daß es sich hierbei auf die herrschende medizinische Lehrmeinung berufen habe, rechtfertige sein Vorgehen schon deshalb nicht, weil es bei der Beurteilung eines speziellen Falles nicht nur auf die allgemeine Lehre, sondern auf die im Einzelfall getroffenen ärztlichen Feststellungen ankomme und weil im übrigen auch dem der Ansicht des LSG entgegenstehenden Gutachten der Münchener Universitätsklinik ausdrücklich die herrschende Lehrmeinung zugrunde gelegt worden sei. Ebensowenig könne die Ablehnung einer bleibenden Verschlimmerung des Magenleidens mit der allgemeinen Feststellung begründet werden, daß das Geschwürsleiden in Schüben verlaufe, zumal da das LSG keinerlei Feststellungen darüber getroffen habe, ob es sich bei dem jetzt bestehenden Geschwür um einen unabhängig von der 1943 aufgetretenen Erkrankung entstandenen neuen nachdienstlichen Schub handle. Das Berufungsgericht hätte daher, wenn es dem überzeugenden Gutachten der Universitätsklinik M... nicht habe folgen wollen, nach Meinung des Klägers ein weiteres fachärztliches Gutachten einholen und außerdem durch Anhörung der behandelnden Ärzte des Klägers aufklären müssen, ob es sich bei dem jetzigen Geschwürsleiden um einen neuen nachdienstlich aufgetretenen Schub handelt oder nicht. Die vom LSG zu Unrecht unterlassene Sachaufklärung hätte ergeben, daß das jetzt vorhandene Geschwür auf das 1943 erstmals aufgetretene ulcus duodeni zurückzuführen und durch Hinterlassung eines narbig deformierten Bulbus mit Gastritis bedingt sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 10. Juli 1959 als unzulässig zu verwerfen.

Er ist der Ansicht, daß die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

Die gemäß §§ 164, 166 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist vom LSG nicht zugelassen worden. Sie ist jedoch nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft; denn das Verfahren des Berufungsgerichts leidet, wie der Kläger zutreffend gerügt hat, an einem wesentlichen Mangel.

Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil die in seinem ersten in dieser Sache ergangenen, auf die Revision des Klägers aufgehobenen Urteil vom 17. Juli 1956 unterlassene Prüfung nachgeholt, ob der Wehrdienst des Klägers unmittelbar das Geschwürsleiden ursächlich beeinflußt hat. Es ist hierbei in Übereinstimmung mit dem Gutachten der II. Medizinischen Klinik der Universität M... vom 15. Mai 1956 davon ausgegangen, daß der Kläger während des Wehrdienstes nur durchschnittlichen Belastungen ausgesetzt war, daß er aber diesen Belastungen ausgesetzt gewesen ist als ein Mann, der mit beschränkter Verwendungsfähigkeit eingezogen und in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft geschwächt war, so daß ihn in rechtlich erheblicher Weise auch solche schädigenden Ereignisse in seiner Gesundheit beeinträchtigen konnten, für die ein gesunder Soldat unempfänglich ist. Gleichwohl hat das LSG entgegen dem von ihm eingeholten Gutachten der Universitätsklinik M... unter Hinweis auf die herrschende medizinische Lehrmeinung über die Ätiologie des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleidens und auf den schubweisen Verlauf dieses Leidens den ursächlichen Zusammenhang im tatsächlichen (naturwissenschaftlich-philosophischen) Sinne zwischen dem Wehrdienst und dem Geschwürsleiden des Klägers verneint. Hiergegen richten sich die Revisionsangriffe des Klägers. Er rügt in erster Linie eine Verletzung des § 128 SGG, wenn er vorträgt, das LSG habe sich über das überzeugende Gutachten der M... Universitätsklinik hinweggesetzt, ohne sich für seine von diesem Gutachten abweichende Meinung auf ein anderes ärztliches Gutachten stützen zu können und ohne im Besitz der für die Beurteilung des medizinischen Ursachenzusammenhangs, - insbesondere des Zusammenhangs der Bulbusdeformierungen mit dem derzeitigen Geschwürsleiden - erforderlichen Sachkunde zu sein.

Nach § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung und hat in seinem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Mangel des Verfahrens in bezug auf die Beweiswürdigung liegt vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung überschritten hat. Das ist hier der Fall.

Der Umstand, daß das LSG bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im tatsächlichen Sinne nicht dem Gutachten der Medizinischen Klinik der Universität M... gefolgt ist, stellt für sich allein noch keinen Verfahrensfehler dar; denn das Gericht ist an die ärztlichen Gutachten, die stets nur ein Hilfsmittel des Richters sind, nicht gebunden, es ist vielmehr im Rahmen seines auf sachliche Gründe gestützten, also nicht willkürlichen Ermessens in der Beweiswürdigung frei. Auf der anderen Seite ist die besondere Bedeutung ärztlicher Gutachten nicht zu verkennen. Da dem Gericht die speziellen Sachkenntnisse meist fehlen werden, darf es ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch ärztliche Sachverständige nicht hinweggehen und insbesondere nicht seine eigene Auffassung an deren Stelle setzen, da davon auszugehen ist, daß die Ärzte auf ihrem Fachgebiet ein besseres Wissen, eine größere Erfahrung und darum ein zuverlässigeres Urteil als die Laien haben (BSG in SozR SGG § 128 Bl. Da 1 Nr. 2).

Im vorliegenden Fall hat das LSG seine von dem Gutachten der Universitätsklinik M... abweichende Beurteilung der in erster Linie medizinischen Frage, ob das Geschwürsleiden des Klägers durch den Wehrdienst verschlimmert worden ist, unter Hinweis auf Hirt (Zur Beurteilung der WDB - Frage bei einigen häufiger vorkommenden inneren Erkrankungen und Veränderungen, Sonderdruck aus "Die Kriegsopferversorgung", o.J., S. 12-15), Meyeringh (Versicherungsrechtliche Beurteilung innerer Krankheiten, 1951, S. 94, 95) und Schöneberg (Die ärztliche Beurteilung Beschädigter, 2. Aufl. 1955, S. 316 ff) damit begründet, daß nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung eine Verschlimmerung des konstitutionsgebundenen und in Schüben verlaufenden Geschwürsleidens durch exogene Faktoren wie Wehrdiensteinflüsse nur vorübergehend - zeitlich ganz begrenzt - eintreten könne, da jeder neue Schub des Leidens eine Neuerkrankung darstelle; daher sei ein nachdienstlich aufgetretener Schub völlig unabhängig von einem im Wehrdienst durchgemachten zu beurteilen, er sei im schicksalsmäßigen Ablauf des Leidens begründet und habe mit Einwirkungen des Wehrdienstes oder mit einem während dieses Dienstes aufgetretenen Geschwürsschub nichts mehr zu tun. Wäre diese Begründung nach der vom LSG zitierten Literatur ohne Einschränkung gegeben, so wäre darin kein wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinn von § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu erblicken, daß das Berufungsgericht sich über die Zusammenhangsfrage eine von dem Gutachten der M... Klinik abweichende Meinung gebildet hat, ohne sich hierfür auf ein anderes ärztliches Gutachten stützen zu können. In diesem Falle wäre die Einholung eines ärztlichen Gutachtens überhaupt überflüssig gewesen. Tatsächlich werden jedoch die Ausführungen, mit denen das LSG das Nichtbestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Wehrdienst und dem Geschwürsleiden begründet hat, durch die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung über die Ätiologie dieses Leidens, wie sie in der vom Berufungsgericht angeführten Literatur wiedergegeben ist, nicht uneingeschränkt gedeckt. Weder Hirt noch Meyeringh noch Schöneberg nehmen mit der in dem angefochtenen Urteil zum Ausdruck gebrachten Unbedingtheit den Standpunkt ein, daß ein nachdienstlich aufgetretener Schub des Geschwürsleidens immer schicksalsmäßig bedingt sei und mit Einflüssen des Wehrdienstes oder mit einem während dieses Dienstes aufgetretenen Geschwürsschub nichts mehr zu tun habe. Sie vertreten vielmehr diese Meinung ausdrücklich nur für den Fall, daß der während des Wehrdienstes abgelaufene Geschwürsschub folgenlos abgeklungen ist, und sind übereinstimmend der Ansicht, daß ein bleibender Verschlimmerungsanteil angenommen werden müsse, wenn infolge des von wehrdienstlichen Faktoren beeinflußten Schubes etwa narbige Veränderungen (Bulbusdeformierungen, narbige Einrollung der kleinen Kurvatur , Pylorusveränderungen u.a.) oder Verwachsungen zurückgeblieben sind (Hirt aaO, S. 15; Meyeringh aaO, S. 95; Schöneberg aaO, S. 320, 321). Das LSG beruft sich mithin für seine von dem Gutachten der Universitätsklinik M... abweichende Meinung zu Unrecht auf die herrschende medizinische Lehrmeinung sowie auf Hirt, Meyeringh und Schöneberg; es hätte, wenn es dem von ihm eingeholten ärztlichen Gutachten nicht folgen wollte, unter Zugrundelegung der von den angeführten Autoren vertretenen Ansicht auf jeden Fall prüfen müssen, ob der während des Wehrdienstes abgelaufene Geschwürsschub narbige Veränderungen oder Verwachsungen am Magen-Darmtrakt hinterlassen hat und inwieweit das jetzt vorhandene Geschwür hierauf zurückzuführen ist; dies um so mehr als auch das Gutachten vom 15. Mai 1956 ausdrücklich das Vorhandensein deutlicher Bulbusdeformierungen hervorhebt, sich dann aber deshalb mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Deformierungen und deren Zusammenhang mit dem derzeitigen Geschwürsleiden nicht näher befaßt, weil es schon aus anderen - später vom LSG nicht gebilligten - Erwägungen den Zusammenhang als gegeben ansieht. Das Berufungsgericht ist demnach, wie der Kläger zutreffend rügt, ohne zureichende Gründe über das Gutachten der Universitätsklinik M... hinweggegangen und hat seine eigene Auffassung an dessen Stelle - oder richtiger an die Stelle der in diesem Gutachten fehlenden Beurteilung über die zeitliche Entstehung der Bulbusdeformierungen und deren Einfluß auf das derzeitige Geschwürsleiden - gesetzt, obwohl es hierzu, wie die Urteilsgründe erkennen lassen, nicht hinreichend sachkundig war. Damit hat es die in § 128 Abs. 1 SGG niedergelegten Grundsätze für eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung verletzt. Es hätte, da es die Erwägungen im Gutachten der Medizinischen Klinik der Universität M... nicht billigte, unter den gegebenen Umständen nunmehr bei fehlender eigener ausreichender Sachkunde weiteren Beweis durch Anhörung eines Sachverständigen erheben müssen. Da der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel somit vorliegt, ist die Revision, die sich gegen die Zurückweisung der Berufung wegen der Anerkennung des Magen- und Darmgeschwürsleidens durch das LSG richtet, gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.

Die Revision ist auch begründet, denn das angefochtene Urteil beruht auf den gerügten wesentlichen Verfahrensmängeln; es ist nicht ausgeschlossen, daß das LSG bei richtiger Anwendung der Verfahrensvorschriften zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Das Urteil des Berufungsgerichts mußte daher erneut mit den durch die Verfahrensmängel betroffenen Feststellungen aufgehoben werden. Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, weil der Sachverhalt, von dem die Entscheidung über den Anspruch des Klägers abhängt, verfahrensrechtlich nicht einwandfrei festgestellt ist und unter Umständen weitere Ermittlungen erforderlich sind. Der Rechtsstreit war daher an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten mußte dem abschließenden Urteil vorbehalten bleiben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2308644

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge