Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe und Rechtsschutzversicherung
Leitsatz (amtlich)
Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bei Vorhandensein einer Rechtsschutzversicherung mit Selbstbeteiligung.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 115 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
- Dem Kläger wird für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landesssozialgerichts vom 20. Januar 2006 – L 7 AS 18/05 – Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dieter J… beigeordnet.
- Die Vergütung von Rechtsanwalt Dieter J… wird unter Berücksichtigung der Rechtsschutzversicherung des Klägers bis zum Betrag von 153 € übernommen.
Gründe
Der Kläger ist rechtsschutzversichert. Die Rechtsschutzversicherung hat die Erklärung abgegeben, die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde mit Ausnahme einer Selbstbeteiligung von 153 € zu übernehmen. Rechtsanwalt J…, dessen Beiordnung der Kläger beantragt, hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) auf die Übernahme der vom Kläger zu tragenden Selbstbeteiligung in Höhe von 153 € beschränkt, weil dieser nicht in der Lage sei, die Selbstbeteiligung aus eigenen Mitteln aufzubringen. Mit der von ihm vorgelegten Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat der Kläger dies nachgewiesen.
Eine Rechtsschutzversicherung ist iS des § 115 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) als Bestandteil des Vermögens vorrangig einzusetzen, um die Kosten eines Rechtsstreits zu bestreiten (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫, Beschluss vom 17. August 1998 – B 14 KG 13/98 R; BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 4). Soweit die Deckungssumme der Versicherung allerdings nicht ausreicht, bleibt der Kläger hilfebedürftig (vgl Zöller, ZPO, 25. Aufl 2005, § 115 RdNr 61; BGH VersR 1981, 1070). Da eine Verpflichtung zum Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nicht besteht, kann die Gewährung von PKH hier auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Kläger sich für eine Versicherung ohne Selbstbeteiligung hätte entscheiden können (so zutreffend: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Januar 2003 – L 2 B 121/02 SB PKH –, JurBüro 2004, 146 f).
Ist eine Partei teilweise in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits aus ihrem Vermögen zu finanzieren, so ist ihr zwar grundsätzlich PKH für den ganzen Streitgegenstand zu gewähren; gleichzeitig sind Zahlungen aus dem Vermögen anzuordnen (Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl, § 121 RdNr 41). Dies hat im Hinblick auf die Besonderheit der Rechtsschutzversicherung mit Selbstbeteiligung bei einem nach § 183 Sozialgerichtsgesetz kostenprivilegierten Beteiligten allerdings nicht zur Folge, dass einem Kläger, der ausschließlich eine Übernahme der Selbstbeteiligung durch die Staatskasse anstrebt, PKH nur gegen (Voraus-)Zahlung der voraussichtlichen Kosten abzüglich der Selbstbeteiligung gewährt werden kann. In einem derartigen Fall bezieht sich die PKH von vornherein ausschließlich auf die Bezahlung der Kosten des eigenen Prozessbevollmächtigten. Beschränkt dieser den PKH-Antrag von vornherein auf die Selbstbeteiligung und macht damit deutlich, dass der Kläger seinen Vermögensbestandteil “Rechtsschutzversicherung” vorrangig zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzt, so kann sich die Gewährung von PKH auf die Übernahme der Anwaltskosten bis zur Höhe der Selbstbeteiligung beschränken. Die Einbeziehung der Leistungen der Rechtsschutzversicherung macht zugleich deutlich, dass in der Begrenzung des Antrags auf die Selbstbeteiligung kein womöglich unzulässiger Verzicht auf Teile der anwaltlichen Gebühren zu sehen ist.
Fundstellen
NZS 2006, 612 |
www.judicialis.de 2006 |