Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 12.03.1996)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. März 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Aufhebung der rechtskräftigen Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen (LSG) vom 17. Oktober 1995 – L 3 U 183/95 – und 2. November 1982 – L 3 U 67/82 – im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens, um letztlich eine Entschädigung wegen der Folgen eines am 5. Januar 1976 erlittenen Arbeitsunfalls zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Urteil des LSG vom 12. März 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die als „Berufungsklage” bezeichnete Eingabe des Klägers vom 12. Januar 1996 weder als Berufung noch als Restitutionsklage statthaft sei. Als nicht statthafte Berufung sei sie gemäß § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und als Restitutionsklage gemäß § 179 SGG iVm § 589 Abs 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ebenfalls als unzulässig zu verwerfen. Einen auf einen Restitutionsgrund hindeutenden Sachverhalt habe der Kläger nicht vorgetragen. Er habe auch keine neuen Wiederaufnahmegründe vorgetragen, die er nicht bereits früher hätte geltend machen können.

Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf Verfahrensmängeln.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlangen diese Vorschriften, daß die Nichtzulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.

Eine Zulassung der Revision, um die es in diesem Verfahren vor dem BSG ausschließlich geht, sieht das Gesetz nur noch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG vor. Dabei ist eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob die Vorinstanzen in der Sache richtig entschieden haben, nicht mehr zulässig. Im Hinblick auf diese Einschränkung hat der Beschwerdeführer keine Gründe schlüssig vorgetragen, die eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG rechtfertigen.

Der Vorwurf der Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 106 SGG durch das LSG dadurch, daß es den Kläger nicht auf die Möglichkeit der Ablehnung des Vorsitzenden Richters am LSG H. … wegen Besorgnis der Befangenheit aufgrund einer – vom Kläger behaupteten – Äußerung im früheren Verfahren vor dem LSG L 3 U 183/95 – hinwies, kann hier nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Beschwerdeführer hat eine diesbezügliche Verletzung des § 106 SGG nicht schlüssig vorgetragen. Dazu hätte insbesondere die Darlegung gehört, daß im Hinblick auf einen Hinweis zum möglichen Antrag auf Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 SGG, § 42 ZPO eine nach § 106 SGG gebotene Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem Kläger bestand, die verletzt wurde. Hierbei wäre entsprechend dem Zweck der Regelung des § 106 SGG darzulegen gewesen, daß es sich beim Kläger um einen prozessual unbeholfenen und unerfahrenen Beteiligten handelte, der, obwohl er im vorherigen Wiederaufnahmeverfahren L 3 U 183/95 im Schriftsatz vom 23. Mai 1995 umfangreiche Ausführungen über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen gemäß §§ 41 ff ZPO machte und als Nichtigkeitsgrund gemäß § 579 Abs 1 Nr 3 ZPO eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ausführlich geltend gemacht hatte, noch eines entsprechenden Hinweises des Gerichts im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht bedurfte. Allein die Behauptung durch die unterlassene Befragung des Klägers, ob seine Äußerung als Befangenheitsantrag gewertet werden soll und eine unterbliebene entsprechende Anfrage an den Vorsitzenden Richter H. … reichen für die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags des behaupteten Verfahrensmangels der Verletzung der Hinweispflicht nach § 106 SGG nicht aus.

Soweit der Kläger geltend macht, daß dem Tatbestand des § 551 Nr 3 ZPO der Fall, daß eine Ablehnungsentscheidung mangels Hinweises des Gerichts nicht herbeigeführt wurde, gleichgestellt werden müsse, bezeichnet er keinen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Denn § 551 Nr 3 ZPO verlangt, daß der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt wurde. Daß der Richter hätte erfolgreich abgelehnt werden können oder die Selbstablehnung hätte erklären müssen, ohne, daß dies geschehen ist, genügt nicht als Revisionsgrund (vgl Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl, § 551 ZPO, RdNr 6 mwN).

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, daß sich die Zulässigkeit der Wiederaufnahme doch aus § 179 SGG iVm § 579 Abs 1 Nr 3 ZPO ergebe, und somit das LSG nicht richtig entschieden habe, kann dies nicht zur Zulassung der Beschwerde führen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist es nicht, ob das LSG die Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 sowie Beschlüsse des Senats vom 21. März 1994 – 2 BU 14/94 -und vom 16. Januar 1995 – 2 BU 213/94 –). Das gleiche gilt für den Vorwurf, das LSG habe nicht richtig entschieden, weil sich die Wiederaufnahme des Verfahrens auch auf die Nichtigkeitsklage gemäß § 179 SGG iVm § 579 Abs 1 Nr 3 ZPO gestützt habe. Maßgeblich für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers ist dabei die materiell-rechtliche Auffassung des LSG (vgl Krasney/Udsching, aaO, RdNr 90 mwN).

Auch die Rüge, das LSG habe über den Antrag des Klägers, das rechtskräftige Urteil des LSG vom 2. November 1982 – L 3 U 67/82 – im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens aufzuheben, nicht entschieden, ist unschlüssig. Denn das LSG kam, weil es bereits die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich beider im Tatbestand aufgeführten Verfahren vor dem LSG für unzulässig hielt, überhaupt nicht zur Prüfung der Begründetheit der Wiederaufnahme bezüglich der Entscheidung des LSG im Rechtsstreit L 3 U 67/82. Es fehlt demnach bereits an hinreichenden Ausführungen der Beschwerdebegründung zum Kausalitätserfordernis des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, daß die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann.

Der Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG) durch das LSG kann hier nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn aus der Beschwerdebegründung ist nicht ersichtlich, welches möglicherweise entscheidungserhebliche Vorbringen des Klägers zu § 1247 der Reichsversicherungsordnung aF durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden sei. Dazu trägt der Beschwerdeführer nichts vor. Für die Schlüssigkeit des Vortrags reicht die Rüge allein nicht aus, das angefochtene Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Soweit eine angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs in einem der Verfahren gerügt wird, deren Wiederaufnahme begehrt wird, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen; denn es kommen grundsätzlich nur Mängel des Verfahrens vor dem LSG in Betracht, gegen dessen Entscheidung sich die Beschwerde der Nichtzulassung der Revision richtet (vgl Krasney/Udsching, aaO, RdNr 89). Daß der eventuelle Verfahrensmangel im früheren Verfahren etwa im späteren Prozeß fortgewirkt haben soll, wird nicht vorgetragen.

Im übrigen ist der Vortrag des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang unverständlich, es sei damit ein Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs 1 Nr 4 ZPO geltend gemacht worden. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise eine nicht dem Gesetz entsprechende Vertretung des Klägers in dem Verfahren, das wiederaufgenommen werden soll, überhaupt in Frage kommen kann.

Auch der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel, daß vom LSG nach Vorlage des Schreibens der Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA) vom 21. Februar 1996 bezüglich der Folgen einer Schädel-Hirn-Verletzung der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt worden sei und das LSG damit gegen die Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG verstoßen habe, führt nicht zur Zulassung der Revision. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (richterliche Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer überhaupt einen Beweisantrag gestellt hat. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zu diesem Kausalitätserfordernis enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen. Dazu wäre schlüssig vorzutragen gewesen, warum das LSG trotz der seiner Ansicht nach vorliegenden Unzulässigkeit der Wiederaufnahmeklage das abgeschlossene frühere Verfahren durch weitere Ermittlungen des dort streitigen Sachverhalts hätte fortsetzen müssen und ob die damalige Entscheidung anders ausgefallen wäre.

Mit dem weiteren Vortrag des Klägers, das Schreiben der LVA stelle entgegen der Ansicht des LSG doch eine Urkunde iS des § 580 Nr 7b ZPO dar, wird wiederum gerügt, das LSG habe über die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht richtig entschieden, weil die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage aufgrund des § 580 Nr 7b ZPO – nach Ansicht des Beschwerdeführers – doch gegeben waren. Wie bereits dargelegt, kann die Rüge, das LSG habe nicht richtig entschieden, nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinn, ob die Vorinstanz in der Sache richtig entschieden hat, ist nach den einschränkenden Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht mehr zulässig. Im übrigen betrifft die Rüge des Beschwerdeführers auch die Beweiswürdigung des LSG im Wiederaufnahmeverfahren. Solche die Beweiswürdigung des LSG betreffenden Rügen können nicht zur Zulassung der Revision führen; denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG schließt es ausdrücklich aus, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler in der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, daß ihm entgegen seinem Antrag die begehrte Akteneinsicht verweigert worden sei, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn der behauptete Verfahrensmangel betrifft nach dem Vortrag des Beschwerdeführers das rechtskräftig abgeschlossene frühere Verfahren L 3 U 183/95 und nicht das Verfahren des LSG, dessen Entscheidung hier Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173404

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