Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.11.2017; Aktenzeichen L 33 R 515/15) |
SG Cottbus (Entscheidung vom 02.06.2015; Aktenzeichen S 5 R 136/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. November 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschlussverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 16.11.2017 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer an die Beigeladene erstatteten Rentennachzahlung nach rückwirkender Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint und die Berufung gegen das Urteil des SG Cottbus zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, einem möglichen Leistungsanspruch des Klägers stehe schon eine vom Kläger nicht angefochtene und deshalb in Bestandskraft erwachsene Entscheidung der Beklagten über die Abrechnung der Nachzahlung entgegen. Die Entscheidung der Beklagten über die Höhe der noch zur Auszahlung kommenden Rente in ihrem Schreiben vom 1.12.2011 sei ein Verwaltungsakt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2017 (eingegangen am selben Tag) fristgerecht Beschwerde zum BSG eingelegt. Das Urteil vom 16.11.2017 war dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 23.11.2017 zugestellt worden. Die Beschwerde ist mit Schreiben vom 25.2.2018 (eingegangen am 28.2.2018) durch die zu diesem Zeitpunkt zur Vertreterin nach § 161 BRAO bestellten Rechtsanwältin H. (nach Fristverlängerung) auch fristgerecht begründet worden. Der Kläger macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil keiner der im Gesetz abschließend umschriebenen Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 SGG) ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt als Rechtsfrage vor, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst:
"Handelt es sich bei einem Abrechnungsschreiben der Rentenversicherung über einbehaltene und übergegangene Ansprüche Dritter in bezug auf eine Rentennachzahlung aufgrund der §§ 103, 104 SGB X um einen Verwaltungsakt iSd § 31 SGB X?"
Zur Begründung führt der Kläger aus, das BSG habe bislang keine Entscheidung zu der Verwaltungsaktqualität eines Abrechnungsschreibens und der Mitteilung des Einbehaltes der Rente vorbehaltlich der Abrechnung übergegangener Ansprüche der Rentenversicherung nach § 31 SGB X getroffen. Der Kläger verweist auf insgesamt drei Urteile des BSG, die zur Klärung nicht herangezogen werden könnten. Die Antwort ergebe sich auch nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. Es bestünden divergierende Auffassungen der Landessozialgerichte.
Es kann offen bleiben, ob der Kläger mit der von ihm aufgeworfenen Frage eine abstraktgenerelle Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) hinreichend formuliert hat. Der Kläger hat jedenfalls schon die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend begründet. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage sogar dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Eine diesen Anforderungen genügende Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung findet in der Beschwerdebegründung nicht statt. Allein die Feststellung des Klägers, eine Vergleichbarkeit der durch das BSG mit Urteil vom 11.5.2011 (B 5 R 8/10 R - BSGE 108, 152 = SozR 4-5050 § 31 Nr 1) und mit Urteil vom 20.7.2005 (B 13 RJ 17/04 R - SozR 4-2600 § 315a Nr 2) entschiedenen Sachverhalte sei "mit der vorliegenden Konstellation nicht gegeben", genügt ohne weitere erläuternde Ausführungen ebenso wenig wie der knappe Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24.10.2013 (B 13 R 31/12 R) mit dem Zusatz "diese Fallkonstellation liegt aber hier nicht vor". Ob ein Versicherter ein Schreiben der Beklagten als bloße Mitteilung oder nach dem von der Beklagten darin zum Ausdruck gebrachten Willen als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X verstehen musste, ist nach seiner Form, Wortlaut und Inhalt aus dem "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten auszulegen (vgl BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 47 RdNr 17). Auch mit der dazu ergangenen weiteren Rechtsprechung des BSG zum Regelungscharakter von Verwaltungsentscheidungen über die Nichtauszahlung von Sozialversicherungsleistungen hat sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht befasst (vgl BSG Urteil vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R - SozR 3-2600 § 93 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 3.4.2003 - B 13 RJ 39/02 R - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1, RdNr 21 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 13.12.2001 - B 13 RJ 67/99 R - BSGE 89, 111 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1).
Die Ausführungen des Klägers zu zwei Entscheidungen des Sächsischen LSG (Urteil vom 15.3.2016 - L 5 R 463/13) und des Bayerischen LSG (Urteil vom 27.6.2017 - L 13 R 171/15) reichen ebenfalls nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung der Sache hinreichend darzulegen. Selbst wenn die vom Kläger zitierten Entscheidungen jeweils zu in ihren Inhalten vergleichbaren Schreiben der Beklagten ergangen sein sollten, würde es an der Klärungsbedürftigkeit fehlen, wenn widersprüchliche Entscheidungen von Vorinstanzen auf einen Rechtsirrtum im Einzelfall zurückzuführen sind (vgl BSG Beschluss vom 28.11.2001 - B 11 AL 210/01 B - Juris RdNr 3). Ob dies bei der zitierten LSG-Rechtsprechung der Fall ist, kann der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht entnommen werden.
Soweit der Kläger zudem geltend macht, das BSG habe bislang auch keine Entscheidung zu "der Mitteilung des Einbehaltes der Rente vorbehaltlich der Abrechnung übergegangener Ansprüche der Rentenversicherung" nach § 31 SGB X getroffen, fehlt es bereits an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich revisibler Normen (vgl § 162 SGG), die der Senat mit "Ja" oder "Nein" beantworten könnte, was grundsätzlich erforderlich ist (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7 sowie BAG Beschluss vom 23.1.2007 - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52 RdNr 5 f). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag eines Beschwerdeführers darauf zu analysieren, ob sich ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, da diese nicht zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beitragen könnte (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11773875 |