Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Beschluss vom 11.09.1997)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. September 1997 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die auf Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Rügen des Klägers, sein Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art 103 des Grundgesetzes, § 62 SGG) sei verletzt, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Beschwerdeführer rügt, das Sozialgericht (SG) habe eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme im Termin vom 5. November 1996 unfair unmöglich gemacht, indem es den Prozeßbevollmächtigten veranlaßt habe, den Antrag, vor einer gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit zu geben, zu den Ausführungen des Sachverständigen schriftsätzlich Stellung zu nehmen, ohne dies zu protokollieren, zurückzunehmen. Gleichwohl habe das SG aber in diesem Termin in der Sache entschieden. Er hätte die dann in der Berufungsbegründung enthaltenen Ausführungen schriftsätzlich vorgetragen. Es sei nicht ausgeschlossen, daß das SG bei einer Stellungnahme zu einer für ihn günstigeren Entscheidung oder zur weiteren Sachaufklärung gekommen wäre. Durch die Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung habe das Landessozialgericht (LSG) das rechtliche Gehör und die Grundsätze des fairen Prozesses verletzt.

Eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs liege auch in der Verweigerung der Anhörung des Sachverständigen Dr. W. … durch das LSG. Es habe die Anhörung gemäß § 118 SGG iVm § 411 Abs 4 der Zivilprozeßordnung nicht für geboten erachtet, weil das Gutachten bereits im Jahre 1994 für das SG erstattet worden und in diesem Zusammenhang eine Anhörung im erstinstanzlichen Verfahren nicht beantragt worden sei. Das LSG habe aber verkannt, daß die Anhörung von Dr. W. … erst durch das später erstattete Gutachten des Dr. D. … erforderlich geworden sei, wie er in der Berufungsbegründung dargelegt habe. Das SG hätte den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. … nicht folgen dürfen, ohne sich mit den eingehenden Einwendungen des Klägers auseinanderzusetzen. Das SG habe diese Einwendungen aber nicht offiziell zur Kenntnis genommen, weil es im Urteil nicht darauf eingehe, obwohl der Vorsitzende Form und Inhalt des Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung öffentlich gerügt habe. SG und LSG hätten durch das Übergehen seiner vorgebrachten Einwendungen das rechtliche Gehör verletzt.

Eine weitere Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs liege darin, daß das LSG die Frage der medizinischen Gründe für die Berufsaufgabe ohne Zuziehung eines Sachverständigen und ohne Darlegung eigener ausreichender Sachkunde beurteilt habe. Dies gelte auch für die Beurteilung der notwendigen Sachkunde des Sachverständigen durch das LSG. Es habe sich über die Einwände gegen das Gutachten des Dr. W. … hinweggesetzt. Ein derart sachlich angegriffenes Gutachten könne nicht als ausreichend angesehen werden.

Soweit der Kläger Mängel des Verfahrens vor dem SG rügt, kann dies hier nur insoweit berücksichtigt werden, als er geltend macht, daß diese Mängel auch im Berufungsverfahren fortwirken. Da es um die Zulassung der Revision gegen eine Entscheidung des LSG geht, kommen grundsätzlich nur Mängel des Verfahrens vor dem LSG und nicht auch vor dem SG in Betracht. Das schließt allerdings nicht aus, daß ein Mangel im Klageverfahren auch als Verfahrensmangel im Berufungsverfahren fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 89 mwN).

Die Rügen des Beschwerdeführers, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sind für eine Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zu diesem – auch für die Rüge einer Verletzung des § 62 SGG bedeutsamen – Kausalitätserfordernis (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nr 36 sowie Beschluß des Senats vom 27. März 1998 – B 2 U 88/98 B –) enthält die Beschwerdebegründung überhaupt keine Ausführungen. Aus der gesamten Beschwerdebegründung ist nicht ersichtlich, weshalb das LSG ohne die behaupteten Verfahrensmängel zu einem günstigeren Ergebnis für den Beschwerdeführer gekommen wäre.

Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur dann gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die im Vorbringen des Beschwerdeführers insoweit enthaltene Rüge, das LSG habe dadurch, daß es keinen Sachverständigen zur Frage, welche medizinischen Gründe für die Berufsaufgabe maßgebend gewesen sind, gehört habe, seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt, ist schon deshalb nicht schlüssig im obigen Sinn dargelegt, weil der Beschwerdeführer insoweit einen berücksichtigungsfähigen und vom LSG übergangenen Beweisantrag aus dem Berufungsverfahren überhaupt nicht bezeichnet hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 sowie Beschluß des Senats vom 5. Januar 1998 – 2 BU 297/97 –).

Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. W., … können nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinn, ob die Vorinstanz in der Sache richtig entschieden hat, ist nach den einschränkenden Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht mehr zulässig. Die Ausführungen und Rügen des Beschwerdeführers betreffen vor allem die vorhandenen Beweise sowie deren Würdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch das LSG. Diese Rügen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Dieser Hinweis soll keinesfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das LSG andeuten.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175448

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