Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 19.01.2022; Aktenzeichen S 176 R 2447/20) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.01.2024; Aktenzeichen L 9 R 65/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1951 geborene Kläger begehrt im Zugunstenverfahren, ihm ein höhere Rente auch für Februar 2003 bis Dezember 2010 zu erbringen.
Er bezog ab Februar 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese berücksichtigte bei der Rentenfestsetzung keine Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz, der der Kläger von September 1971 bis Juni 1990 angehört hatte. Er hatte im Antragsformular die Frage verneint, ob er einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört bzw eine Beschäftigung ausgeübt habe, für die ein Sonderversorgungssystem bestanden habe. Seit März 2015 bezieht der Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Auch diese Rente wurde ohne Berücksichtigung von Zeiten der Zusatzversorgung bewilligt. Im April 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme, nachgewiesene Zeiten für die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie das dabei erzielte Arbeitsentgelt festzustellen. Die Beklagte wertete dies zugleich als Antrag auf Überprüfung der Rentenbescheide. Mit zwei Bescheiden vom 18.12.2015 stellte sie sowohl die Erwerbsminderungsrente als auch die Altersrente neu fest, erstere allerdings nur für den Zeitraum ab dem 1.1.2011, und leistete eine Nachzahlung iH von insgesamt 20 953,49 Euro. Zur Begründung führte sie aus, eine Nachzahlung werde nur rückwirkend für vier Jahre geleistet, berechnet ab Beginn des Jahres, in dem der Überprüfungsantrag gestellt worden sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem er ua Beratungsfehler der Beklagten geltend machte, wies sie zurück(Widerspruchsbescheid vom 11.7.2016) . Den erneuten Antrag des Klägers vom 22.8.2020, unter Änderung des Neuberechnungsbescheids vom 18.12.2015 die Erwerbsminderungsrente bereits ab Februar 2003 neu festzusetzen und eine entsprechend höhere Nachzahlung an ihn zu leisten, lehnte sie mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 5.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2020 ab.
Das SG hat die Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 19.1.2022) , das LSG die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen(Urteil vom 25.1.2024) . Die Vier-Jahres-Frist des§ 44 Abs 4 SGB X gelte selbst dann, wenn im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Leistung rückwirkend verlangt werden könne.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er mit Schriftsatz vom 2.5.2024 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Teilsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dar(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht(§ 162 SGG ) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN;BSG Beschluss vom 22.12.2022 - B 5 R 119/22 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 42 RdNr 5) . Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:
"Gilt die Begrenzung des§ 44 Abs. 4 SGB X auch in Fällen einer anlasslosen Beratungsverpflichtung des zuständigen Sozialleistungsträgers, hier der Beklagten?"
Er legt jedoch bereits die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist(vgl zBBSG Beschluss vom 12.6.2024 - B 5 R 180/23 B - juris RdNr 8 mwN) . Dass die aufgeworfene Rechtsfrage in diesem Sinne offen sein könnte, zeigt der Kläger nicht auf. Er geht schon nicht näher auf die auch vom LSG zitierte Rechtsprechung des BSG ein, wonach in entsprechender Anwendung des§ 44 Abs 4 SGB X Leistungen, auf die ein Berechtigter Anspruch wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht werden(vglBSG Urteil vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R - BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9, RdNr 11 ff;BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - juris RdNr 14 ff; vgl auchBSG Beschluss vom 4.7.2017 - B 10 EG 20/16 B - juris RdNr 16 ) .
Der Kläger zeigt auch nicht hinreichend auf, dass die aufgeworfene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte(vgl zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zBBSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 16 mwN) . Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung zur entsprechenden Anwendung des§ 44 Abs 4 SGB X in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden sei. Ebenso wenig ist hinreichend dargetan, dass sich völlig neue, bislang nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten. Der Kläger stellt lediglich die eigene Rechtsauffassung dar, indem er vorbringt, die Anwendung des§ 44 Abs 4 SGB X auf Fälle einer Beratungspflichtverletzung sei unverhältnismäßig und verletze die materielle Gerechtigkeit. Mit dem Vorbringen, warum nach seinem Dafürhalten die aufgeworfene Rechtsfrage erneut geklärt werden müsse, wendet der Kläger sich im Kern gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung und die darauf beruhende Einzelfallentscheidung des LSG. Auf die (vermeintliche) inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung lässt sich eine Revisionszulassung jedoch nicht stützen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 10.6.2022 - B 5 R 49/22 B - juris RdNr 10 mwN) .
Ungeachtet dessen zeigt die Beschwerde nicht ausreichend auf, dass die Klärung der aufgeworfenen Frage für den hier zugrunde liegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich sein könnte. Das LSG hat nicht festgestellt, dass die Beklagte ihre Beratungspflicht aus§ 14 Satz 1 SGB I verletzt habe. Es hat vielmehr ausgeführt, der Kläger hätte selbst dann keinen weitergehenden Leistungsanspruch. Damit setzt die Beschwerde sich nicht auseinander. Das fehlende Vorbringen zur konkreten Klärungsfähigkeit kann der Kläger nicht durch eine Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen ersetzen, unter denen ein Leistungsträger zur Spontanberatung nach§ 14 SGB I verpflichtet ist.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16526287 |