Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mittelgebühr. Hilfebedürftigkeit. Absetzbare Belastungen. Ausbildungsversicherung. Kraftfahrzeugkosten. Kosten für eine Garage. Zahlungsverpflichtungen für einen Ratenkredit. Stromkosten. Kraftstoffkosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einem Verfahren durchschnittlichen Umfangs und Schwierigkeitsgrades wird im allgemeinen von der „Mittelgebühr” ausgegangen, die im Revisionsverfahren einschließlich Umsatzsteuer und Auslagen abgerundet 1355 Euro beträgt.
2. Nicht zu den vom im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei der Prozesskostenhilfe einzusetzenden Einkommen absetzbaren Belastungen gehören: Ausbildungsversicherungen, wenn keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen oder in der Ausbildung befindlichen Angehörigen nachgewiesen sind; Kraftfahrzeugkosten, wenn nicht nachgewiesen ist, dass das Kraftfahrzeug zur Ausübung der Erwerbstätigkeit erforderlich ist; Kosten für eine Garage, da diese nicht Teil der Unterkunftskosten sind; Zahlungsverpflichtungen für einen Ratenkredit, wenn sie eingegangen wurden, als bereits Kenntnis von dem bevorstehenden Prozess und den damit verbundenen möglichen Verfahrenskosten bestand; Stromkosten, da sie im monatlichen Freibetrag enthalten sind und wenn nicht nachgewiesen ist, dass sie zum Betrieb der Heizung dienen; Kraftstoffkosten, wenn sie nicht durch Fahrten zur Arbeitsstätte entstehen.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 114, 115 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1a, 1b, 2a, 3, Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 4, § 121; RVG §§ 3, 14 Abs. 1 S. 1; VV RVG Anlage 1 Nr. 3213; SGB XII § 82 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2023 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
1. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ist der Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Kläger ist in der Lage, die voraussichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens aus seinem Einkommen aufzubringen. PKH wird gemäß § 115 Abs 4 ZPO dann nicht gewährt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen. Das ist hier wegen der Einkommensverhältnisse des Klägers der Fall.
Da im vorliegenden Verfahren Gerichtskosten nicht erhoben werden, beschränken sich die Kosten der Prozessführung im Wesentlichen auf die Gebühren eines Rechtsanwalts. Nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) iVm Anlage 1 Nr 3212 Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) erhält der Rechtsanwalt im Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht eine Verfahrensgebühr zwischen 96 und 1056 Euro. Innerhalb dieser Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers seine Gebühr nach billigem Ermessen (§ 14 Abs 1 Satz 1 RVG). Gleiches gilt für die Terminsgebühr nach Anlage 1 Nr 3213 VV RVG, die zwischen 96 und 990 Euro liegt. Bei einem Verfahren durchschnittlichen Umfangs und Schwierigkeitsgrades wird im allgemeinen von der "Mittelgebühr" ausgegangen, die im Revisionsverfahren einschließlich Umsatzsteuer und Auslagen abgerundet 1355 Euro beträgt. Es ist dem Kläger zuzumuten, diese voraussichtlichen Kosten aus seinem Einkommen zu decken.
Nach der vom Kläger abgegebenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) sowie seinen hierzu vorgelegten Unterlagen bezieht er eine Rente der DRV B von Euro, Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von Euro sowie eine betriebliche Rente von Euro, damit zusammen Euro monatlich.
Vom Einkommen abzuziehen sind:
die in § 82 Abs 2 SGB XII bezeichneten Beträge
(§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 Abs 1 Satz 3 Nr 1 Buchst a ZPO)
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (lt. Kontoauszug: Euro + Euro =) |
Euro |
persönliche Freibeträge
(§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 Abs 1 Satz 3 Nr 1 Buchst b und Nr 2 Buchst a ZPO und der PKH-Bekanntmachung 2023 vom 22.12.2022, BGBl I 2843)
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Antragsteller |
Euro |
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zusätzlich für erwerbstätige Antragsteller |
Euro |
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Ehegatte Euro ./. eigenes Einkommen Euro |
Euro |
Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs 1 Satz 3 Nr 3 ZPO) |
Euro |
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Euro |
Nicht zu den absetzbaren Belastungen gehören die geltend gemachten Ausbildungsversicherungen in Höhe von Euro (Euro + Euro + Euro), da der Kläger auch auf Nachfrage keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen oder in der Ausbildung befindlichen Angehörigen nachgewiesen hat. Auch hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass das angegebene Kraftfahrzeug zur Ausübung der Erwerbstätigkeit erforderlich ist, sodass die Kfz-Versicherung über Euro nicht als absetzbare Ausgabe iS § 115 Abs 1 Satz 3 Nr 1 Buchst a ZPO iVm § 82 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB XII anerkannt werden konnte. Ebenso sind die Kosten für eine Garage nicht Teil der Unterkunftskosten (LAG Hamm Beschluss vom 4.6.2019 - 5 Ta 107/19 - juris). Zahlungsverpflichtungen für einen Ratenkredit können nicht berücksichtigt werden, wenn sie eingegangen wurden, als bereits Kenntnis von dem bevorstehenden Prozess und den damit verbundenen möglichen Verfahrenskosten bestand (LAG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 6.1.2023 - 5 Ta 37/22 - juris). Der Darlehensvertrag wurde im Oktober 2021 geschlossen, das Verfahren ist aber bereits seit Mai 2020 anhängig. Dass das Darlehen für eine notwendige Anschaffung erforderlich war, wurde darüber hinaus nicht nachgewiesen (OLG Koblenz Beschluss vom 25.3.2019 - 7 WF 276/19 - juris). Stromkosten sind im monatlichen Freibetrag enthalten. Da der Kläger bereits gesonderte Heizkosten geltend gemacht hat, ist nicht davon auszugehen, dass die geltend gemachten Stromkosten zum Betrieb der Heizung dienen (vgl Thüringer LSG Beschluss vom 12.5.2015 - L 6 R 1497/13 B - juris). Kraftstoffkosten können nur für Fahrten zur Arbeitsstätte unter Berücksichtigung von Wegstrecke und Häufigkeit der Fahrten berücksichtigt werden. Dazu hat der Kläger keine Angaben gemacht.
Nachweise, für die sich aus der Erklärung ergebenden monatlichen Beiträge für eine weitere Krankenversicherung des Klägers bzw seiner Ehefrau über Euro, für eine Hausratversicherung über Euro, eine Haftpflichtversicherung über Euro und eine Lebensversicherung über Euro wurden trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht erbracht. Dass ein Konto des Klägers aktuell im Soll ist, begründet keine Mittellosigkeit.
Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen (§ 115 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO); bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt (§ 115 Abs 2 Satz 3 ZPO).
Vom Einkommen |
Euro |
sind abzugsfähig |
Euro |
danach beträgt das einzusetzende Einkommen |
Euro |
Es ergibt sich daher eine Monatsrate von (300 Euro + Euro, gerundet gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) Euro. Vier Monatsraten von zusammen Euro übersteigen jedoch die voraussichtlichen Prozesskosten von Euro. Dem Kläger ist es deshalb zuzumuten, die Kosten der Prozessführung aus seinem Einkommen zu bestreiten.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI16148584 |