Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1997 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Der 1955 geborene Beschwerdeführer hat 1972 eine Lehre als Kaufmannsgehilfe abgeschlossen. Danach arbeitete er mit Unterbrechungen bis 1988 als Glas- und Gebäudereiniger und war zuletzt als Fachvorarbeiter entlohnt worden. Danach war er bis Juli 1993 als Mitarbeiter in der Stahlverpackung eines Unternehmens der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie tätig. Seit August 1994 arbeitet er dort als Gabelstaplerfahrer. Nach einer Venenoperation im Juli 1993 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit (EU/BU), die die Beklagte ablehnte (Bescheid vom 8. August 1994; Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995). Klage und Berufung wegen Gewährung von BU-Rente blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 18. Februar 1997; Urteil des Landessozialgericht ≪LSG≫ vom 10. November 1997).
Nach Auffassung des LSG ist der Kläger nicht berufsunfähig. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung könne er zumindest noch leichte bis gelegentlich schwere Arbeiten, im Wechsel von Sitzen, Stehen, Gehen, mit gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen, im Freien, ohne Gefährdung durch Hitze, in Wechsel- und Nachschicht sowie unter besonderem Zeitdruck, vollschichtig verrichten. Von dem früher ausgeübten Beruf als Glas- und Gebäudereiniger habe er sich aus anderen als gesundheitlichen Gründen gelöst. Die danach ausgeübte Tätigkeit als Stahlverpacker sei als angelernte Tätigkeit – unterer Bereich – anzusehen. Der Kläger könne zwar nicht mehr in dem Beruf als Stahlverpacker tätig sein. Mit seinem Restleistungsvermögen sei er aber auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und könne dort zB noch eine Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer verrichten, wie er dies zZ auch noch tue.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensfehler geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der drei abschließend in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Zulassungsgründe vorliegt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtenen Entscheidung beruhen kann (Nr 3). In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das ist hier nicht geschehen.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muß daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muß ein Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1.) eine konkrete Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine sog Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 59 und 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Es fehlt bereits an der Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage. Der Beschwerdeführer kritisiert lediglich, daß das LSG bei der Einstufung des bisherigen Berufs nicht die Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger für maßgeblich gehalten habe, sondern von der später ausgeübten und geringer eingestuften Tätigkeit als Stahlverpacker bzw Gabelstaplerfahrer ausgegangen sei; eine Aufgabe des Berufes könne auch dann erfolgen, wenn die Leistungseinbuße noch nicht sogleich die BU bedinge, sondern dieses Ausmaß erst später erreiche. Selbst wenn man in diesem Vorbringen die Bezeichnung einer Rechtsfrage in dem Sinne erblicken wollte, welche Tätigkeit bei einem längeren Geschehensablauf von der ersten Erkrankung bis zum Eintreten des Versicherungsfalles als bisheriger Beruf zugrunde zu legen ist, so fehlt es an Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage.
Zur Klärungsbedürftigkeit hätte der Beschwerdeführer unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG vortragen müssen, daß das BSG zu der bezeichneten Rechtsfrage noch keine Entscheidung gefällt oder durch schon vorliegende Urteile die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abstrakt noch nicht abschließend beantwortet habe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6). Der Beschwerdeführer hat sich aber mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen der BU/EU (vgl zB zuletzt BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 mwN) nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht dargelegt, warum im vorliegenden Fall eine Beurteilung anhand der durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien nicht möglich sei. Er behauptet nicht einmal, daß es einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht gebe.
Der Nichtzulassungsbeschwerde mangelt es außerdem an Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der ggf aufgeworfenen Rechtsfrage. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; BFHE 105, 335, 336). Über die bezeichnete Rechtsfrage müßte das Revisionsgericht also – in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit – konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 39 und 53 und § 160a Nr 31; BVerwG Buchholz 310 § 75 VwGO Nr 11; BFHE 96, 41, 44). Das bedeutet, daß ein Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses und damit insbesondere den Schritt darzustellen hat, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Auch hierzu fehlen in der Beschwerdebegründung die dazu erforderlichen Ausführungen.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob vom Beschwerdeführer – was ebenfalls zweifelhaft ist – hinreichende Ausführungen zur sog Breitenwirkung gemacht worden sind.
Daß die Entscheidung des LSG, wie der Beschwerdeführer offenbar meint, ggf in der Sache unrichtig ist, vermag die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen; denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Im Rahmen des Vortrags zur grundsätzlichen Bedeutung rügt der Beschwerdeführer ausdrücklich auch eine Divergenz.
Divergenz bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder, anders ausgedrückt, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl BAG AP Nr 11 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz; Hennig in Hennig, SGG, Stand: Juli 1997, § 160 RdNr 99; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, RdNrn 81 ff; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 163 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 160 RdNr 13). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Anders gewendet: Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Bezogen auf die Darlegungspflicht für eine Divergenzrüge bedeutet das: Die Beschwerdebegründung muß erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz im angezogenen höchstrichterlichen Urteil enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu in Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29 und 67). Daran fehlt es hier.
Den Ausführungen des Beschwerdeführers könnte entnommen werden, daß er der Entscheidung des BSG vom 2. Dezember 1964 (4 RJ 225/63) einen Rechtssatz entnimmt, wonach BU auch eintrete, wenn die Leistungseinbuße noch nicht sogleich die BU bedinge, sondern dieses Ausmaß erst später erreicht werde. Der Beschwerdeführer wendet sich in diesem Zusammenhang dagegen, daß das LSG hingegen nicht die Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger für maßgeblich gehalten habe, sondern die des Stahlverpackers und Gabelstaplerfahrers, und rügt damit im Grunde dasselbe wie im Rahmen der grundsätzlichen Bedeutung. Diesen Ausführungen ist indes nicht zu entnehmen, welcher im Urteil des LSG enthaltene (abstrakte) Rechtssatz einem (abstrakten) Rechtssatz in der vorerwähnten BSG-Entscheidung entgegenstehen solle. Vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer wiederum nur gegen die inhaltliche Richtigkeit des LSG-Urteils.
Schließlich rügt der Beschwerdeführer Verfahrensverstöße, insbesondere gegen die Sachaufklärungspflicht des LSG und gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher wesentlicher Verfahrensmangel ist vom Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Weise dargetan worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Im Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), wie sie hier geltend gemacht wird, ist der Darlegungspflicht nur genügt, wenn der Beschwerdeführer folgende Punkte aufzeigt: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweiserhebung, (4) Schilderung, daß und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 5, 35 und 45 sowie § 160a Nrn 24 und 34).
Vorliegend fehlt es bereits an der Bezeichnung eines Beweisantrages, den das LSG übersehen haben könnte. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist ein solcher weder in den Urteilsgründen noch im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem LSG enthalten. In dem Hinweis auf die Entlohnung des Klägers als Glas- und Gebäudereiniger liegt nicht die Stellung des ordnungsgemäßen Beweisantrags. Auch eine Äußerung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor der LSG ist kein solcher Antrag.
Außerdem rügt der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG), indem er geltend macht, das LSG habe insofern eine Überraschungsentscheidung getroffen, als es sein Urteil auf andere Gründe als das SG-Urteil gestellt habe, insbesondere hinsichtlich der Einstufung des bisherigen Berufes und einer Lösung von dem bisherigen Beruf.
Eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verlangt ua das Vorbringen, daß der Kläger keine Gelegenheit gehabt hat, sich zu allen Tatsachen zu äußern, die der Entscheidung zugrunde gelegt worden sind. Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht.
Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Rüge ist darüber hinaus, daß der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 62 RdNr 11c). Das rechtliche Gehör wird im sozialgerichtlichen Verfahren in erster Linie in der mündlichen Verhandlung gewährt. Der Kläger war insoweit nicht gehindert, durch seinen Prozeßbevollmächtigten alles vortragen zu lassen, was ihm wesentlich erschien. Dazu hätte im vorliegenden Fall ggf die Stellung eines Beweisantrages gehört. Zielt nämlich ein Vortrag ausschließlich auf eine weitere Beweiserhebung, so hat ein anwaltlich vertretener Beschwerdeführer nur dann alles getan, um die Berücksichtigung seines Vorbringens zu sichern, wenn er auch einen prozeßordnungsgemäßen Beweisantrag stellt (vgl auch BSG, Beschluß vom 28. Juli 1992 – 2 BU 37/92 –; Senatsbeschluß vom 18. Juli 1995 – 13 BJ 35/95 –; Senatsentscheidung vom 20. Januar 1998 – B 13 RJ 207/97 B –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Beschwerdeführer hat aber nach seinem Beschwerdevorbringen insbesondere keinen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens zu den Gründen der Aufgabe des Berufs als Glas- und Gebäudereinigers gestellt oder zur Bewertung diese Berufs oder des Berufs als Stahlverpacker, obwohl ihm dies möglich war. Für eine gleichwohl zulässige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre es deshalb erforderlich gewesen darzutun, daß der Prozeßbevollmächtigte durch das Gericht daran gehindert worden sei, entsprechende Anträge zu stellen. Entsprechende Ausführungen fehlen in der Beschwerdebegründung jedoch gänzlich.
Im übrigen fehlt es weiter an einer konkreten Darlegung, welcher Vortrag durch die angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs unterblieben sei, und an der Begründung, inwiefern dieser Vortrag für die Entscheidung des LSG hätte bedeutsam werden können.
Entspricht die Begründung der Beschwerde sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde – ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter – in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen