Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Sozialversicherungsfreiheit. Statusfeststellungsverfahren. Abhängige Beschäftigung. Selbständige Tätigkeit. Dreiecksverhältnis. IT-Beratungsunternehmen. Dienstleistungsunternehmen. Arbeitgeber. Auftraggeber. Arbeitnehmer. Auftragnehmer. Kunde
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Rechtsbeziehungen in einem Dreiecksverhältnis zwischen einem IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen als Arbeitgeber/Auftraggeber, einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer sowie einem Kunden des Unternehmens, für den der Arbeitnehmer/Auftragnehmer tätig ist, sind unter Berücksichtigung der für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit generell geltenden Prüfungsmaßstäbe sind nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Auftraggeber und einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer, sondern sämtliche Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens konkret zu beurteilenden „projektbezogenen Einsatz” eines IT-Dienstleisters prägen.
2. Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit bestimmt sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen.
3. Die statusrechtliche Zuordnung setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.
4. Bei einem deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegenden und Eigenvorsorge zulassenden vereinbarten Honorar handelt es sich zwar um ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, zugleich aber nur um eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien handele.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der Beigeladene zu 1. als IT-(SAP-) Berater der klagenden AG wegen seiner vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2009 für einen Kunden der Klägerin verrichteten Tätigkeit aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht (nur noch) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag (Bescheid vom 31.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2013). Das SG Stuttgart hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.6.2016). Das LSG Baden-Württemberg hat die erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Bescheide geändert, das Nichtbestehen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt sowie im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Die konkrete Vertragsbeziehung zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Klägerin spreche für eine Eingliederung in deren Betrieb. Hinter der Einbindung des Beigeladenen zu 1. in ein Projekt, dessen Durchführung die Klägerin dem Kunden geschuldet habe, trete sowohl das Fehlen fachlicher Weisungen als auch die Höhe der Entlohnung zurück. Zwar lege der Stundensatz von 100 Euro eine selbstständige Tätigkeit nahe, doch sei die Vergütung nur eines von vielen bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Indizien (Urteil vom 15.5.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin misst den Fragen, ob
"die Erbringung von IT-Dienstleistungen, soweit sie die Bearbeitung und Lösung von Softwareproblemen mittels eines Ticketsystem und die Konzeption und Umsetzung von Softwarelösungen zum Gegenstand haben, als abhängige Beschäftigung zu werten ist, wenn die Tätigkeit im Rahmen einer Dreier-Vertragskonstellation erbracht wird, der Beigeladene zu 1) also nicht direkt mit dem Endkunden kontrahiert", und
"die vom Bundessozialgericht zur Abgrenzung von abhängiger, zur Versicherungspflicht führender 'Beschäftigung' im Sinne von § 7 SGB IV und nicht versicherungspflichtiger selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze auf den Kreis der 'im Rahmen der Erbringung von IT-Dienstleistungen in Großprojekten in der arbeitsteiligen Welt der IT-Branche' tätigen Personen anwendbar sind",
eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit sind schon keine Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern Subsumtionsvorgänge infrage gestellt worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Ungeachtet dessen ist auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG lässt die Beschwerde aber vermissen. Der Senat hat sich erst jüngst in seinem Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 12/17 R - Juris, vorgesehen für SozR 4-2400 § 7 Nr 34) mit den Rechtsbeziehungen in einem Dreiecksverhältnis zwischen einem IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen als Arbeitgeber/Auftraggeber, einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer sowie einem Kunden des Unternehmens, für den der Arbeitnehmer/Auftragnehmer tätig war, befasst. Danach sind unter Berücksichtigung der für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit generell geltenden Prüfungsmaßstäbe nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Auftraggeber und einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer, sondern sämtliche Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens konkret zu beurteilenden "projektbezogenen Einsatz" eines IT-Dienstleisters prägen. Damit setzt sich die Klägerin aber nicht auseinander. Sie hätte aufzeigen müssen, weshalb sich die aufgeworfenen Fragen nicht anhand des oa Urteils beantworten lassen sollen. Dies gilt umso mehr, als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch am oa Verfahren beteiligt war.
Auch die Klärungsbedürftigkeit der weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Frage
"des Verhältnisses der Gewichtung der in die Gesamtabwägung einfließenden Merkmale, sollten sie überhaupt vorliegen, Eingliederung in die Betriebsorganisation und Honorarhöhe",
ist nicht dargetan. In dem bereits bezeichneten Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 12/17 R - Juris, vorgesehen für SozR 4-2400 § 7 Nr 34) hat der Senat auch auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach sich das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit danach bestimmt, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und die statusrechtliche Zuordnung voraussetzt, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (aaO RdNr 23). In seinem Urteil vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30), auf das die Klägerin selbst Bezug nimmt, hat der Senat entschieden, dass es sich bei einem deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegenden und Eigenvorsorge zulassenden vereinbarten Honorar zwar um ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, zugleich aber nur um eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien handele (aaO RdNr 50). Weshalb trotz dieser Entscheidungen die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig sein soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12550307 |