Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtlich zuständiges Sozialgericht in Fällen des SVG

 

Orientierungssatz

Eine wegen § 88 Abs 7 S 2 Nr 1 iVm Abs 5 S 2 Nr 1 SVG fehlerhafte Verweisung an das SG Berlin (Wohnsitz des Klägers bei Klageverfahren), ist zwar für dieses Gericht bindend. Aber auch in diesem Fall kann das BSG das verweisende Sozialgericht nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG als zuständig bestimmen.

 

Normenkette

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Nr. 4 Fassung: 1953-09-03, § 98 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; SVG § 88 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1980-10-09, Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1980-10-09

 

Gründe

Der zuvor in Sendenhorst bei M und nunmehr in Berlin wohnhafte Kläger begehrt Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen der Verschlimmerung eines nach seiner Behauptung wehrdienstbedingten Meniskusschadens. Das Versorgungsamt Münster lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 21. Mai 1979). Das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. November 1979). Der Kläger erhob deswegen Klage beim Sozialgericht (SG) Münster. Auf dessen Anregung beantragte er sodann die Verweisung des Rechtsstreits an das SG Berlin. Das SG Münster erklärte sich daraufhin für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Berlin (Beschluß vom 11. Januar 1980).

Das SG Berlin hält sich unter Hinweis auf § 88 Abs 5 Nr 1 in Verbindung mit Abs 3 Nr 1 SVG ebenfalls für örtlich unzuständig. Es hat daher zur Bestimmung des zuständigen Gerichts die Sache dem Bundessozialgericht (BSG) vorgelegt.

Als zuständiges Gericht wird das SG Münster (Westf) bestimmt.

Nach § 58 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht ua dann bestimmt, wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist (Nr 1) oder wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (Nr 4). Das BSG ist in diesem Sinne für die in den Bezirken verschiedener Landessozialgerichte belegenen Sozialgerichte Berlin und Münster das gemeinsame nächsthöhere Gericht.

Die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Nr 4 SGG für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts sind nicht erfüllt. Dabei kann auf sich beruhen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß sich bisher lediglich das SG Münster (Verweisungsbeschluß vom 11. Januar 1980), nicht hingegen das SG Berlin rechtskräftig für unzuständig erklärt hat. Jedenfalls hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 8. April 1980 (BSG SozR 1500 § 98 Nr 1 S 2 f) ausgesprochen, daß angesichts der Bindung eines nach § 98 SGG ergangenen Verweisungsbeschlusses auch und gerade für dasjenige Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§ 98 Abs 2 Satz 2 SGG), dieses sich gegen die Übernahme der Sache nicht durch einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 58 Abs 1 Nr 4 SGG wenden darf. Etwas anderes kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das Verfahren des verweisenden Gerichts extreme Fehler aufweist oder die Verweisungsentscheidung willkürlich ist. In Anwendung dieser Grundsätze ist das SG Berlin an den Verweisungsbeschluß des SG Münster vom 11. Januar 1980 gebunden und damit Örtlich zuständig geworden. Zwar ist der Verweisungsbeschluß fehlerhaft. Das SG Münster hat die besondere Zuständigkeitsregelung des SVG für Streitigkeiten von Klägern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Lande Berlin unberücksichtigt gelassen. Nach § 88 Abs 5 Satz 2 Nr 1 Satz 1 SVG in der nunmehr geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 9. Oktober 1980 (BGBl I S 1957) ist für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Land Berlin haben, in Ermangelung einer nach § 3 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung im Geltungsbereich dieses Gesetzes begründeten Zuständigkeit die für die Kriegsopferversorgung zuständige Verwaltungsbehörde oder Stelle örtlich zuständig, in deren Bezirk der letzte Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers im Geltungsbereich dieses Gesetzes gelegen hat. Diese Regelung ist bei der Anwendung des SGG für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Land Berlin haben, entsprechend anzuwenden (§ 88 Abs 7 Satz 2 Nr 1 SVG, dessen Bezugnahme auf Abs 3 Satz 2 Nr 1 offensichtlich fehlerhaft ist). Der Kläger hat zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz im Land Berlin gehabt. Sein letzter Wohnsitz im Geltungsbereich des SVG hat im Bezirk des SG Münster gelegen. Dieses ist somit für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig und daher zu dessen Verweisung an das SG Berlin nicht befugt gewesen. Diese Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses vom 11. Januar 1980 führt indes nicht zu dessen Unwirksamkeit. Die Unkenntnis oder Außerachtlassung gesetzlicher Vorschriften für sich allein rechtfertigt es nicht, die darauf beruhende gerichtliche Entscheidung als willkürlich anzusehen. Der Beschluß vom 11. Januar 1980 ist somit für das SG Berlin bindend und begründet an sich dessen Zuständigkeit.

Dadurch zugleich sind aber die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Nr 1 SGG für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts erfüllt. Das SG Berlin ist aufgrund des für ihn bindenden Verweisungsbeschlusses vom 11. Januar 1980 das "an sich zuständige Gericht" geworden. Es ist jedoch an der Ausübung der Gerichtsbarkeit in der vorliegenden Streitsache durch die besondere Zuständigkeitsregelung des § 88 Abs 5 Satz 2 Nr 1 Satz 1, Abs 7 Satz 2 Nr 1 SVG rechtlich verhindert.

Als zuständiges Gericht wird im Einklang mit dieser Zuständigkeitsregelung das SG Münster bestimmt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666482

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