Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. August 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten steht die Übernahme von Unterkunftskosten während einer verbüßten Strafhaft in Streit.
Der Kläger trat am 11.2.2019 seine Strafhaft von insgesamt 26 Monaten an, die nach 17 Monaten am 10.7.2020 endete. Das Mietverhältnis seiner vor der Haft von ihm allein bewohnten Einzimmerwohnung wurde zum 30.4.2020 wegen offener Mietrückstände beendet. Die Ehefrau zog zwischenzeitlich mit dem gemeinsamen Sohn in eine im gleichen Haus gelegene größere Wohnung. Nach Entlassung aus der Haft zog auch der Kläger in diese Wohnung mit ein. Bereits am 5.2.2019 hatte der Kläger beim Jobcenter H einen Antrag auf Übernahme der Unterkunftskosten während der Haft gestellt, den dieses erst am 29.12.2020 an den Beklagten weiterleitete. Der Beklagte lehnte die Übernahme der während der Haftzeit aufgelaufenen Unterkunftskosten ab(Bescheid vom 25.6.2021; Widerspruchsbescheid vom 24.8.2021) . Die Klage hat keinen Erfolg gehabt(Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Lübeck vom 7.4.2022; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 16.8.2023) . Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, ein Bedarf für die Übernahme von Mietrückständen habe im Dezember 2020 nicht mehr bestanden. Ein Anspruch bestehe aber auch dann nicht, wenn auf den Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung im Februar 2019 abgestellt werde. Zum damaligen Zeitpunkt sei wegen der bevorstehenden Haftdauer eine sichere Prognose zur Bedarfslage des Klägers auf Leistungen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit auf Grundlage von §§ 67, 68 SGB Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nach der Haftentlassung nicht möglich gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Anspruch nach§ 36 SGB XII auf Übernahme der aufgelaufenen Mietschulden zur Sicherung der jetzt bewohnten Unterkunft berufen, weil der Vermieter mietrechtlich wirksam einen Auszug des Klägers aus der jetzt bewohnten Unterkunft, hinsichtlich der ein Mietvertrag allein mit der Ehefrau des Klägers bestehe, nicht verlangen könne.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint( § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) ; daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten(§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) . Es ist geklärt, dass der drohende Wohnungsverlust nach der Haftentlassung im Grundsatz zu den "besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten" nach§ 67 Satz 1 SGB XII gehört und es insoweit darauf ankommt, ob eine ausreichend sichere Prognose im Hinblick auf den Eintritt einer entsprechenden Notlage nach Haftentlastung gestellt werden kann(Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R - SozR 4-3500 § 67 Nr 1, RdNr 17 ff) . Es ist nicht erkennbar, dass ein Rechtsanwalt im vorliegenden Verfahren Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung hierzu formulieren könnte, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des BSG geklärt sind. Ob das LSG, das diese in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien herangezogen hat, im Einzelfall richtig entschieden hat, kann die Revision nicht eröffnen(BSG vom 14.7.2022 - B 8 SO 10/21 B - RdNr 9 ) .
Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Für das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds(vgl § 202 SGG iVm§ 547 Nr 1 ZPO ) ist nichts ersichtlich; insbesondere wird eine Verletzung des gesetzlichen Richters( Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ≪GG≫) nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Bevollmächtigter erfolgreich die fehlerhafte Behandlung des vom Kläger angebrachten Ablehnungsgesuchs rügen könnte. Solche Rügen, die sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richten, wären in einem Beschwerdeverfahren grundsätzlich ausgeschlossen( § 202 SGG iVm§ 557 Abs 2 ZPO ) . Die erfolgreiche Rüge eines Besetzungsmangel iS des § 547 Nr 1 ZPO kommt nach Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nur dann in Betracht, wenn an der Entscheidung ein erfolglos abgelehnter Richter mitgewirkt hat und die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs willkürlich war(zuletzt etwa Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 21.11.2018 - 1 BvR 436/17 -NJW 2019, 505 RdNr 19 mwN) . Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Befangenheitsgesuch hat der Senat ohne Beteiligung des abgelehnten Richters rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung als unbegründet zurückgewiesen, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung erkennbar wären(Beschluss vom 18.7.2023) .
Zulässigerweise hat das LSG auch über die Berufung - in Abweichung von der eigentlich vorgesehenen Besetzung mit dem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern(§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG ) - durch den Berichterstatter mit ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs 5 SGG entschieden. Danach kann das LSG nach seinem Ermessen in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid(§ 105 SGG ) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Zwar hat es das LSG unterlassen, den Kläger vor der Übertragung der Sache auf den Berichterstatter anzuhören(vgl§ 62 SGG ) . Diese Gehörsverletzung führt allerdings - anders als in den Fällen des§ 153 Abs 4 SGG(BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17;BSG vom 8.11.2001 - B 11 AL 37/01 R - juris RdNr 15 ;BSG vom 17.11.2015 - B 1 KR 65/15 B - RdNr 10 ) bzw§ 158 Satz 2 SGG(BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 51/08 B - RdNr 11 ) - nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank. Denn die Sache kann durch Beschluss des Senats auf diesen zurückübertragen werden, wenn sich erst nach der Übertragung auf den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage erweist, dass die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat(BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16;BSG vom 6.12.2018 - B 8 SO 53/18 B - RdNr 5 ; dazu Harks, jurisPR-SozR 8/2019 Anm 2 ) . Eine solche Situation lag hier aber nicht vor.
Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG undArt 103 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Mündlichkeit nach § 124 Abs 1 SGG ist nicht ersichtlich. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil er ordnungsgemäß in der Terminmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Daran ändert das Vorbringen des Klägers in dem Befangenheitsgesuch nichts, die An- und Abreise zu diesem Termin sei nicht gewährleistet gewesen. Zwar kann eine Versagung rechtlichen Gehörs vorliegen, wenn ein mittelloser Beteiligter einen Antrag auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt, der vom Gericht übergangen wird(zuletztBSG vom 25.4.2023 - B 7 AS 112/22 B ) . Es ist aber nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter hierauf vorliegend eine Rüge mit Erfolg stützen könnte. Es ist schon zweifelhaft, ob in dem Ablehnungsgesuch, mit dem der Kläger behauptet, es würden vom abgelehnten Richter Kosten für die An- und Abreise per se abgelehnt werden, wenn kein persönliches Erscheinen angeordnet sei, ein entsprechender Antrag zu sehen ist. Jedenfalls gehört zu einem Antrag auf eine Reiseentschädigung für die Anreise zur mündlichen Verhandlung auch, die Mittellosigkeit substantiiert darzulegen(BSG vom 3.1.2022 - B 1 KR 45/21 B - RdNr 9 ) . Daran fehlt es. Der Kläger hat dem LSG zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, nicht über die für die Anreise zur mündlichen Verhandlung erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen. Es ist schon nicht aktenkundig, welches Verkehrsmittel er überhaupt gewählt hätte und welche Kosten hierfür angefallen wären.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ) .
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingend gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des§ 193 Abs 1 SGG .
Vorsitzende Richterin am BSG Krauß ist wegen … an der Signatur gehindert. gez. Bieresborn |
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Luik |
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Bieresborn |
Fundstellen
Dokument-Index HI16574367 |