Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 10.03.2016; Aktenzeichen S 16 R 1008/14) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.07.2018; Aktenzeichen L 4 R 167/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung eines Teils der laufenden monatlichen Altersrente des Klägers, die er von der Beklagten bezieht, mit einer Beitragsschuld aus Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Nebenforderungen iH von 6600,16 Euro gegenüber der beigeladenen Krankenkasse.
Der Kläger war Inhaber einer privaten Handelsschule und Arbeitgeber eines ehemaligen Mitglieds der Beigeladenen. Aus dem Beschäftigungsverhältnis resultieren Beitragsrückstände zur Sozialversicherung für die Zeit von April 2013 bis Juli 2013. Im Mai 2013 ordnete das Amtsgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 1.8.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.
Ebenfalls im August 2013 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung mit der Altersrente des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt iH von monatlich 839,97 Euro von der Beklagten zur Auszahlung gebracht wurde. Mit einem weiteren Schreiben - an den Insolvenzverwalter gerichtet - meldete die Beigeladene die eingangs benannte Beitragsforderung für ihr Mitglied in dem Insolvenzverfahren an und bat diese in die Tabelle einzutragen. Zugleich beantragte sie bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Zahlung von Insolvenzgeld. Die BA kam dem Antrag nach und brachte 4779,78 Euro zur Auszahlung.
Nach Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Verrechnung legte er der Beklagten eine Bedarfsberechnung der zuständigen Kreisverwaltung vor, aus der sich ergab, dass sein Einkommen und das seiner Ehefrau den festgestellten Regelbedarf nach dem SGB XII um 893,97 Euro überschreite. Durch Bescheid vom 24.10.2013 erkannte die Beklagte auf die von der Beigeladenen begehrte Verrechnung und stellte nach Ermessensausübung als angemessen einen von der Altersrente zu diesem Zweck einzubehaltenden Betrag iH von 266,97 Euro monatlich fest. Im Widerspruchsverfahren blieb der Kläger erfolglos.
Der dagegen erhobenen Klage hat das SG stattgegeben. Im Kern ist das SG davon ausgegangen, dass der Kläger nachgewiesen habe, durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII zu werden. Die Bedarfsberechnung der Kreisverwaltung sei unzutreffend, denn es seien dieser nicht - wie geschehen - die angemessenen, sondern die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen (Urteil vom 10.3.2016).
Das LSG hat dieses Urteil aufgehoben und die Rechtsauffassung von Beklagter und Beigeladener bestätigt. Es ist von einer Verrechnungslage ausgegangen, denn der Anspruch auf die Altersrente und die Gegenforderung seien einredefrei und fällig. Es seien keine Widersprüche gegen die Bescheide erhoben worden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers schlösse die Verrechnung nicht aus. Die Altersrente sei nicht insolvenzbefangen, denn sie unterschreite die Pfändungsfreigrenze. Der im Verrechnungsbescheid festgelegte Betrag betreffe daher nur den unpfändbaren Teil des Vermögens des Klägers und sei damit von vornherein dem Zugriff der Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse entzogen. Sonstige insolvenzrechtliche Einwände des Klägers griffen nicht durch. Der Eintritt einer Insolvenz hebe nach der Konzeption der §§ 95 und 96 Abs 1 Nr 1 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit jedenfalls dann nicht auf, wenn vor Insolvenzeintritt schon eine Aufrechnungslage bestanden habe. Dies sei hier der Fall. Die Aufrechnungslage habe bereits seit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge bestanden. Der Antrag und die Zahlung des Insolvenzgeldes stelle keinen Hinderungsgrund für die Verrechnung dar. Auch sei die Bedarfsberechnung der Kreisverwaltung entgegen der Auffassung des SG nicht unzutreffend. Selbst wenn jedoch die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt würden, trete keine Hilfebedürftigkeit des Klägers durch die Verrechnung ein. Denn auch dann überstiegen das Gesamteinkommen des Klägers und seiner Ehefrau den sozialhilferechtlichen Bedarf immer noch um 434,97 Euro (Urteil vom 11.7.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend. Ferner rügt er ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 9.10.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargetan.
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG vom 3.12.2019 - B 5 R 132/19 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG Beschluss vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Um die Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen, muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenkreis noch keine Entscheidung getroffen hat bzw dass sich aus der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für dessen Beantwortung ergeben (vgl Beschluss des BSG vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 15.8.2019 - B 9 SB 23/19 B - Juris RdNr 9).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger formuliert bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage, die in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig sein könnte. Zwar legt er den der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden Sachverhalt sorgfältig und ausführlich dar. Auch teilt er mit, auf welche Feststellungen das LSG seine Entscheidung gestützt hat. Woraus sich insoweit allerdings eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorhergehenden Ausführungen ergeben sollte, wird in der Beschwerdebegründung nicht dargebracht.
2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl BSG Beschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 4).
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).
Auch diesen Darlegungsanforderungen wird der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Er arbeitet zwar heraus, dass das Urteil des LSG auf der Auffassung beruhe, eine Verrechnung sei während des laufenden Insolvenzverfahrens möglich, wenn bereits vor Insolvenzeintritt eine Aufrechnungslage bestanden habe. Er bringt auch dar, dass das LSG insoweit der Auffassung des BSG in der Entscheidung vom 14.3.2013 (B 13 R 5/11 R - SozR 4-1200 § 51 Nr 1) folge. Allerdings - so seine Begründung - gehe das Berufungsgericht in unzutreffender Weise vom Bestehen einer Aufrechnungslage bereits seit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge aus. Damit legt er jedoch nicht dar, dass das LSG den Kriterien des BSG widersprochen, also eigene - abweichende - rechtliche Maßstäbe entwickelt habe. Das Berufungsgericht ist lediglich - auch nach dem Vorbringen des Klägers - in der konkreten Subsumtion zu einem Ergebnis gelangt, das er für unzutreffend hält. Dies ist jedoch nicht ausreichend zur Begründung einer Divergenzrüge. Der Kläger macht letztlich mit seinem Vorbringen nur die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend (bloße Subsumtionsrüge). Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht hingegen die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 1.10.2019 - B 13 R 360/17 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6).
3. Ein Verfahrensmangel kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Die Beschwerdebegründung beinhaltet keine Darlegungen zu diesen Voraussetzungen.
Der Kläger hat zwar geltend gemacht, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, die von ihm vorgebrachten tatsächlichen Unterkunftskosten zur Grundlage für die Berechnung der Hilfebedürftigkeit zu machen. Er sei mit der Vorlage der Bescheinigung der Kreisverwaltung zu seiner Bedarfslage seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Alles Weitere unterliege der Amtsermittlungspflicht des LSG. Selbst wenn man annehmen wollte, der Kläger habe mit der Vorlage der Bescheinigung der Kreisverwaltung und dem Vorbringen, diese sei im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Unterkunftsaufwendungen unzutreffend, eine weitere Amtsermittlungspflicht des LSG im Sinne einer Warnfunktion ausgelöst, genügt der Kläger gleichwohl nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG.
Er bringt nicht dar, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Amtsermittlung beruhen kann, das LSG mithin bei Berücksichtigung der tatsächlichen Mietaufwendungen ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN). Denn der Kläger führt selber aus, dass das LSG, auch unter Zugrundelegung der höheren Mietzinsverpflichtung, zu dem Ergebnis gelangt sei, dass das Gesamteinkommen der Eheleute den sozialhilferechtlichen Bedarf übersteige und zwar um mehr als den zur Verrechnung einbehaltenen Betrag. Im Kern richten sich die benannten Angriffe des Klägers damit gegen die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils, worauf die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13656406 |