Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. gleichgestellter Betrieb. Forschungsinstitut
Orientierungssatz
Ein Forschungsinstitut, dessen zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung sich weder auf die Bereiche der Industrie oder des Bauwesens noch die in § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2 aufgezählten Bereiche/Kategorien bezogen hat, gehört nicht zu den gleichgestellten Betrieben iS dieser Bestimmung (vgl BSG vom 26.10.2004 - B 4 RA 40/04 R = SozR 4-8570 § 5 Nr 5).
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 5, 8; AAÜG Anl 1 Nr. 1; ZAVtIV § 1; ZAVtIVDBest 2 § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers in der DDR als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Dem Kläger war in der DDR mit Urkunde vom 29.10.1976 das Recht verliehen worden, die Berufsbezeichnung "Diplomingenieur" zu führen. Er war vom 1.9.1976 bis 15.11.1976 als Objektbauleiter bei der Deutschen Reichsbahn - Ingenieurbaubetrieb B.-, vom 16.11.1976 bis 30.10.1987 in den Funktionen als Objektbauleiter, Technologe und Mitarbeiter Produktionsvorbereitung und -durchführung bei der Deutschen Reichsbahn - Ingenieurbaubetrieb D.-, vom 1.11.1987 bis 30.6.1989 als Mitarbeiter für Produktionskontrolle Ingenieurbau bei der Deutschen Reichsbahn - Reichsbahnbetrieb B. und vom 1.7.1989 bis 30.6.1990 in der Funktion als Experte in der Forschung/Entwicklung beim Zentralen Forschungsinstitut der DDR (Z.) beschäftigt. In ein Zusatzversorgungssystem der DDR war er nicht einbezogen.
Seinen Antrag, die Beschäftigungszeiten vom 29.10.1976 bis 30.6.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2005 ab. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 19.6.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27.11.2008). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei am 30.6.1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (der Industrie oder des Bauwesens) iS des § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: 2. DB) beschäftigt gewesen. Beim Z. habe es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB gehandelt, weil es unter keine der dort genannten Betriebsgruppen gefasst werden könne. Das Z. sei weder ein Institut oder Betrieb der Eisenbahn noch ein wissenschaftliches Institut bzw Forschungsinstitut iS dieser Bestimmung gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
Der Senat lässt dahinstehen, ob die Beschwerde des Klägers die Darlegungserfordernisse nach § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfüllt. Jedenfalls ist sie unbegründet.
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig (= noch ungeklärt) und fähig (= entscheidungserheblich) ist.
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Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam (S 4 f der Beschwerdebegründung), |
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"ob der Begriff ‚Forschungsinstitut’ des § 1 Abs 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz lediglich solche Betriebe oder Einrichtungen umfasst, die unmittelbaren Bezug zu den Wirtschaftseinheiten und deren (Forschungs-)Aufgaben unmittelbaren Bezug zur Produktion haben.„ |
Der vom Kläger gestellten Rechtsfrage kommt im entscheidungserheblichen Umfang keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist insoweit durch die einschlägige Regelung und die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt.
Das BSG hat sich mit der Frage der Begriffsbestimmung des "Forschungsinstituts„ iS des § 1 Abs 2 der 2. DB bereits in seinem - auch vom LSG und dem Kläger in der Beschwerdebegründung zitierten - Urteil vom 26.10.2004 (B 4 RA 40/04 R, SozR 4-8570 § 5 Nr 5) befasst. Dort hat es ausgeführt, dass der Begriff des Forschungsinstituts iS des § 1 Abs 2 der 2. DB anders zu verstehen ist als der in § 6 der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (VO-AVIwiss). Während zu den Forschungsinstituten iS des § 6 VO-AVIwiss nur jeweils "selbstständige staatliche" (wissenschaftliche) Einrichtungen zählten und nicht volkseigene Betriebe, auch wenn sie über wissenschaftliche Forschungseinrichtungen bzw Abteilungen verfügten, sind Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 der 2. DB, die durch diese Bestimmung volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind, Forschung betreibende selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung ist. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Präambel der Verordnung-AVItech vom 17.8.1950 (GBl S 844). In dieses Versorgungssystem sollten grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten. Zu den durch § 1 Abs 2 der 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören demnach vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war.
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 26.10.2004 schließlich noch darauf hingewiesen, dass betriebliche Forschungseinrichtungen nicht nur dann zu den Forschungsinstituten (und wissenschaftlichen Instituten) zählten, wenn es sich um solche der Post, der Eisenbahn und der Schifffahrt gehandelt habe, weil sich für die gegenteilige Auffassung im Wortlaut des § 1 Abs 2 der 2. DB keine Stütze findet. Denn in der durch Semikolon jeweils getrennten Aufzählung der gleichgestellten Betriebe sind neben den ohne Zusatz genannten "Forschungsinstituten„ nur "Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens„ aufgeführt.
Insgesamt ist damit geklärt, dass jedenfalls ein Forschungsinstitut, dessen zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung sich weder auf die Bereiche der Industrie oder des Bauwesens noch die in § 1 Abs 2 der 2. DB aufgezählten Bereiche/Kategorien bezogen hat, nicht zu den gleichgestellten Betrieben iS dieser Bestimmung gehört. Dass das Z. auch nicht zu der letztgenannten Gruppe zählte, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG.
Sofern der Kläger meint, das LSG habe unter Bezugnahme auf die (Forschungs-)Aufgaben der Z. zu Unrecht festgestellt, dass dieses kein Forschungsinstitut iS des § 1 Abs 2 der 2. DB sei, stellt er keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Ob ein Beschäftigungsbetrieb nach Maßgabe dieser Bestimmung unter die dort aufgeführten Betriebsgruppen fällt und als ein den volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellter Betrieb anzusehen ist, beurteilt sich nach dem Betriebszweck, den der Betrieb tatsächlich verfolgt hat. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung der Instanzgerichte; es handelt sich um Tatsachenfeststellungen im Einzelfall. Diese können aber im Rahmen des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht geklärt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen