Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Mitgliedschaft des Klägers als Rentenbezieher bei den Beklagten (Kranken- und Pflegekasse). Seine Klage, festzustellen, dass seine Mitgliedschaft von Dezember 2010 bis November 2015 für die Dauer seines Wohnsitzes in Spanien nicht bestanden habe, und die Beklagten zur Erstattung der insoweit entrichteten Beiträge zu verurteilen, hat das SG Berlin abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.2.2017). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei unzulässig, denn die ein Versicherungsverhältnis und eine Beitragserhebung regelnden Verwaltungsakte seien mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Unabhängig davon bleibe nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 5.7.2005 - B 1 KR 4/04 R - SozR 4-2400 § 3 Nr 2) ein Pflichtversicherter in der Krankenversicherung der Rentner, wenn er in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verziehe. Damit bestehe auch kein Beitragserstattungsanspruch (Urteil vom 10.1.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst folgenden Fragen eine grundsätzliche Bedeutung bei:
"Sind die Primärrechte aus EUV und AEUV, hier insbesondere Art. 21 und Art. 18, die dem Schutz des EU-Bürgers in Form der Grundrechte, Menschenrechte und Bürgerrechte gewährt werden (Anlage Nr. 2) unverletzbares, geltendes Recht oder eine nicht ernst gemeinte Illusion, die lediglich von einem privilegierten Teil der EU-Bürger wahrgenommen werden können?"
"Ist die Folge von Verstößen gegen die Grundfreiheiten, dass die entsprechenden Regelungen nicht zur Anwendung kommen und gilt, dass niemand aufgrund seiner Staatsangehörigkeit schlechter behandelt werden darf?"
"Ist es … nicht zwingend erforderlich, die bereits in der VO 883/2004 dokumentierten Punkte und Artikel, im Lichte des Rechts und des Gewollten in seiner Gesamtheit zu bewerten?"
"Ist es in diesem Falle nicht erforderlich ein ausschließlich steuerfinanziertes, staatliches Sachleistungssystem wie in Spanien nach EUV/AEUV und EU VO 883/2004, hier insbesondere Art. 4 (Gleichbehandlung), Art. 5 (Sachverhaltsgleichstellung) in Verbindung mit Art. 23 (Sachleistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats) und Art. 30 (1), (2) (Beiträge der Rentner) zusammen mit dem Primärrecht und den zwischenstaatlichen Vereinbarungen (DBA) zu bewerten, insbesondere wenn sich ein größerer Teil der Bevölkerung Deutschlands nicht dem Zwangssystem des SGB unterwerfen muss … und somit auch keinen Steuerbeitrag für die Zwangsschutzbedürftigen zu leisten hat …?"
Damit sind keine Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) und auch nicht zum europäischen Gemeinschaftsrecht (vgl BSG Beschluss vom 17.10.2007 - B 11a AL 75/07 B - SozR 4-4300 § 324 Nr 4) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn Rechtsfragen als aufgeworfen unterstellt würden, wäre jedenfalls deren Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. Über die aufgeworfenen Rechtsfragen müsste das Revisionsgericht konkret-individuell sachlich zu entscheiden haben. Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG Beschluss vom 4.5.2017 - B 8 SO 72/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Daran fehlt es hier. Zu Ausführungen hierzu hat aber deshalb Anlass bestanden, weil das LSG die Feststellungsklage als unzulässig gewertet hat.
2. Soweit der Kläger eine Divergenz rügen sollte, setzt dieser Zulassungsgrund voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG - nicht einer Entscheidung eines anderen LSG -, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Mit der Beschwerde sind keine sich widersprechenden Rechtssätze aufgezeigt worden.
3. Der Kläger hat auch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Er macht geltend, das LSG habe nicht von der Möglichkeit des § 110a SGG, eine "mündliche Verhandlung nach Art einer Videokonferenz durchzuführen", Gebrauch gemacht und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) verletzt. Die mündliche Verhandlung habe nur 20 Minuten gedauert und er sei dadurch überrascht worden, dass das LSG "die von Beginn an vorgelegten Beweise/Beweismittel nicht zur Kenntnis genommen und auch nicht in Erwägung gezogen" hätte. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG vor. Das Berufungsgericht sei in den Entscheidungsgründen nicht "auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu den zentralen Fragen des Verfahrens" eingegangen. Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention spreche "jeder Person das Recht auf ein faires Verfahren durch ein unabhängiges und unparteiisches, auf dem Gesetz beruhenden Gericht zu". Abgesehen davon, dass Amtsermittlungen nicht durchgeführt und sämtliche vorgelegten Beweise negiert worden seien, habe das LSG "unrichtigerweise, nach § 105 Abs. 1 SGG der Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art unterstellt und den Sachverhalt als geklärt betrachtet". "Mit dieser willkürlichen Darlegung der Gerichte" habe sich "das Berufungsgericht den Weg eröffnet nach § 153 Abs. 1 SGG durch Beschluss zur Übertragung an den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter, den gesetzlichen Anspruch nach § 33 (1) SGG zu versagen". Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit mit diesem Vorbringen eine willkürliche Handhabung verfahrensrechtlicher Bestimmungen auf dem Weg zu der Entscheidung ("error in procedendo") geltend gemacht worden ist (vgl BSG Beschluss vom 28.1.2009 - B 6 KA 27/07 B - Juris RdNr 17 mwN). Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die angegriffene Entscheidung des LSG auf den behaupteten Mängeln beruht, also ohne (vermeintlichen) Verfahrensverstoß eine andere Entscheidung hätte herbeigeführt werden können.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903109 |