Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassungsbeschwerde. Gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Versterben des Einen kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Anforderungen an die Formulierung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung im Revisionszulassungsverfahren erfordert, dass ein Beschwerdeführer die im angestrebten Revisionsverfahren vom Revisionsgericht zu entscheidende Rechtsfrage klar und unmissverständlich bezeichnet. Darüber hinaus ist darzutun, dass die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (s.tRspr.; vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr 14 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59 und 65).
2. Die Rechtsfrage zur Auslegung von Bundesrecht ist unter Zugrundelegung der einschlägigen bundesrechtlichen Normen, die Gegenstand einer Prüfung in einem späteren Revisionsverfahren sein können, zu bezeichnen. Geht der Kläger nach seinem Vorbringen sinngemäß davon aus, dass das normierte sog. einfache Bundesrecht keine Anhaltspunkte enthält, die einen Hinweis auf eine gebotene Gleichstellung nicht eingetragener Lebenspartnerschaften mit eingetragenen Lebenspartnerschaften aus dem Gesichtspunkt eines “besonderen Härtefalls” rechtfertigen könnten, ist die Auslegung von Bundesrecht gerade nicht aufgeworfen.
3. Die Klärungsbedürftigkeit einer zur Verfassungsmäßigkeit einer Rechtslage aufgeworfenen Frage wäre dann aufgezeigt, wenn dargetan wird, dass vom Revisionsgericht im angestrebten (späteren) Revisionsverfahren unter vom Kläger aufzuzeigenden Aspekten die Verfassungswidrigkeit bestehender Normen oder eines bestehenden Rechtszustands beantwortet werden müsste. Hierzu muss der Kläger im Rahmen der Darlegungslast, die ihm im anhängigen Beschwerdeverfahren obliegt, u.a. die verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe aufzeigen, die ein Handeln des Gesetzgebers in dem von ihm gewünschten Sinn unumgänglich gebieten würden. Ein Verweis pauschal auf den “rechtsstaatlichen Vertrauensschutz”, ohne auch nur andeutungsweise die verfassungsrechtlichen Parameter zu benennen, die es rechtfertigen könnten, das angebliche Unterlassen des Gesetzgebers darzutun und es als verfassungswidrig zu bewerten, genügt nicht.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB VI § 46
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2004 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger lebte seit 1964 mit dem Versicherten H.H. in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Der Versicherte starb am 24. Dezember 2001. Ein Eintrag der Lebenspartnerschaft nach dem am 1. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartDisBG) war nicht erfolgt. Nach dem Vorbringen des Klägers war es vor allem deshalb nicht mehr zur Eintragung gekommen, weil der Versicherte wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Bett zu verlassen und die erforderlichen Erklärungen abzugeben. Mit seinem Begehren, ihm eine Hinterbliebenenrente nach § 46 SGB VI zu gewähren, hatte der Kläger im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde wendet er sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 29. Juni 2004.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Darlegung einer solchen grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass ein Beschwerdeführer die im angestrebten Revisionsverfahren vom Revisionsgericht zu entscheidende Rechtsfrage klar und unmissverständlich bezeichnet. Darüber hinaus ist darzutun, dass die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 14 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59 und 65).
Der Kläger hat – in Abhängigkeit voneinander – folgende zwei “Fragen” formuliert:
(1) “Sind zwei gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die sich im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten gemeinsam entschließen, eine Fürsorge- und Einstehensgemeinschaft zu bilden, und dies durch die persönlichen Lebensumstände einerseits und notarielle Urkunden andererseits nachgewiesen ist, aufgrund besonderer Umstände gehindert, die Lebenspartnerschaft nach dem LPartDisBG eintragen zu lassen, so kann das Lebenspartnerschaftsgesetz dennoch entsprechend Anwendung finden, wenn ein besonderer Härtefall vorliegt, der eine Gleichstellung begründet.”
(2) “Ist § 46 SGB VI in entsprechender Anwendung verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartDisBG, der mit dem versicherten Lebenspartner bis zu dessen Tod eingetragen war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente erhält?”
Nimmt man die Formulierung des Klägers zum ersten angesprochenen Problemkreis wörtlich, hat er keine Frage formuliert, sondern eine Behauptung aufgestellt. Selbst wenn man diese Aussage in eine Frage umformuliert, könnte es zweifelhaft sein, ob sie eine Rechtsfrage darstellt. Eine solche ist zur Auslegung von Bundesrecht unter Zugrundelegung der einschlägigen bundesrechtlichen Normen, die Gegenstand einer Prüfung in einem späteren Revisionsverfahren sein können (§ 162 SGG), zu bezeichnen. Der Kläger hat nicht deutlich gemacht, aus welchen bundesrechtlichen Normen er seine Fragestellung herleiten will. Soweit er die §§ 1 und 6 LPartDisBG in Bezug nimmt, die die Voraussetzungen für die wirksame Begründung einer Lebenspartnerschaft regeln, geht er erkennbar davon aus, dass diese Normen gerade nicht erfüllt sind. Sinngemäß ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass das normierte sog einfache Bundesrecht keine Anhaltspunkte enthält, die einen Hinweis auf eine gebotene Gleichstellung nicht eingetragener Lebenspartnerschaften mit eingetragenen Lebenspartnerschaften aus dem Gesichtspunkt eines “besonderen Härtefalls” rechtfertigen könnten.
Der Kläger will offenbar zum Ausdruck bringen, dass es verfassungsrechtlich für den Gesetzgeber geboten sein könnte, eine solche Gleichstellung vorzunehmen. Dies könnte sich aus seinen Ausführungen herleiten lassen, dass sich aus dem “rechtsstaatlichen Vertrauensschutz” ergebe, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich sei, besondere zusätzliche Regeln zu treffen, wie Härtefallklauseln und Übergangsregelungen, um damit besondere Härten gewissermaßen abzufedern. Ob der Kläger damit ein verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers ansprechen will, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Jedenfalls reicht es nicht aus, dass es – wie er vorträgt – dem Gesetzgeber “möglich” ist, eine solche “Härtefallregelung” zu treffen. Die Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger aufgeworfenen Frage wäre allenfalls dann aufgezeigt, wenn dargetan worden wäre, dass vom Revisionsgericht im angestrebten (späteren) Revisionsverfahren unter vom Kläger aufzuzeigenden Aspekten die Verfassungswidrigkeit bestehender Normen oder eines bestehenden Rechtszustandes beantwortet werden müsste. Hierzu hätte der Kläger im Rahmen der Darlegungslast, die ihm im anhängigen Beschwerdeverfahren obliegt, ua die verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe aufzeigen müssen, die ein Handeln des Gesetzgebers in dem von ihm gewünschten Sinn unumgänglich gebieten würden. Der Kläger bezieht sich insoweit nur pauschal auf den “rechtsstaatlichen Vertrauensschutz” ohne auch nur andeutungsweise die verfassungsrechtlichen Parameter zu benennen, die es rechtfertigen könnten, das angebliche Unterlassen des Gesetzgebers darzutun und es als verfassungswidrig zu bewerten.
Eine Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen zweiten Fragestellung wäre nur dann erforderlich, wenn die erste Fragestellung in dem vom Kläger gewünschten Sinne zu beantworten wäre. Denn nur wenn seine nicht eingetragene Lebenspartnerschaft einer eingetragenen gleichzustellen wäre, könnte sich die unter Zugrundelegung von § 46 SGB VI formulierte Frage stellen. Da der Kläger aber bereits seiner Darlegungslast bezüglich der ersten Fragestellung nicht nachgekommen ist, bedarf keiner Ausführung, dass er auch die Klärungsfähigkeit und die Klärungsbedürftigkeit seiner zweiten Frage nicht hinreichend bezeichnet hat.
Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen