Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. Februar 1983 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat mit dem am 5. Mai 1983 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 4. Mai 1983 die zugelassene Revision gegen das seinem Bevollmächtigten am 7. April 1983 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. Februar 1983 eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet. Die Revisionsschrift ist von dem beim Segretariato Regionale NRW Köln des Patronato (dei) Associazioni Christiani Lavoratori Italiani (A.C.L.I.) beschäftigten Sozialsekretär F. D. V. unterzeichnet und ihr eine ua auf diesen Bevollmächtigten lautende schriftliche Prozeßvollmacht des Klägers beigefügt worden. Mit dem am 15. November 1983 eingegangenen Schriftsatz vom 14. November 1983 hat der Bevollmächtigte seinerseits eine auf den 29. April 1983 datierte und vom „Provinzvorsitzenden” unterzeichnete Vollmacht vorgelegt, wonach er zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt sei.
Die Revision des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kläger ist vor dem BSG nicht prozeßordnungsgemäß vertreten.
Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder um Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen (§ 166 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Als Prozeßbevollmächtigte sind – außer den bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten – die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer zugelassen, soweit sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind (§ 166 Abs. 2 SGG).
Schon letztere Voraussetzung dürfte – was allerdings letztlich auf sich beruhen kann – nicht erfüllt sein. Aus der dem Senat vorgelegten Satzung der A.C.L.I. ergibt sich eine Befugnis des F. D. V. zur Prozeßvertretung speziell vor dem BSG (vgl. BSG SozR 1500 § 166 Nr. 3 S 4) nicht. Die Satzung enthält mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen Art. 39 Abs. 3 keine Regelungen über die Prozeßvertretung. Der Senat vermag sich auch nicht davon zu Überzeugen, daß der Bevollmächtigte D. V. kraft Vollmacht der A.C.L.I. zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt ist. Diese Vollmacht muß bereits im Zeltpunkt der Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorliegen. Ihre nachträgliche Erteilung und Beibringung kann die Unwirksamkeit der von einem zunächst nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhandlungen nicht nachträglich hellen (BSG SozR Nr. 28 zu § 166 SGG; 1500 § 166 Nr. 3 S 4). Die vom „Provinzvorsitzenden” erteilte schriftliche Vollmacht trägt zwar das Datum des 29. April 1983. Der Senat hält es jedoch für wahrscheinlich, daß sie tatsächlich erst nach dem Zeitpunkt der Einlegung und Begründung der Revision erteilt worden ist. Anderenfalls wäre es nicht verständlich, daß sie dem BSG erst nach der Verfügung des Berichterstatters vom 9. November 1983 mit dem Schriftsatz vom 14. November 1983 vorgelegt und nicht schon der Revisionsschrift vom 4. Mai 1983 beigefügt worden ist.
Dies braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Der Kläger ist jedenfalls aus einem anderen Grunde im Revisionsverfahren vor dem BSG nicht prozeßordnungsgemäß vertreten. Die A.C.L.I. ist weder eine Gewerkschaft noch eine Vereinigung von Arbeitgebern, eine berufsständische Vereinigung der Landwirtschaft oder eine Vereinigung von Kriegsopfern. Nach ihrem Mitgliederkreis (vgl. Art. 3 der Satzung) und ihren satzungsmäßigen Zielen und Aufgaben (vgl. insbesondere Art. 2 der Satzung.) kann sie allenfalls als eine selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG angesehen werden (zum Begriff vgl. BSG SozR Nr. 15 zu § 166 SGG; BSGE 12, 283, 284 = SozR Nr. 27 zu § 166 SGG; BSGE 18, 136, 137 f = SozR Nr. 33 zu § 166 SGG; BSG SozR Nr. 41 zu § 166 SGG; 1500 § 166 Nr. 4 S 5). Indes gehört die A.C.L.I. auch nicht zu diesen Vereinigungen. Sie müssen nämlich ihren Sitz im Geltungsbereich des SGG haben.
Diese Einschränkung ergibt sich allerdings nicht schon aus dem Wortlaut des § 166 Abs. 2 SGG. Sie folgt jedoch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Vertretungszwang im Verfahren des BSG ist im Interesse sowohl der Rechtssuchenden als auch des Revisionsgerichts eingeführt worden, weil das Verfahren vor dem BSG besonders förmlich und als reine Rechtsüberprüfung ausgestaltet ist. § 166 SGG soll im Interesse des Rechtsschutzes der Beteiligten sicherstellen, daß die Vertretung vor dem BSG nur solchen Personen anvertraut ist, welche auf den Gebieten des materiellen und des Verfahrensrechts im allgemeinen und im Bereich des Sozialrechts im besonderen sachkundig und erfahren sind (BSGE 6, 47, 50; BSG SozR Nrn 18, 20, 39, 40, 42, 43 zu § 166 SGG; BSG SozR 1500 § 166 Nr. 1 S 2). Zur Bestellung derartiger Prozeßbevollmächtigter ist nicht jegliche Vereinigung von Arbeitnehmern imstande, welche nach ihrer Satzung sozial- oder berufspolitische Zwecke verfolgt. Sie muß vielmehr willens und fähig sein, diese Zwecke und Ziele auch nachdrücklich zu verfolgen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht gewährleistet bei Arbeitnehmervereinigungen mit niedriger Mitgliedzahl und dementsprechend geringem Beitragsaufkommen. Von ihnen kann nicht erwartet werden, daß sie Prozeßbevollmächtigte bestellen können, welche hinsichtlich ihrer Fach- und Rechtskunde den besonderen Anforderungen des Verfahrens vor dem BSG gerecht werden (vgl. BSG SozR Nrn 39, 40 und 42 zu § 166 SGG). Das selbe muß für Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des SGG haben, jedenfalls dann gelten, wenn – nur darüber ist im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden – ihre zur Prozeßvertretung berufenen Mitglieder oder Angestellten ausländische Staatsangehörige sind. Auch in diesem Falle bietet die Vereinigung nicht die Gewähr dafür, daß die von ihr bestellten Prozeßbevollmächtigten über die für eine Vertretung im Verfahren vor dem BSG erforderlichen besonderen und detaillierten Kenntnisse des materiellen und des Verfahrensrechts der Bundesrepublik Deutschland verfügen und damit insbesondere rechtsunbeholfenen Beteiligten die Möglichkeit einer sachgemäßen Prozeßvertretung sichern (vgl. BSG SozR Nr. 20 zu § 166 SGG). Diese Gewähr ist allein bei einer Vereinigung mit Sitz innerhalb des Geltungsbereichs des SGG gegeben.
Die A.C.L.I. hat ihren Sitz nicht im Geltungsbereich des SGG. Zwar wird nach den Angaben des Bevollmächtigten des Klägers die Bundesrepublik Deutschland intern als Region im Sinne der Art. 16ff der Satzung betrachtet und in 5 Provinzen im Sinne der Art. 12ff der Satzung unterteilt. (Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen/Schleswig-Holstein, Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland) Dabei handelt es sich jedoch lediglich um regionale Untergliederungen im Ausland (aus der Sicht der Satzung der A.C.L.I.), deren Organisation und Bestimmung jedenfalls auf Regionalebene vom Nationalrat (vgl. Art. 22 der Satzung) bestimmt werden (Art. 32 der Satzung). Dessen Sitz sowie derjenige der anderen höchsten Organe der A.C.L.I. (vgl. Art. 20 der Satzung) befinden sich in der Republik Italien.
Die A.C.L.I. gehört somit nicht zu den selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG. Sie kann ihre Mitglieder und Angestellten (Italienischer Staatsangehörigkeit) nicht mit der Prozeßvertretung vor dem BSG beauftragen. Jedenfalls aus diesem Grunde und ungeachtet der Wirksamkeit der im konkreten Fall erteilten Vollmacht ist die Revision des Klägers nicht prozeßordnungsgemäß eingelegt und begründet worden und als unzulässig zu verwerfen. Das gilt unabhängig von der Person des hier berufenen Prozeßbevollmächtigten (vgl. BSG SozR Nr. 39 zu § 160 SGG aE); ein Urteil über dessen persönliche Sach- und Rechtskunde ist daher mit dieser Entscheidung nicht verbunden
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen