Verfahrensgang
SG Leipzig (Entscheidung vom 07.02.2017; Aktenzeichen S 11 R 897/14) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 28.08.2018; Aktenzeichen L 5 R 190/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 28. August 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Mit Urteil vom 28.8.2018 hat das Sächsische LSG einen solchen Anspruch des Klägers verneint, das zusprechende Urteil des SG Leipzig aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt, mit der er Verfahrensfehler geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Einen Verfahrensfehler hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Der Kläger rügt zunächst die Verletzung des § 128 Abs 1 S 2 SGG. Das LSG habe entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in den Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt. Damit ist ein Verstoß gegen die in § 128 Abs 1 S 2 SGG normierte Begründungspflicht nicht hinreichend bezeichnet. Dass das angefochtene Urteil zur Entscheidung, dass die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vorliegen, überhaupt keine Begründung enthält, behauptet der Kläger nicht. Eine Entscheidung ist aber nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen oder tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (vgl BSG Beschluss vom 27.6.2018 - B 13 R 273/16 B - Juris RdNr 39; BSG Beschluss vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B - Juris RdNr 10). Soweit der Kläger meint, die von ihm vorgetragenen Gesundheitsstörungen seien bei der Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt worden, rügt er keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung. Das genügt indes für die Zulassung der Revision nicht (vgl bereits BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Der Kläger macht ferner eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend. Das LSG habe sich mit den vorgetragenen Tatsachen gar nicht oder nur oberflächlich auseinandergesetzt. Für das Verfahren von zentraler Bedeutung sei das gesamte Leidensbild. Das LSG habe die zentrale Frage der Erwerbsfähigkeit lediglich anhand der Morbus-Crohn-Erkrankung bewertet. Diese Ausführungen genügen nicht, um einen Gehörsverstoß hinreichend darzutun. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) soll sicherstellen, dass das Vorbringen des Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (vgl BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 = Juris RdNr 43 f). Das Gericht muss jedoch nicht jegliches Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich bescheiden (stRspr, vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4 RdNr 14 f). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falls ergibt (BVerfG, aaO, RdNr 15), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten - ohne entsprechende Beweisaufnahme - annimmt (vgl BVerfG Beschluss vom 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267 = Juris RdNr 25), oder wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern der Tatsachenvortrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts erheblich ist (vgl BVerfG Beschluss vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 = Juris RdNr 39). Art 103 Abs 1 GG schützt indes nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1, 12; 76, 93, 98; vgl im Einzelnen BSG Beschluss vom 27.3.2014 - B 9 V 69/13 B - Juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 15.12.2016 - B 5 RE 28/16 B - Juris RdNr 9).
Dass nach diesen Maßstäben das rechtliche Gehör des Klägers verletzt sein könnte, lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Allein die Behauptung des Klägers, eine Befassung mit den vorgetragenen Tatsachen sei nicht erfolgt, reicht nicht aus. Es fehlt insofern bereits an jeglicher näheren Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, die sich ausführlich nicht nur zu dem Krankheitsbild des Morbus Crohn verhalten. Der Kläger setzt lediglich seine Rechtsauffassung zu seiner Erwerbsfähigkeit derjenigen des LSG entgegen. Die Beschwerdebegründung rügt mit dem Vortrag zu den Erkrankungen des Klägers, den von SG und LSG eingeholten Gutachten und der Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Kern keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung. Der Kläger beanstandet, dass das LSG aus seinem Krankheitsbild nicht den aus seiner Sicht richtigen Schluss gezogen hat. Dies genügt für die Zulassung der Revision nicht.
Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe überraschend auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten von Dr. R. abgestellt, enthält auch keine hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels in Form einer sog Überraschungsentscheidung (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b mwN). Eine Überraschungsentscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - Juris RdNr 8) wie auch des BSG (SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17) nicht bereits dann anzunehmen, wenn einer der Beteiligten eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 24 mwN). Hierzu fehlt es bereits deshalb an schlüssigem Vortrag, weil nach der Darstellung in der Beschwerdebegründung das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung angekündigt hat, sich auf die den Beteiligten bekannten Feststellungen von Dr. R. stützen zu wollen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13372272 |