Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassung wegen Abweichung. Verfügbarkeit bei Ablehnung einer Bildungsmaßnahme
Orientierungssatz
1. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.
2. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfalle, sondern die Nichtübereinstimmung im grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Abweichung.
3. Die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b AFG sind nicht schon immer dann zu verneinen, wenn der Arbeitslose eine einzige Fortbildungsmaßnahme abgelehnt hat.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 2; AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 25.02.1991; Aktenzeichen L 5 Ar 29/90) |
Gründe
Die auf grundsätzliche Bedeutung und Abweichung gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keinen dieser Revisionszulassungsgründe aufgezeigt.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), muß die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht, in der Begründung bezeichnet werden. Dieses Erfordernis ist mit der Berufung auf das in BSG SozR 4100 § 119 Nr 12 veröffentlichte Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 107/78 - noch nicht erfüllt. Abweichung bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder, anders gewendet, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Abweichung liegt also vor, wenn das LSG einen Rechtssatz entwickelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, der dem angezogenen Urteil zugrunde liegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Dieser Widerspruch ist aufzuzeigen. Daran fehlt es hier.
Der Kläger räumt ein, daß das Urteil des LSG dem angezogenen Urteil des Senats entspricht, soweit das LSG geprüft hat, ob die Aufhebung der Arbeitslosenhilfe-Bewilligung sich auf fehlende subjektive Verfügbarkeit des Klägers stützen läßt, nachdem sich ergeben hat, daß entgegen der Annahme der Beklagten der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht nach § 119 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen ist. Die Abweichung sieht der Kläger darin, daß das LSG seinen Einwand, er habe innerhalb der Frist des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG der Arbeitsvermittlung wieder zu Verfügung gestanden, nicht beachtet habe, obwohl in dem angezogenen Urteil des BSG ausgeführt worden sei, daß der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bereits dann wieder entstehen könne, wenn der Arbeitslose innerhalb dieser Frist wieder verfügbar werde und ein entsprechender Einwand des Arbeitslosen erheblich sei. Damit macht der Kläger allenfalls eine Unrichtigkeit des Urteils geltend, weil das LSG seinen Einwand übersehen habe, nicht aber eine Abweichung. Denn Abweichung setzt begrifflich voraus, daß das LSG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Es muß die Rechtsfrage entschieden und darf diese nicht etwa übersehen haben (BVerwG Bucholz 310 § 132 VwGO Nr 147). Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfalle, sondern die Nichtübereinstimmung im grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Abweichung.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), muß in der Begründung der Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgerichts bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muß daher an Hand des anwendbaren Rechts angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und das das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt.
Der Kläger meint, die Frage, ob die subjektive Verfügbarkeit iS des § 103 Abs 1 S 1 Nr 2 AFG schon dann zu verneinen sei, wenn eine Fortbildungsmaßnahme abgelehnt worden ist, sei von grundsätzlicher Bedeutung. Sie sei, soweit ersichtlich, bislang vom BSG noch nicht entschieden worden und außerdem sei davon auszugehen, daß Fälle dieser Art sehr häufig auftreten. Damit entspricht die Beschwerdebegründung nicht den oben geschilderten Anforderungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger überhaupt eine Rechts- und nicht nur eine Beweisfrage aufgeworfen hat. Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln, daß die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b AFG nicht schon immer dann zu verneinen sind, wenn der Arbeitslose eine einzige Fortbildungsmaßnahme abgelehnt hat. Denn die genannte Vorschrift stellt nicht auf die Ablehnung, sondern auf die Bereitschaft des Arbeitslosen ab, an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen. Aber auch wenn die Frage dahin eingegrenzt wird, ob den Tatsachengerichten erlaubt ist, schon auf Grund der Ablehnung einer Fortbildungsmaßnahme den Schluß zu ziehen, daß dem Arbeitslosen die grundsätzliche Bereitschaft fehlt, an zumutbaren Maßnahmen teilzunehmen, ist nicht ersichtlich, weshalb diese Frage klärungsbedürftig ist. Der Kläger hat nicht behauptet, daß Tatsachengerichte über den Einzelfall hinaus, dh häufig davon ausgehen, aus der einmaligen Ablehnung einer Bildungsmaßnahme allein sei auf mangelnde Verfügbarkeit zu schließen. Dafür sind auch keine Anhaltspunkte gegeben. Denn im allgemeinen dürfte es nicht die Tatsache der einmaligen Ablehnung, sondern das allgemeine Verhalten des Arbeitslosen seien, insbesondere die näheren Umstände vor und nach der Ablehnung, etwa das Beharren des Arbeitslosen, nur an Maßnahmen bestimmter Art teilnehmen zu müssen, aus denen Tatsachengerichte den Schluß ziehen werden, dem Arbeitslosen fehle es an der erforderlichen Bereitschaft. Die Behauptung, daß der vorliegende Fall kein Einzelfall sei, sondern sehr häufig auftrete, weil die Tatsacheninstanzen beim Fehlen der Voraussetzungen des § 119 AFG die Aufhebung einer Leistungsbewilligung auf das Fehlen der Verfügbarkeit stützen könnten, zeigt nur eine Rechtslage auf, ergibt aber nicht, daß die vom Kläger angestrebte Entscheidung des Revisionsgerichts über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung besitzt.
Entspricht die Begründung der Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen