Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz. Verfahrensfehler. Träger der Sozialversicherung. Rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Vertretung durch zugelassene Beschäftigte. Bevollmächtigung. Generalvollmacht. Entscheidungsgründe. Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Träger der Sozialversicherung als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts können sich durch zugelassene Beschäftigte vertreten lassen, deren Bevollmächtigung auf einer Generalvollmacht beruht.
2. Aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht, das Gericht muss darin aber nicht jeden Gesichtspunkt abhandeln.
3. Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Abs. 6, § 128 Abs. 1 S. 2, § 160 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 160a Abs. 4 Sätze 1-2, §§ 169, 202 S. 1; ZPO § 547 Nrn. 4, 6
Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 23.05.2018; Aktenzeichen S 10 KR 430/17) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 17.01.2019; Aktenzeichen L 4 KR 348/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist zwischen den Beteiligten die Höhe der zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) zu zahlenden Beiträge streitig. Der Kläger bezieht seit 1.12.2015 eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie eine Betriebsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Daraufhin teilte ihm die Beklagte zu 1. mit, dass er der Auffang-Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V unterliege und aus der Differenz zwischen monatlicher Rente sowie der Mindestbemessungsgrenze Beiträge zu entrichten seien. Sodann wurden monatliche Beiträge zur GKV und sPV in Höhe von 20,90 Euro ab 1.5.2016 und 14,86 Euro ab 1.7.2016 festgesetzt. Die auf Aufhebung der Beitragserhebung gerichtete Klage hat das SG Augsburg abgewiesen (Urteil vom 23.5.2018). Das Bayerische LSG hat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner seien mangels ausreichender Vorversicherungszeiten nicht erfüllt. Erforderlich seien 7778 Tage. Der Kläger verfüge aber nur über 7135 Tage (Urteil vom 17.1.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Letzteres wird zwar unwiderlegbar vermutet, wenn ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 547 ZPO in Verbindung mit § 202 S 1 SGG vorliegt (BSG Beschluss vom 15.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 32 S 63 f). Ein solcher Revisionsgrund ist vom Kläger aber nicht aufgezeigt worden.
Soweit er die vom LSG akzeptierte Bezugnahme auf eine von den Beklagten erteilte Generalvollmacht beanstandet und damit eine unzureichende Bevollmächtigung nach § 73 Abs 6 SGG rügt, ist nicht deren gesetzeswidrige Vertretung vor dem LSG nach § 547 Nr 4 ZPO dargelegt worden. Denn die Beklagten als Träger der Sozialversicherung und rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts können sich durch nach § 73 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG zugelassene Beschäftigte vertreten lassen, deren Bevollmächtigung auf einer Generalvollmacht beruht (vgl BSG Beschluss vom 26.1.1998 - B 2 U 299/97 B - Juris RdNr 5).
Mit seiner Rüge, das LSG habe die Begründungspflicht verletzt, hat der Kläger auch das Fehlen der Urteilsgründe im Sinne des § 547 Nr 6 ZPO nicht dargetan. Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Aus den Entscheidungsgründen muss daher ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dass dies nicht der Fall wäre oder das angefochtene Urteil überhaupt keine Begründung enthalte, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Soweit der Kläger eine Auseinandersetzung mit einzelnen Argumenten vermisst, übersieht er, dass ein Gericht nicht jeden Gesichtspunkt abhandeln muss (BSG Beschluss vom 27.6.2018 - B 13 R 273/16 B - Juris RdNr 39; BSG Beschluss vom 26.5.2011 - B 11 AL 145/10 B - Juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B - Juris RdNr 10 mwN).
Soweit der Kläger weitere zahlreiche Verfahrensverstöße geltend macht, kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt sämtliche Tatsachen bezeichnet sind, die den jeweiligen Verfahrensmangel ergeben sollen. Jedenfalls hat er nicht aufgezeigt, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf den einzelnen vermeintlichen Verfahrensverstößen beruhen soll. Dass es zumindest bei einem der geltend gemachten Verfahrensfehler zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre (vgl BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 253/13 B - Juris RdNr 12), geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht dargelegt. Er behauptet lediglich einen "Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts", ohne vermeintlich voneinander abweichende Rechtssätze zu benennen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13372339 |