Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Klärungsbedürftigkeit. Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Dass und warum dies der Fall ist, muss sich allein aus der Beschwerdebegründung ergeben. Der Beschwerdeführer muss also in der Beschwerdebegründung die zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnen und ausführen, ob die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist bzw. geworden ist und ob sie klärungsfähig, d.h. rechtserheblich in dem zu entscheidenden Revisionsverfahren ist (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1).
2. Zur Begründung der Klärungsbedürftigkeitkeit der Frage, ob ein Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG verpflichtet ist, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, ist eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zu § 1 AAÜG (vgl. u.a. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 – 9) erforderlich. Der Kläger muss darlegen, dass und weshalb sich die von ihm aufgeworfene Frage nicht bereits unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung beantworten lässt.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2; AAÜG § 1
Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Beschluss vom 07.09.2004) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. September 2004 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG verpflichtet ist, die Zeit vom 1. November 1977 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Das LSG hat mit Beschluss vom 7. September 2004 ua ausgeführt: Das AAÜG sei auf den Kläger nicht anwendbar, weil er am 1. August 1991, bei Inkrafttreten des Gesetzes, weder einen Versorgungsanspruch noch eine Versorgungsanwartschaft gegen einen Versorgungsträger gehabt habe. Im Hinblick auf die von ihm am 30. Juni 1990 ausgeübte Beschäftigung in der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) Molkerei e.G. L…-Z… habe er auch keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage gehabt. Bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe es sich weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch um einen diesem gleichgestellten Betrieb, sondern um eine in das Genossenschaftsregister der DDR eingetragene genossenschaftliche Einrichtung gehandelt. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Molkereigenossenschaft dem volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat Milchwirtschaft D… zugeordnet gewesen sei, habe der Kläger die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt. Dem Kombinat hätten neben fünf volkseigenen Molkereien auch sechs juristisch selbstständige, eigenverantwortlich planende und abrechnende genossenschaftliche Betriebe angehört, darunter auch die VdgB-Molkerei e.G. L…-Z…. Der Kläger sei also am maßgeblichen Stichtag in einem genossenschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen und habe somit nach den Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) und der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage. Die VdgB-Molkerei e.G. L…-Z… sei auch keine gleichgestellte Einrichtung iS des § 1 Abs 2 2. DB zur VO-AVItech gewesen. Der Kläger verkenne, dass es versorgungsrechtlich nicht darauf ankomme, ob ein Betrieb “wirtschaftsrechtlich” einem VEB gleichgestanden habe; es komme vielmehr allein darauf an, ob § 1 Abs 2 2. DB selbst eine solche Gleichstellung angeordnet habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 iVm § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen. Denn der Kläger hat in der Beschwerdebegründung entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht dargetan.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Dass und warum dies der Fall ist, muss sich allein aus der Beschwerdebegründung ergeben. Der Beschwerdeführer muss also in der Beschwerdebegründung die zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnen und ausführen, ob die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist bzw klärungsbedürftig geworden ist und ob sie klärungsfähig, dh rechtserheblich in dem zu entscheidenden Revisionsverfahren ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hat zwar die Auffassung vertreten, der Rechtsstreit werfe die Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, “ob die sog. Molkereigenossenschaften (BHG) der VdgB, gemessen an den Maßstäben des Rechts der DDR – Genossenschaften im Rechtssinne gewesen sind (mit der Folge, dass die in ihnen tätig gewesenen Ingenieure nicht in ein System der zusätzlichen Altersversorgung einzubeziehen sind) oder die sog. VdgB-Genossenschaften angesichts ihrer tatsächlichen Rechtsstellung und entgegen ihrer Bezeichnung als genossenschaftliche Einrichtungen den Rechtscharakter von volkseigenen Betrieben hatten (dann mit der Folge, dass die in ihnen tätigen Ingenieure einem Zusatzversorgungssystem unterfielen bzw unterfallen)”. In diesem Zusammenhang hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Charakterisierung der VdgB-Molkereien führe zu dem Schluss, dass so genannte VdgB-Genossenschaften – und somit auch sein Beschäftigungsbetrieb – real nicht als Genossenschaften betrachtet werden könnten, sondern als praktisch und inhaltlich VEB qualifiziert werden müssten, da sie, von Ausnahmen wie etwa die Eintragung in das Genossenschaftsregister abgesehen, sämtliche Kennzeichen eines VEB, hier eines solchen der Nahrungsgüterindustrie, aufwiesen.
Damit hat der Kläger jedoch ua die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht dargetan, selbst wenn man unterstellt, er habe überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung von Bundesrecht, das das BSG nur anwenden darf, nicht aber nur eine Frage zum Recht der untergegangenen DDR formuliert. Denn mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zu § 1 AAÜG (vgl ua BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 9) hat er sich nicht auseinander gesetzt. Danach fallen unter den Anwendungsbereich des AAÜG iS einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG auch diejenigen, die auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 1. August 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen (fiktiven) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten; insoweit sind für die rechtliche Beurteilung maßgebend die abstrakt-generellen Regelungen in den Texten der VO-AVItech sowie der 2. DB zur AVItech (vgl insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004 – 1 BvR 1557/01); den Produktionsbetrieben gleichgestellte Einrichtungen sind allein die in § 1 Abs 2 2. DB genannten, unabhängig davon, ob es in der DDR sachgerecht gewesen wäre, weitere Vereinigungen oder Betriebe den Produktionsbetrieben gleichzustellen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung hätte der Kläger darlegen müssen, dass und weshalb sich die von ihm aufgeworfene Frage nicht bereits unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Grundsätze beantworten lässt. An einem derartigen Vorbringen zur Klärungsbedürftigkeit fehlt es. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht die sog Klärungsfähigkeit dargetan, also nicht aufgezeigt, weshalb das BSG im angestrebten Revisionsverfahren notwendig zu der von ihm angesprochenen Thematik würde Stellung nehmen müssen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen