Leitsatz (redaktionell)
1. Regt ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung vor dem SG an, die (Sprung-)Revision zuzulassen, so stimmt er damit noch nicht der Einlegung der Sprungrevision durch den Gegner zu (Anschluß an BSG 9.12.1975 3 RK 67/75 = SozR 1500 § 161 Nr 3 und BSG 19.1.1976 12/3 RK 28/75 = SozR 1500 § 161 Nr 5).
2. Wird die Zustimmung zur Sprungrevision schon vor der Urteilsverkündung schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift erklärt, so muß die schriftliche Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, daß nicht (nur) der Zulassung, sondern der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt wird (Anschluß an BSG 3.6.1981 11 RA 4/81 = SozR 1500 § 161 Nr 29).
Normenkette
SGG § 161 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 20.09.1983; Aktenzeichen S 23 U 428/61) |
Tatbestand
Die Klägerin, die von der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung zugunsten der gesetzlichen Mitgliedschaft bei der Bayerischen Versicherungskammer - Bayerische Ärzteversorgung - befreit ist, begehrt einen Beitragszuschuß in entsprechender Höhe der ohne die Befreiung an den Versicherungsträger (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) zu leistenden Pflichtbeiträge.
Das Sozialgericht (SG) hat die beklagte Berufsgenossenschaft antragsgemäß zur Zahlung verurteilt; es hat die Sprungrevision zugelassen. Die Beklagte hat die Sprungrevision eingelegt und als Zustimmungserklärung der Klägerin eine beglaubigte Fotokopie der Niederschrift des SG vom 20. September 1983 beigefügt. Darin heißt es ua: "Sämtliche Beteiligten beantragen übereinstimmend, die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zum Bundessozialgericht zuzulassen."
Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils |
abzuweisen. |
Die Klägerin und die beigeladene Bayerische Versicherungskammer - Bayerische Ärzteversorgung - beantragen,
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die Revision der Beklagten als unzulässig zu verwerfen. |
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unzulässig; die schriftliche Zustimmungserklärung des Revisionsgegners für die Einlegung der Sprungrevision war der Revisionsschrift nicht beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Zwar hat die Beklagte mit der Vorlage der Fotokopie der Niederschrift des SG dem Erfordernis der Schriftform genügt (BSGE 12, 230, 231 = SozR Nr 14 zu § 161 SGG). Auch war die Zustimmung der Beigeladenen nicht erforderlich (GmS-OGB in SozR 1500 § 161 Nr 18). Indessen ist die übersandte Verhandlungsniederschrift nach ihrem Inhalt nicht als schriftliche Zustimmungserklärung zur Einlegung der Sprungrevision zu werten. Die Ansicht der Beklagten, die Erklärung der Klägerin umfasse bereits die Zustimmung zur Revisionseinlegung, was sich insbesondere aus den Umständen des Falles und der Prozeßlage ergebe, ist nicht zutreffend.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (SozR 1500 § 161 Nrn 3, 5 und 29) muß sich aus der schriftlichen Zustimmungserklärung hinreichend deutlich ergeben, daß nicht nur der Revisionszulassung seitens des SG, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt wird. Denn zwischen beiden Erklärungen besteht ein gravierender Unterschied. Die Zulassung der Revision zielt auf die Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeiten ab. Hingegen liegt in der Zustimmung zur Einlegung der Revision ein Rechtsverzicht. Dies schließt es in der Regel aus, eine Erklärung dahin. es werde der Zulassung der Sprungrevision zugestimmt, jedenfalls sofern sie vor der Zulassung seitens der ersten Instanz abgegeben wurde, als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision auszulegen (st Rspr des BSG aaO).
Nach dem Wortlaut der Erklärung zur Niederschrift des SG "sämtliche Beteiligten beantragen übereinstimmend, die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zum Bundessozialgericht zuzulassen", haben alle Beteiligten ihre Zustimmung nur für die Zulassung und nicht auch für die Einlegung der Sprungrevision erklärt. Der Wortlaut der niedergeschriebenen Erklärung ist eindeutig und läßt - zumal vor der Entscheidung des SG abgegeben - keine andere Auslegung zu. Rechtsunerheblich ist es auch, daß bei allen Beteiligten ein Interesse an einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage bestanden haben soll. Selbst dann gestattet es die besondere Bedeutung, die der Rechtsmittelerklärung für die Rechtssicherheit zukommt, nicht, die Zustimmung der Klägerin zur Zulassung der Revision in eine weitergehende und sie belastende Zustimmung zur Einlegung der Revision des Gegners umzudeuten.
Aufgrund dessen war in der Sache nicht darüber zu befinden, ob gegebenenfalls Divergenz zu dem Urteil des BSG vom 11. April 1984 - 12 RK 74/82 - vorliegt.
Die Revision war durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen