Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 15.01.2018; Aktenzeichen L 14 R 5201/16)

SG Würzburg (Entscheidung vom 25.10.2016; Aktenzeichen S 6 R 793/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Betriebsprüfung und einer Zwangsgeldandrohung. Nachdem die klagende GmbH 2011/2012 als Arbeitgeberin für den Zeitraum Dezember 2005 bis Dezember 2009 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen geprüft worden war und 2014 ihren Sitz von Siegen nach Alzenau verlegt hatte, ordnete die beklagte DRV Bund für den 13.4.2015 eine den Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2013 betreffende Betriebsprüfung an. Für den Fall, dass die Betriebsprüfung nicht ermöglicht und geduldet würde, wurde ein Zwangsgeld von 1000 Euro angedroht (Bescheid vom 26.3.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.8.2015). Das SG Würzburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.10.2016). Das Bayerische LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Vorschriften des § 125 SGB VI und § 28p SGB IV über die Aufgaben und örtliche Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger seien mit höherrangigem Recht vereinbar (Beschluss vom 15.1.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Die Klägerin hat folgende Fragen aufgeworfen:

"Ist für eine Betriebsprüfung im SGB IV und/oder SGB VI (§ 28p SGB IV und § 125 SGB VI) iVm. der so genannten Betriebsnummernregelung der Träger der Deutschen Rentenversicherung eine wirksame und ausreichende Zuständigkeitsregelung vorhanden?

Dazu stellen sich praktisch folgende Unterfragen:

Bezieht sich die Ermächtigung in § 28p Abs. 2 auch auf Abs. 1 SGB IV?

Ist die Betriebsnummernregelung mit dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes vereinbar, ausreichend bestimmt, allgemein bekannt bzw. im dafür vorgesehenen Verfahren bekannt gegeben worden und für jeden Einzelfall richtig anwendbar?

Genügt es, wenn an der so genannten Betriebsnummernregelung nur die DRV Bund und die Regionalträger der DRV beteiligt waren?"

Es kann dahingestellt bleiben, ob damit schon keine Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden sind. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Jedenfalls sind die weiteren Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Darlegung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage nicht erfüllt.

Hinsichtlich der beiden zuerst aufgeworfenen Fragen ist die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend aufgezeigt worden. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, dh sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 und BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17) oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Bei der insoweit gebotenen Aufarbeitung der rechtlichen Problematik (BSG Beschluss vom 2.9.2008 - B 2 U 196/07 B - Juris RdNr 5) hat sich die Beschwerde mit dem fraglichen Gesetz, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien auseinanderzusetzen (vgl BSG Beschluss vom 20.6.2013 - B 5 R 462/12 B - BeckRS 2013, 70651 RdNr 10). Daran fehlt es hier.

Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen, mindestens alle vier Jahre. Träger der Rentenversicherung sind die in § 125 SGB VI bezeichneten Regional- und Bundesträger. Da ein Arbeitgeber jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen ist, haben sie sich darüber abzustimmen, welche Arbeitgeber sie prüfen (§ 28p Abs 2 S 2 SGB IV). Weshalb sich aus dem Zusammenspiel dieser Regelungen nicht die Zuständigkeit des zur Prüfung eines bestimmten Arbeitgebers konkret berufenen Rentenversicherungsträgers ergeben soll, macht die Beschwerde nicht deutlich. Hinreichend auseinandergesetzt hat sich die Klägerin auch nicht mit dem von ihr als klärungsbedürftig bezeichneten Verhältnis zwischen Abs 1 und 2 des § 28p SGB IV. § 28p Abs 2 SGB IV regelt einerseits die Abstimmung der "Träger der Rentenversicherung" untereinander und andererseits die örtliche Zuständigkeit für den "Bereich der Regionalträger". Aus welchen Gründen sich aus dieser normativen Differenzierung zwischen dem "Träger der Rentenversicherung" und dem "Bereich der Regionalträger" keine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zu § 28p Abs 1 S 1 SGB IV, der ebenfalls vom "Träger der Rentenversicherung" spricht, ableiten lassen soll, ist ebenfalls nicht dargetan.

In Bezug auf die beiden anderen aufgeworfenen Fragen mangelt es an einer gebotenen Darlegung zu deren Klärungsfähigkeit. Grundsätzliche Bedeutung für eine Zulassung der Revision kann nur solchen Fragen zukommen, zu deren Klärung das Revisionsgericht berufen ist. Die als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage muss eine der Entscheidung des Revisionsgerichts zugängliche Vorschrift betreffen. Denn nach § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen betreffen eine Betriebsnummernregelung. Welche normative Qualität die Betriebsnummernregelung hat und dass sie revisibel sein soll, ist vorliegend nicht dargetan.

b) Soweit die Klägerin die weiteren Fragen

"Folgt aus der Rechtswidrigkeit sämtlicher Wahlgesetze die Rechtswidrigkeit der Gesetze (und damit auch der Sozialgesetzbücher) des jeweils so zusammengetretenen Bundestages?"

und

"Besteht ein Abwehrrecht gegen eine Betriebsprüfung bei einem Arbeitgeber, wenn die anvisierte Betriebsprüfung laut eigener Ankündigung nicht die Fortgeltung des Arbeitsgesetzbuches der DDR und des Kontrollratsgesetzes Nr. 35 einbezieht? Fehlt für eine solcherart beabsichtigte Betriebsprüfung der Sozialverwaltung das Rechtsschutzbedürfnis / die Ermächtigungsgrundlage? Darf die Sozialverwaltung arbeitsrechtlich relevante Sachverhalte prüfen und mit sozialbeitragsrechtlicher Konsequenz entscheiden?"

aufwirft, sind - wie bereits ausgeführt wurde - notwendige bestimmte, aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zu konkreten revisiblen Normen des Bundesrechts nicht bezeichnet worden.

Ungeachtet dessen macht die Beschwerdebegründung auch nicht deutlich, durch welche rechtswidrigen Wahlgesetze welche konkreten für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblichen Vorschriften der einzelnen Sozialgesetzbücher nicht wirksam sein sollen. Hinsichtlich der Prüf- und Entscheidungskompetenz fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit den insoweit einschlägigen Vorschriften des SGB IV und SGB X.

c) Schließlich hat die Klägerin folgende Frage aufgeworfen:

"Existiert überhaupt eine so genannte Betriebsnummernregelung der Träger der Rentenversicherung?"

Auch insoweit ist - wie bereits zu a) ausgeführt wurde - die erforderliche Revisibilität einer Betriebsnummernregelung nicht dargetan.

2. Einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, hat die Klägerin ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet.

a) Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Dass die nach dem Beschwerdevorbringen mit Schriftsätzen vom 19.12.2016 und 18.5.2017 gestellten Beweisanträge bis zuletzt aufrechterhalten worden seien, ist allerdings nicht dargetan.

b) Auch die Rüge der Klägerin, das LSG habe ihr Vorbringen nicht berücksichtigt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) verletzt, ist nicht hinreichend aufgezeigt worden. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Prozessgericht hat jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12463478

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