Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtlich zuständiges Sozialgericht in Fällen des SVG

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine wegen § 88 Abs 7 S 2 Nr 1 iVm Abs 5 S 2 Nr 1 SVG fehlerhafte Verweisung an das SG Berlin (Wohnsitz des Klägers bei Klageverfahren), ist zwar für dieses Gericht bindend. Aber auch in diesem Fall kann das BSG das verweisende SG nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG als zuständig bestimmen (so auch BSG 1981-05-05 1 S 2/81).

 

Normenkette

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; SVG § 88 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1980-10-09, Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1980-10-09, § 98 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1953-09-03

 

Gründe

Der während der Ableistung seines Wehrdienstes von April 1966 bis März 1968 in M und nunmehr in B wohnhafte Kläger begehrt Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen einer nach seiner Behauptung wehrdienstbedingten Lungen- und Nierentuberkulose. Sein Antrag blieb im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg (Bescheid des Versorgungsamts Münster/Westf vom 30. Dezember 1980; Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 1981). Der Kläger erhob deswegen beim Sozialgericht (SG) Münster (Westf) Klage.

Mit Beschluß vom 25. Mai 1981 hat sich das SG Münster (Westf) auf Antrag des Klägers für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das nach seiner Meinung zuständige SG Berlin verwiesen. Dieses hat sich durch Beschluß vom 21. August 1981 ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Sozialgerichts dem Bundessozialgericht (BSG) vorgelegt. Es sieht sich durch die besonderen Vorschriften des SVG an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert.

Als örtlich zuständiges Gericht wird das SG Münster (Westf) bestimmt.

Nach § 58 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht ua dann bestimmt, wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist (Nr 1) oder wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (Nr 4). Das BSG ist in diesem Sinne für die in den Bezirken verschiedener Landessozialgerichte belegenen Sozialgerichte Münster (Westf) und Berlin das gemeinsame nächsthöhere Gericht.

Die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Nr 4 SGG für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts sind nicht erfüllt. Angesichts der Bindung eines nach § 98 SGG ergangenen Verweisungsbeschlusses (hier: des SG Münster/Westf) vom 25. Mai 1981) auch und gerade für dasjenige Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§ 98 Abs 2 Satz 2 SGG), darf sich dieses gegen die Übernahme der Sache nicht durch einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 58 Abs 1 Nr 4 SGG wenden (vgl Beschluß des Senats in BSG SozR 1500 § 98 Nr 1 S 2 f). Etwas anderes kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das Verfahren des verweisenden Gerichts extreme Fehler aufweist oder die Verweisungsentscheidung willkürlich ist. In Anwendung dieser Grundsätze ist das SG Berlin an den Verweisungsbeschluß des SG Münster (Westf) vom 25. Mai 1981 gebunden und damit örtlich zuständig geworden. Allerdings ist der Verweisungsbeschluß fehlerhaft. Das SG Münster (Westf) hat die besondere Zuständigkeitsregelung des SVG für Streitigkeiten von Klägern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Lande Berlin unberücksichtigt gelassen. Nach § 88 Abs 5 Satz 2 Nr 1 Satz 1 SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Oktober 1980 (BGBl I S 1957) ist für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Lande Berlin haben, in Ermangelung einer nach § 3 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung im Geltungsbereich dieses Gesetzes begründeten Zuständigkeit die für die Kriegsopferversorgung zuständige Verwaltungsbehörde oder Stelle örtlich zuständig, in deren Bezirk der letzte Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers im Geltungsbereich dieses Gesetzes gelegen hat. Diese Regelung ist bei der Anwendung des SGG für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Lande Berlin haben, entsprechend anzuwenden (§ 88 Abs 7 Satz 2 Nr 1 SVG, dessen Bezugnahme auf Abs 3 Satz 2 Nr 1 offensichtlich fehlerhaft ist). Der Kläger hat zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz im Lande Berlin gehabt. Sein letzter Wohnsitz im Geltungsbereich des SVG hat im Bezirk des SG Münster (Westf) gelegen. Dieses ist demnach für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig und zu dessen Verweisung an das SG Berlin nicht befugt gewesen. Diese Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses vom 25. Mai 1981 führt jedoch nicht zu dessen Unwirksamkeit. Die Unkenntnis oder Außerachtlassung gesetzlicher Vorschriften rechtfertigt es für sich allein nicht, die darauf beruhende gerichtliche Entscheidung als extrem fehlerhaft oder willkürlich anzusehen. Der Beschluß vom 25. Mai 1981 ist somit für das SG Berlin bindend und begründet an sich dessen Zuständigkeit.

Dadurch zugleich sind aber die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Nr 1 SGG für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts erfüllt. Das SG Berlin ist aufgrund des für ihn bindenden Verweisungsbeschlusses vom 25. Mai 1981 das "an sich zuständige Gericht" geworden. Es ist jedoch an der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die besondere Zuständigkeitsregelung des § 88 Abs 5 Satz 2 Nr 1, Abs 7 Satz 2 Nr 1 SVG rechtlich verhindert (vgl den ebenfalls einen Zuständigkeitskonflikt zwischen den Sozialgerichten Münster/Westf und Berlin betreffenden Beschluß des Senats vom 5. Mai 1981 - 1 S 2/81 -).

Als zuständiges Gericht wird entsprechend der Zuständigkeitsregelung des SVG das SG Münster (Westf) bestimmt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666475

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