Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Begründungsschrift. Verwendung eines Schriftsatzes des Beschwerdeführers. fehlende eigenständige Überprüfung des Streitstoffs durch den Prozessbevollmächtigen
Orientierungssatz
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn die vorgelegte Begründungsschrift zwar vom Prozessbevollmächtigtem auf eigenem Briefkopf ausgedruckt und von ihm unterzeichnet wurde, die Begründungsschrift aber in wesentlichen Teilen fast unverändert einem früheren Prozesskostenhilfegesuch des damals noch nicht anwaltlich vertretenen Klägers entspricht, eine zwischenzeitliche Beschränkung des Streitgegenstandes nicht berücksichtigt und der Text insofern nicht ausreichend vom Prozessbevollmächtigten überarbeitet wurde.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. August 2011 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. In der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers dem Bundessozialgericht (BSG) vorgelegten Beschwerdebegründung sind Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet.
1. Nach § 160a Abs 2 S 3 SGG muss in der Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), oder der Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des LSG beruhen soll (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), bezeichnet werden. Das Erfordernis der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten soll bewirken, dass dieser die Rechtslage im Hinblick auf die drei Gründe, auf die eine Zulassung allein gestützt werden kann, genau überprüft, uU von der Durchführung aussichtsloser Beschwerden absieht und anderenfalls durch eine klare Darstellung, welcher Zulassungsgrund aus welchen Gründen als vorliegend angesehen wird, den Streitstoff aufbereitet (stRspr; ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 44; SozR 3-1500 § 166 Nr 4 mwN). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss somit das Ergebnis der geistigen Arbeit des zugelassenen Prozessbevollmächtigten sein, für die er mit seiner Unterschrift die volle Verantwortung übernimmt, und dies aus sich heraus erkennen lassen (BSG aaO).
Diesen Anforderungen genügt die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers innerhalb der Begründungsfrist vorgelegte Begründungsschrift vom 24.1.2012 nicht. Dieser Schriftsatz lässt insbesondere nicht erkennen, dass die darin gegebene Begründung das Ergebnis einer eigenständigen Überprüfung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist, für das dieser mit seiner Unterschrift die volle Verantwortung übernommen hat. Denn die vorgelegte Begründung entspricht in ihrem wesentlichen und eigentlichen Teil II fast unverändert dem Prozesskostenhilfegesuch vom 20.9.2011, das der damals anwaltlich noch nicht vertretene Kläger beim BSG eingereicht hat.
Der Prozessbevollmächtigte hat zwar den Schriftsatz auf eigenem Briefkopf ausgedruckt und auf der letzten Seite unterzeichnet. Gleichwohl lässt der im Vergleich zum Prozesskostenhilfegesuch im Wesentlichen gleiche Aufbau der Begründung und der nahezu inhalts- und wortgleiche Text (auch hinsichtlich zitierter Rechtsprechung) unzweifelhaft erkennen, dass dieser Text vom Kläger selbst stammt und von dem Prozessbevollmächtigten ohne eigene Durchsicht und Prüfung des Prozessstoffs lediglich in der Absicht übernommen worden ist, dem Kläger Gelegenheit zu geben, alle Prozessmöglichkeiten auszuschöpfen (vgl zu ähnlicher Fallgestaltung BSG, Beschluss vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - juris RdNr 13). Zwar ist es in Einzelfällen denkbar, eine durch einen rechtskundigen Mandanten entworfene Begründung als zulässig anzusehen (vgl BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4 mit Hinweis auf BVerwG Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 38); vorliegend scheidet dies jedoch aus, weil wegen der Beschränkung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren das im Rahmen des Prozesskostenhilfegesuchs vorgelegte umfangreiche und unübersichtliche Vorbringen des Klägers einer besonders sorgfältigen eigenständigen Bearbeitung durch den Prozessbevollmächtigten bedurft hätte.
2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen genügt die Beschwerdebegründung vom 24.1.2012 auch inhaltlich nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG.
a) Die Rüge, das LSG habe den Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts gemäß § 75 Abs 2 SGG (erste Alternative) beiladen müssen, ist nicht schlüssig. Denn dem Vorbringen im Schriftsatz vom 24.1.2012 lässt sich nicht entnehmen, inwiefern durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zugleich in die Rechtssphäre des beizuladenden Dritten unmittelbar eingegriffen wird (stRspr des BSG, ua BSGE 11, 262, 264; 99, 122, 125). Daran ändert auch nichts das Vorbringen, eine Übereinstimmung der Streitgegenstände liege vor, weil die Beklagte die Entscheidung des Beizuladenden bzw des Verwaltungsgerichts ohne eigene Erkenntnisse übernommen habe, oder weil anderenfalls "ein für den Betroffenen nicht hinnehmbarer Zustand" entstehe.
b) Der Vortrag, das LSG habe nicht durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG entscheiden dürfen, genügt ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wie die Beschwerdebegründung selbst darlegt, hat das LSG zur Begründung seiner Vorgehensweise ua ausgeführt, das weitere Vorbringen des Klägers enthalte entweder Wiederholungen oder sei nicht entscheidungserheblich. Die vorgelegte Beschwerdebegründung enthält jedoch keine Ausführungen, denen in nachvollziehbarer Weise entnommen werden könnte, der Kläger habe nach Erhalt der Anhörungsmitteilung neuen entscheidungserheblichen Vortrag dem LSG vorgelegt; dies gilt auch für die in der Beschwerdebegründung erwähnten Beweisanträge (vgl ua BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 und BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 - zur Abgrenzung von Beweisantritt und Beweisanregung). Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf andere Fälle betreffende Rechtsprechung geltend macht, die "Gesamtumstände" stünden einer Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 SGG entgegen, ist bei Beachtung der Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung eine grobe Fehleinschätzung des LSG nicht nachvollziehbar dargelegt (vgl ua BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1).
c) Keine substantiierte Bezeichnung von Verfahrensfehlern ist in dem weiteren Vorbringen zu sehen, das LSG habe seine Aufklärungspflicht verletzt, habe zu Unrecht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint, sei zu Unrecht vom Fehlen einer Zustimmung zur Beiziehung von Akten bzw Unterlagen ausgegangen, habe nicht über ein Beweisverwertungsverbot entschieden oder habe sich zu verschiedenen schriftsätzlichen Ausführungen nicht geäußert. Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich teilweise nicht auf das prozessuale Vorgehen und beachtet im Übrigen nicht hinreichend, dass ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ua auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur in eingeschränkter Weise gestützt werden kann. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht konkret auf, inwiefern sich das LSG - ausgehend von seiner materiellen Rechtsauffassung (vgl etwa BSG SozR 1500 § 160a Nr 34) - zur Erhebung weiterer Beweise hätte gedrängt sehen müssen.
d) Nicht formgerecht dargelegt ist schließlich die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es fehlt jedenfalls an nachvollziehbaren Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage, ob ein anhängiger Rechtsstreit über eine Frage (hier: gesundheitliche Eignung für eine Berufstätigkeit), die sowohl für die Arbeitslosenhilfe als auch für das Arbeitslosengeld II von Bedeutung ist, erledigt oder fortzusetzen ist. Insoweit geht der Beschwerdeführer in keiner Weise auf die Argumentation des LSG ein, das ausgeführt hat, ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte oder eine Wiederholungsgefahr seien nicht zu erkennen und es seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass Mitarbeiter des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Erwerbsfähigkeit des Klägers angezweifelt hätten oder nicht bereit gewesen wären, dem Kläger Leistungen zur Eingliederung zu gewähren.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 S 1, 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen