Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeldrecht. Beginn der selbstständigen Erwerbstätigkeit kurz vor Geburt des Kindes. keine Einkünfte im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum. persönliche Härte. teleologische Reduktion von § 2b Abs 2 S 1 BEEG. verfassungskonforme Auslegung. weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
1. Hält der Beschwerdeführer eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 2b Abs 2 S 1 BEEG durch eine verfassungskonforme Auslegung in den Fällen geboten, in denen der Elterngeldberechtigte im letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt überhaupt noch nicht selbstständig tätig gewesen ist und deshalb im Bemessungszeitraum keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit hat erzielen können, genügt allein der Hinweis auf das Vorliegen einer - vermeintlichen - Härte im konkreten Einzelfall nicht den Darlegungsanforderungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde.
2. Die Beschwerdebegründung muss insoweit vielmehr eingehende Ausführungen dazu enthalten, weshalb der BEEG-Gesetzgeber mit seinem weiten Gestaltungsspielraum nicht bedacht haben sollte, dass es gerade bei Beginn oder erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit kurz vor der Geburt eines Kindes dazu kommen kann, dass ein Bemessungszeitraum in einen Zeitraum fällt, in dem der Elterngeldberechtigte eine (selbstständige oder unselbstständige) Erwerbstätigkeit noch nicht ausgeübt hat und demzufolge aus ihr keine Einkünfte erwirtschaften konnte.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S. 3, § 160 Abs 2 Nr. 1; BEEG § 2b Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 1 Sätze 1-2, § 2d; GG Art. 3 Abs 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höheres Elterngeld unter Zugrundelegung des Zeitraums der letzten 12 Monate vor der Geburt ihres Kindes (1.12.2014) als Bemessungszeitraum hat das LSG mit Urteil vom 14.3.2019 verneint. Entgegen der Ansicht des SG habe die Beklagte zu Recht den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum - hier das Kalenderjahr 2013 - vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt, weil die Klägerin vor der Geburt ihres Kindes eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Da die Klägerin im Kalenderjahr 2013 kein Einkommen erzielt habe, habe die Beklagte zutreffend Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes in Höhe des Mindestbetrags von monatlich 300 Euro bewilligt. Dass die Klägerin im Kalenderjahr 2013 noch nicht selbstständig tätig gewesen sei, sei unerheblich. Eine hieraus für die Klägerin folgende Härte sei angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Elterngeldrecht und der Tatsache, dass sie das Mindestelterngeld erhalten habe, verfassungsrechtlich hinnehmbar.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 29.5.2019 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 30.4.2018 - B 9 V 58/17 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam: |
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"Ist der Bemessungszeitraum nach § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG - also der jeweilige steuerliche Gewinnermittlungszeitraum, der dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegt - auch dann maßgeblich, wenn der Elterngeldberechtigte zwar in dem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes jedoch nicht in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum gemäß § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG selbstständig tätig war und daher in dem Bemessungszeitraum nach § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG kein Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielte und auch nicht erzielen konnte, oder ist in diesem Fall die Regelung des § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG anwendbar, wonach die letzten zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich sind, weil dies eine teleologische, verfassungskonforme Auslegung gebietet?" |
Die Klägerin hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargetan.
Zutreffend weist sie darauf hin, dass als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich sind. Die Klägerin erkennt auch, dass im Unterschied dazu gemäß § 2b Abs 2 S 1 BEEG für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit iS von § 2d BEEG vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume heranzuziehen sind, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Sie trägt selbst vor, dass sie vom 1.4.2014 bis zur Geburt des Kindes am 1.12.2014 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS des § 2d BEEG erzielt habe. Die Klägerin arbeitet in der Beschwerdebegründung jedoch nicht hinreichend heraus, warum die Regelung des § 2b Abs 2 BEEG, die für diesen Fall als Bemessungszeitraum grundsätzlich den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes bestimmt, im Hinblick auf Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck auf ihrer Rechtsfolgenseite noch Raum dafür lassen sollte, den Bemessungszeitraum für das Elterngeld auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat des Kindes entsprechend § 2b Abs 1 S 1 BEEG zu verschieben.
Eingehender Begründungsbedarf hätte hier schon deshalb bestanden, weil der Wortlaut des § 2b Abs 2 S 1 BEEG ("sind") den Elterngeldstellen kein diesbezügliches Ermessen eröffnet. Vielmehr verpflichtet er sie in gebundener Entscheidung bei der Berechnung des Elterngelds als Bemessungszeitraum den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, wenn der Elterngeldberechtigte vor der Geburt des Kindes - wie hier - allein Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat. Als einzige Ausnahme von dieser Regel ermöglicht § 2b Abs 2 S 2 iVm § 2b Abs 1 S 2 BEEG, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben. Das Gesetz greift also selbst in den dort genannten Ausnahmekonstellationen bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes nicht auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat zurück (vgl Senatsurteil vom 28.3.2019 - B 10 EG 6/18 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 2b Nr 5 vorgesehen - Juris RdNr 21; s auch Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 23 ff und Senatsbeschluss vom 24.4.2019 - B 10 EG 2/19 B - Juris RdNr 8, jeweils zu § 2b Abs 3 BEEG), den die Klägerin in ihrem Fall für den richtigen Bemessungszeitraum hält. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn der Elterngeldberechtigte aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum nach § 2b Abs 2 S 1 BEEG gar keine oder nur negative Einkünfte erzielt hat (vgl Senatsurteil vom 28.3.2019, aaO Juris RdNr 19; Senatsurteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R- BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3, RdNr 23 ff; Senatsbeschluss vom 24.4.2019 aaO).
Sofern die Klägerin die Anwendung des § 2b Abs 1 S 1 BEEG und damit eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 2b Abs 2 S 1 BEEG durch eine verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion für geboten erachtet, weil sie in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt überhaupt noch nicht selbstständig tätig gewesen sei und deshalb im Bemessungszeitraum keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit habe erzielen können, setzt sie sich in der Beschwerdebegründung nicht im gebotenen Maße mit deren (engen) Voraussetzungen auseinander. Eine teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Methoden der Gesetzesauslegung (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 - Juris RdNr 22; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - Juris RdNr 38; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - Juris RdNr 11; Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 26; Senatsurteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 27 ff). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 31.10.2016 aaO; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.4.1997 aaO Juris RdNr 15). Einen entsprechenden substantiierten Vortrag hierzu enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Allein der Hinweis auf das Vorliegen einer - vermeintlichen - Härte in ihrem Fall trotz des Bezugs von einkommensunabhängigen Mindestelterngeld während der ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes reicht insoweit nicht. Denn gerade bei Beginn oder erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit kurz vor der Geburt eines Kindes kann es - worauf die Beklagte in ihrer Beschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - "denknotwendig" dazu kommen, dass ein Bemessungszeitraum, der nach dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zu bestimmen ist, in einen Zeitraum fällt, in dem der Elterngeldberechtigte eine Erwerbstätigkeit - sei es selbstständig oder nichtselbstständig - noch nicht ausgeübt hat und demzufolge aus ihr keine Einkünfte erwirtschaften konnte. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt auch im Hinblick auf den bei gewährender Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraum des BEEG-Gesetzgebers (vgl hierzu nur Senatsurteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 4/16 R - BSGE 123, 276 = SozR 4-7837 § 2f Nr 1, RdNr 27 mwN) wären eingehendere Ausführungen der Klägerin dazu notwendig gewesen, aus welchem Grund dennoch der Gesetzgeber diesen Fall bei der Fassung der Ausnahmetatbestände des § 2b Abs 2 S 2 iVm § 2b Abs 1 S 2 BEEG nicht bedacht haben könnte und insbesondere weshalb hier ein Abweichen von dem in § 2b Abs 2 S 1 BEEG normierten Grundsatz des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in dem von der Klägerin geltend gemachten Sinne verfassungsrechtlich geboten sein könnte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13408631 |