Verfahrensgang

SG Trier (Entscheidung vom 21.10.2021; Aktenzeichen S 1 KR 201/19)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.11.2022; Aktenzeichen L 5 KR 67/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz vom 17. November 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Höhe des Beitrags zur freiwilligen Krankenversicherung des Klägers, hilfsweise um dessen Versicherungspflicht als Rentner, ab 1.12.2018.

Der 1949 geborene Kläger ist Ruhestandsbeamter und bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 1.12.2018 ist er freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Beklagte setzte seine Beiträge unter Berücksichtigung des allgemeinen Beitragssatzes fest (Bescheide vom 19.10.2018, 30.10.2018, 12.12.2018, 3.1.2019, 28.1.2019, 1.4.2019, Widerspruchsbescheid vom 26.6.2019, Bescheide vom 4.9.2019, 11.10.2019, 12.12.2019, 12.3.2020, 13.1.2021, 14.7.2021, 29.12.2021, 25.1.2022, 4.4.2022).

Die auf Berücksichtigung des ermäßigten Beitragssatzes (§ 243 SGB V), hilfsweise auf Feststellung der Versicherungspflicht als Rentner gerichtete Klage und Berufung (Urteil des SG Trier vom 21.10.2021; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.11.2022) sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Berücksichtigung des allgemeinen Beitragssatzes sei gesetz- und verfassungsgemäß. Insbesondere werde der Kläger nicht zu Unrecht anders behandelt als pflichtversicherte Rentner. Ein verfassungswidriges Sonderopfer der Alten, Rentner und Pensionäre liege in der Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes trotz Fehlens eines Anspruchs auf Krankengeld nicht. Die Beitragsfestsetzung sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Feststellungsklage sei im Hinblick auf das Fehlen einer Verwaltungsentscheidung unzulässig.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6).

Der Kläger wirft in der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:

"(…) wann der schriftlich fixierte verfassungsrechtlich in GG verankerte und in verfassungsgerichtlichen Urteilen bezeichnete Sozialstaat beginnt.

Ab welcher Wertgrenze, ausgedrückt in Euro, berechnet als 0,3 bzw. 0,6 v.H. des Sonderopfers beginnt der soziale Rechtsstaat?

- Wird für die rechtswidrige Erhebung des Algemeinen KV-Beitrages für Alte/Rentner/Pensionäre ein täglich zu errechnender Wert des KV-Beitrags zu der rechtswidrigen Äquivalenz zugrunde gelegt?

- Wird eine vergleichbare Höhe wie dem monatlichen Rundfunkgebührenbeitrag von mtl. Euro 18.36 zugrunde gelegt?

- Wird der jährlich zu errechnende KV-Beitrag zugrunde gelegt - nach Strafrecht = Geringfügigkeit zw. 25 - 30 Euro?

- Wird der dreifache Jahreswert des wiederkehrenden KV-Beitrags zugrunde gelegt - wie in § 42 GKG?"

"(…) warum Versicherte in der gesetzlichen Krankenkasse in der Kohorte der Alten (KVdR = Pflichtversicherte Rentner, freiwillig versicherte Rentner, Pensionäre, Selbstständige) bei identischem (in den Entscheidungen des SG Trier und des LSG Mainz mit offensichtlich falschen mathematischen, statistischen Vergleichen) Krankenversicherungsleistungen ihren KV-Beitrag in Anspruch nehmen, aber von einer unterschiedlichen Erfassung der Beitragsgrundlage, aus höheren Einkünften ihren KV-Beitrag zu leisten haben".

"(…) warum die Gesamt-Kohorte ‚Alte’ zum Allgemeinen Beitragssatz in der GKV herangezogen wird, obwohl sie in toto einen KV-Beitrag (Gleichbehandlung in der Normauslegung) als Gegenleitung, keiner Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unterliegen."

Er trägt dazu im Wesentlichen vor: "Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn die Anwendung des unzutreffenden § 241 SGB V für die Erhebung des erhöhten Allgemeinen Krankenversicherungsbeitrags (KV-Beitrag) i.H.v. 14,6 v.H. gem. § 247 SGB V mit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für freiwillig wie pflichtversicherte Alte/Rentner/Pensionäre gem. §§ 241, 247, 229 SGB V statt gemäß des grundgesetzlich verankerten Rechts- und Sozialstaatsgebotes und über das BVerfG in diesbezüglichen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zutreffenden ermäßigten KV-Beitrags gem. § 243 SGB V i.H.v. 14 v.H. ohne Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Alte/Rentner/Pensionäre". Der Auslegung von Recht und Gesetz gemäß Art 20 Abs 3 GG komme grundsätzliche Bedeutung für den Rechtsstaat zu und bei der Bemessung der Beiträge der Pensionäre zur freiwilligen GKV werde wesentlich Ungleiches zu Unrecht gleich behandelt.

Damit hat der Kläger keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist aber unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich anhand der Beschwerdebegründung selbst eine Rechtsfrage herauszuarbeiten, der möglicherweise eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden könnte (stRspr; BSG Beschluss vom 16.12.2021 - B 9 V 10/21 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 25 RdNr 31 mwN). Selbst wenn aber eine solche Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).

Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger führt zwar eine Reihe von Urteilen vor allem des BVerfG aber auch des BSG auf, die er für einschlägig hält. Es fehlt aber an Vortrag dazu, inwiefern trotz der Fülle der aus seiner Sicht einschlägigen Entscheidungen des BVerfG und des BSG noch verfassungsrechtliche Frage offen sind, die im angestrebten Revisionsverfahren zu klären wären. Sein Vortrag beschränkt sich auf Gerechtigkeitserwägungen zur Anwendung des hier weder in den angefochtenen Bescheiden durch die Beklagte noch durch das SG und LSG angewandten und auch nicht einschlägigen § 243 SGB V, die Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG zur Beitragsbemessung bei Rentnern und Pensionären in der GKV, der Darlegung seiner gegenteiligen Auslegung des Art 3 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips und des Art 120 GG sowie auf die Behauptung, das LSG habe diese Rechtsprechung und das Gesetz sowie die Verfassung nicht zutreffend angewandt. Damit rügt er letztlich die inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 1.9.2021 - B 12 KR 27/21 B - juris RdNr 9).

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenso wenig. Der Kläger zitiert zwar zahlreiche Leitsätze und einzelne Sätze aus Entscheidungen des BVerfG und des BSG. Er stellt diesen aber weder Rechtssätze aus der angefochtenen Entscheidung des LSG gegenüber noch behauptet er auch nur, das LSG habe diesen Entscheidungen im Grundsätzlichen widersprochen. Vielmehr widerspricht er einerseits der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG, andererseits rügt er die fehlende Berücksichtigung einzelner Sätze daraus durch das LSG, letztlich also dessen Subsumtionsergebnis. Die Rüge der fehlerhaften Subsumtion im Einzelfall ist auch nicht geeignet, die Zulassung der Revision wegen Divergenz zu begründen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Heinz

Bergner

Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15796757

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge