Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Gleichheitsverstoß. Fremdrentengesetz. Einigungsvertrag. Sozialversicherungsabkommen der DDR. Beitrittsgebiet
Leitsatz (redaktionell)
Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ab, darf sie sich jedoch nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw. -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
Normenkette
SGG §§ 103, 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4, §§ 162, 169; SGB VI § 259a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3; DDRVtrV
Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 23.07.2018; Aktenzeichen S 14 R 523/18) |
Bayerisches LSG (Beschluss vom 20.08.2019; Aktenzeichen L 19 R 495/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. August 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Beschluss vom 20.8.2019 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung von Beitragszeiten in der ehemaligen UdSSR in den Zeiträumen 7.8.1978 bis 15.6.1983 und 1.9.1983 bis 24.11.1983 verneint und ihre Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 23.7.2018 zurückgewiesen. Das LSG sah die Voraussetzungen für eine Anerkennung dieser Zeiten weder nach dem Fremdrentengesetz noch nach den Sozialversicherungsabkommen erfüllt, die zwischen der DDR und der UdSSR bzw der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine geschlossen wurden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie rügt, die Entscheidung des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 103 SGG und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 GG). Als Zulassungsgrund benennt sie einen Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Die Klägerin formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN). Sie rügt eine Verletzung ihres Grundrechtes aus Art 3 GG und macht damit nur sinngemäß den Zulassungsgrund einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ab, darf sie sich jedoch nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f).
Dies ist nicht geschehen. Es wird bereits nicht deutlich, worin genau der Gleichheitsverstoß bestehen soll. Eine Ungleichbehandlung dadurch, dass das Fremdrentengesetz vom Einigungsvertrag "abweicht", ist nicht nachvollziehbar. Auch die Ausführungen der Klägerin zur eingeschränkten Fortgeltung von Sozialversicherungsabkommen der DDR nach der Verordnung über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich der sozialen Sicherheit (DDRVtrV) im Widerspruch zum Einigungsvertrag sind nicht geeignet, eine mögliche Grundrechtsverletzung darzustellen. Das Vorbringen der Klägerin, die "Ungleichbehandlung der Versicherten aus dem Beitrittsgebiet, deren Rentenanspruch erstmals ab 1. Januar 1996 entsteht, gegenüber denjenigen, deren Anspruch vorher entstanden ist, ist offensichtlich" genügt ebenfalls nicht. Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten der Geburtsjahrgänge vor dem 1.1.1937 geltend macht, auf die § 259a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI Anwendung finde, und sich gegenüber DDR-Übersiedlern benachteiligt sieht, die nach dem 18.5.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet begründet haben, belässt sie es ebenfalls bei der Behauptung eines Verfassungsverstoßes. Eine Begründung fehlt hier ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG (zu Zeiten einer Berufstätigkeit in anderen Ostblockstaaten, die nach dem Rentenrecht der DDR aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen wie in der DDR zurückgelegte Zeiten zu behandeln waren, für Rentenansprüche nach dem 31.12.1995 vgl die vom LSG zitierte Entscheidung des BSG Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 427/12 B - SozR 4-8580 Art 7 Nr 1). Mit ihrem Vortrag zur Weitergeltung des Abkommens der DDR mit der UdSSR über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens macht sie in der Sache eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG geltend. Auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
2. Auch soweit die Klägerin ausdrücklich einen Verfahrensfehler nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht und sich auf eine "Verletzung des § 103 SGG" beruft, hat sie dies nicht hinreichend begründet. Ein solcher Verfahrensmangel kann nach dem Gesetz nur erfolgreich geltend gemacht werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13579435 |