Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Bezeichnung des Verfahrensmangels. Unzulässigkeit der Rüge der Richtigkeit der Sachentscheidung
Orientierungssatz
Die Rüge von Verfahrensmängeln betrifft allein den Weg zur Sachentscheidung (error in procedendo), nicht aber die Richtigkeit der Sachentscheidung selbst (error in iudicando). Dies gilt auch, wenn die behauptete sachliche Unrichtigkeit ihre Ursache in einem seinerseits der Geltendmachung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglichen Verfahrensmangel hat.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren darüber, ob die Klägerin als Niederlassungsleiterin und atypisch stille Gesellschafterin einer Steuerberatungsgesellschaft im Zeitraum vom 1.4.1994 bis zum 31.12.2000 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Beschwerde der beigeladenen Steuerberatungsgesellschaft (Beigeladene zu 4.) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) vom 19.9.2007 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Beigeladene zu 4. hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.
Die Beigeladene zu 4. beruft sich zunächst auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern. Soweit sie insofern geltend macht, dass der Klägerin für die Einlegung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.1.2002 das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe, verkennt sie, dass im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde allein Verstöße des Berufungsgerichts gegen das für dieses Gericht maßgebliche Verfahrensrecht, nicht jedoch Mängel des Verwaltungsverfahrens gerügt werden können. Soweit sie darüber hinaus geltend macht, das Berufungsgericht habe - von der Klägerin getäuscht - den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, lässt die Beigeladene zu 4. unberücksichtigt, dass die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG überhaupt nicht und auf eine Verletzung von § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn sich der Mangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG "ohne hinreichende Begründung" nicht gefolgt ist (vgl insbesondere zur fehlenden Relevanz der "Aktenwidrigkeit" im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde BSG, Beschluss vom 11.11.1987, 7 BAr 67/86, juris) . Bereits an der Bezeichnung eines derartigen Beweisantrages - im hier maßgeblichen Sinne der ZPO - fehlt es indes. Soweit sich die Beigeladene zu 4. auf eine "unterlassene Anwendung des § 45 SGB X" beruft, lässt die Begründung ihres Rechtsmittels unbeachtet, dass die Rüge von Verfahrensmängeln allein den Weg zur Sachentscheidung (error in procedendo), nicht aber die Richtigkeit der Sachentscheidung selbst (error in iudicando) betrifft. Dies gilt auch, wenn die behauptete sachliche Unrichtigkeit ihre Ursache in einem seinerseits der Geltendmachung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglichen Verfahrensmangel hat.
An der schlüssigen Bezeichnung eines das Verfahren des Berufungsgerichts betreffenden Mangels fehlt es auch, soweit sich die Beigeladene zu 4. auf eine behauptete Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung beruft. Die Beigeladene zu 4. führt insofern weder aus, warum die Einleitung eines weiteren Verwaltungsverfahrens entgegen einem ihrer Behauptung nach bestandskräftigen "Befreiungsbescheid" vom 19.4.1994 das gerichtliche Verfahren betreffen könnte, noch dass und inwiefern vorliegend die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes - neben dem bereits fraglichen Zeitablauf weitere Umstände, die mit ihm die Verwirkung begründen (vgl hierzu BSG v 29.6.1972, 2 RU 62/70, BSGE 34, 211 =SozR Nr 14 zu § 242 BGB und vom 31.3.1981, 2 RU 101/79, BSGE 51, 260 = SozR 2200 § 730 Nr 2) - gegeben sein könnten. Im Blick hierauf ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass die Entscheidungsrelevanz des behaupteten Verfahrensfehlers schon im Ansatz dunkel bleibt, weil die Begründung auf S 9 Mitte davon ausgeht, dass eine Überprüfung am Maßstab des § 45 SGB X zu einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils in der Sache geführt hätte, während auf S 13 (unter I am Ende) behauptet wird, die Klage sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig gewesen.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Berufungsgericht habe den "Prozessstoff nicht ausgeschöpft," weist sie damit nur darauf hin, dass eine Prüfung des Sachverhalts unter einem von ihr für bedeutsam erachteten Umstand nicht stattgefunden hat. Auch dies ist von vorneherein kein Verfahrensfehler im vorstehend umschriebenen Sinn. Soweit sie schließlich geltend macht, das LSG hätte durch plötzliches Abstellen auf die bei der Beklagten verortete Feststellungslast - was den Zugang der Entscheidung vom 19.4.1994 bei der Klägerin betrifft - eine Überraschungsentscheidung getroffen und das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt, mangelt es ebenfalls an den erforderlichen Ausführungen zur konkreten Bezeichnung des behaupteten Verfahrensfehlers. So hätte es insbesondere im Blick darauf, dass bereits die Beklagte im Bescheid vom 22.1.2002 darauf hingewiesen hatte, dass "eine Bescheiderteilung nicht erkennbar ist" und die Klägerin im Beisein des Prozessvertreters der nunmehrigen Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 19.9.2007 zur Bekanntgabe dieses Bescheides befragt worden war, sich die Beigeladene zu 4. jedoch auch nach einer anschließenden viertelstündigen Sitzungsunterbrechung hierzu nicht äußerte, einer näheren Darstellung des Überraschungsmoments bedurft.
Die Beigeladene zu 4. beruft sich darüber hinaus dem Namen nach auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (S 1 unter "A"). Soweit sie hierauf möglicherweise als Unterpunkt 5 ihres Gliederungspunktes I (Verfahrensfehler) durch Berufung auf die "Rechtsfrage", "ob eine der Beschwerdeführerin vorliegende Verwaltungsentscheidung vom 19.4.1994 in der Weise abgeändert werden kann, dass nach Ablauf von über 13 Jahren eine abweichende Statusentscheidung zu Lasten der Beschwerdeführerin ergehen kann," zurückkommen will, fehlt es ersichtlich an allen Voraussetzungen für die Darlegung des entsprechenden Zulassungsgrundes. Die Frage nach der richtigen Entscheidung im Einzelfall kann auch durch eine fehlerhafte Bezeichnung nicht zum Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden.
Die Beigeladene zu 4. beruft sich zudem auf den Zulassungsgrund der Abweichung. Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Eine für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde relevante Abweichung von der Entscheidung eines Sozialgerichts ist damit von vorneherein ausgeschlossen. Die Beschwerdebegründung muss im Übrigen erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67) . Da die Beigeladene zu 4. jedenfalls einen oder mehrere vom Berufungsgericht aufgestellte Rechtssätze nicht angegeben, sondern lediglich auf die ihrer Auffassung nach fehlerhafte Übertragung/Nichtanwendung von Ausführungen im Urteil des Senats vom 24.1.2007 (SozR 4-2400 § 7 Nr 7) auf nach dem 31.12.1998 geänderte "tatsächliche Verhältnisse"hingewiesen hat, gibt die Begründung bereits keinen Hinweis, ob das angegriffene Urteil nach Auffassung der Beigeladenen zu 4. tatsächlich auf einer Divergenz - oder ggf nur auf einer für die Revisionszulassung unerheblichen falschen Rechtsanwendung im Einzelfall - beruht. Eine mit Hilfe der Revisionszulassung zu beseitigende Gefährdung der Rechtseinheit ist nämlich nur und erst dann zu befürchten, wenn die Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft die Deduktion des gefundenen Ergebnisses aus einem sich aus der Entscheidung selbst wenigstens schlüssig ergebenden Rechtssatz erkennen ließen, den das LSG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (BSG Beschluss vom 27.1.1999, B 4 RA 131/98 B, SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen