Verfahrensgang

LSG Hamburg (Beschluss vom 15.08.2017; Aktenzeichen L 3 SB 3/14)

SG Hamburg (Entscheidung vom 03.09.2013; Aktenzeichen S 59 SB 617/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. August 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihres Grads der Behinderung (GdB) von 60 auf 40.

Bei der Klägerin wurde im März 2004 wegen einer Krebserkrankung und einer Magenoperation ein GdB von 60 festgestellt.

Im Jahr 2009 senkte die Beklagte den GdB nach Ablauf der Heilungsbewährung der Krebserkrankung auf 40 ab (Bescheid vom 22.12.2009; Widerspruchsbescheid vom 2.11.2010).

Klage und Berufung der Klägerin blieben nach mehrfacher sachverständiger Begutachtung - darunter auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG - ohne Erfolg. Das LSG hat ausgeführt, der GdB sei trotz Hinzutretens einer seelischen Behinderung nur noch mit 40 einzuschätzen. Dies habe auch der auf Antrag der Klägerin gehörte Gutachter bestätigt (Beschluss vom 15.8.2017).

Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin, das LSG sei ihren Beweisanträgen auf Einholung weiterer Gutachten durch Fachärzte ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend macht, muss ua darlegen, warum dem LSG bestimmte Tatfragen weiter als klärungsbedürftig hätten erscheinen und es zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Hat das Gericht bereits Beweis durch Sachverständige erhoben, so ist es nach § 103 SGG zu weiteren Ermittlungen in der Regel nur verpflichtet, wenn das Gutachten, das als Entscheidungsgrundlage dienen soll, bedeutsame Mängel aufweist (vgl hierzu zB BSGE 1, 91), wenn die in verschiedenen Gutachten enthaltenen, sich widersprechenden Schlussfolgerungen auf miteinander unvereinbaren tatsächlichen Feststellungen beruhen (vgl BSG SozR 1500 § 103 Nr 24) oder begründete Zweifel an der Sachkunde der gehörten Gutachter bestehen (vgl BSG Beschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13 mwN).

Solche konkreten Mängel zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Klägerin wendet gegen die vorliegenden Gutachten ein, dem auf ihren Antrag nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen hätten als Allgemeinmediziner die erforderlichen Fachkenntnisse auf dem Gebiet der inneren Medizin und der Orthopädie gefehlt. Deshalb habe er ihren Gesundheitszustand nicht sachgerecht, nachvollziehbar und widerspruchsfrei beurteilen können. Dies wäre nur für einen Facharzt möglich gewesen. Auch die von Amts wegen gehörte Neurologin und Psychiaterin habe lediglich die Gesundheitsstörungen auf deren Fachgebiet sachkundig beurteilen können.

Warum die dem LSG vorliegenden Sachverständigengutachten deshalb aber fehlerhaft und widersprüchlich gewesen sein sollten, legt sie damit ebenso wenig substantiiert dar wie Zweifel an der Sachkunde der Gutachter. Konkrete Mängel oder Widersprüche der Gutachten zeigt die Beschwerde nicht auf. Anders als die Beschwerde offenbar annimmt, gibt es auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach im Sozialgerichtsprozess allein ein spezieller Facharzt Erkrankungen eines bestimmten medizinischen Fachgebiets sachkundig begutachten könnte (BSG Beschluss vom 12.5.2016 - B 9 SB 101/15 B - Juris RdNr 8). Im Verfahren über die Feststellung der Schwerbehinderung spielen häufig Gesundheitsstörungen eine Rolle, die verschiedene Funktionssysteme im Sinne von Teil A Nr 2e Anlage VersMedV (in der Fassung vom 23.12.2016) und damit gleichzeitig verschiedene medizinische Fachgebiete betreffen. Nicht für jedes betroffene Gebiet kann mit vertretbarem Aufwand ein spezieller Facharzt als Sachverständiger bemüht werden. Gerade das Zusammenspiel der Gesundheitsstörungen auf verschiedenen Gebieten zu beurteilen wird zudem oftmals in der besonderen Kompetenz des Allgemein- und insbesondere des Sozialmediziners als medizinischem Generalisten liegen. Schließlich verfügen auch Ärzte für Neurologie und Psychiatrie über eine medizinische Grundausbildung und können deshalb das Zusammenspiel verschiedener Gesundheitsstörungen nach den allgemeinen fachlichen Anforderungen gutachterlicher Tätigkeit beurteilen. Diese verlangen besondere Kenntnisse über ursächliche Faktoren von Gesundheitsstörungen, über die Auswirkungen von Behinderungen und über die für die Begutachtung wichtigen rechtlichen und versorgungsmedizinischen Begriffe (vgl Teil A Nr 2 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008), nicht jedoch eine Spezialisierung als Facharzt auf dem Gebiet der zu begutachtenden Gesundheitsstörung.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11829369

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