Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. sozialgerichtliches Verfahren. rechtlicher Hinweis. Rechtsanwalt. Beschwerdebegründung
Orientierungssatz
1. Die Bitte eines anwaltlichen Bevollmächtigten in einer Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, soweit weitere Ausführungen als nötig erachtet würden, führt nicht dazu, dass eine Entscheidung über eine unzureichend begründete Beschwerde zurückgestellt wird. Das Revisionsgericht ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen; § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht.
2. Ein Rechtsanwalt muss auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage sein, eine Nichtzulassungsbeschwerde formgerecht zu begründen. (vgl BSG vom 10.8.2011 - B 5 RS 40/11 B, vom 31.5.2011 - B 13 R 103/11 B und vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B = juris RdNr 7). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG (vgl BSG vom 16.11.2011 - B 13 R 317/11 B).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, §§ 169, 160 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 106 Abs. 1, § 73 Abs. 4
Verfahrensgang
SG Braunschweig (Entscheidung vom 19.05.2017; Aktenzeichen S 70 R 324/16) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.02.2019; Aktenzeichen L 1 R 343/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Februar 2019 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U. H., S., zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 28.2.2019 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der Zeiten der Erziehung ihrer Kinder D., geboren 1970 und B., geboren 1971 als Kindererziehungszeiten verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U. H., S. beantragt.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn |
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), |
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder |
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3). |
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, |
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"warum die Kindererziehungszeiten von Kindern die zwar im Ausland geboren sind jedoch in Deutschland erzogen worden sind lediglich als Berücksichtigungszeiten bei der Berechnung der Rente anzuerkennen sind und nicht als Kindererziehungszeiten". |
Mit dieser Formulierung wird die Klägerin bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7), sondern begehrt die Klärung der gesetzgeberischen Motive für die von ihr beschriebene, vermeintlich bestehende Rechtslage. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage im obigen Sinn ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Zudem hat die Klägerin nicht dargetan, dass der von ihr angesprochene Fragenbereich klärungsfähig, dh entscheidungserheblich ist.
Entscheidungserheblichkeit liegt nur vor, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung der aufgeworfenen Frage abhängt. Ob der Klägerin ein Anspruch auf Anerkennung der Zeiten der Erziehung ihrer Kinder als Kindererziehungszeiten nach dem SGB VI zusteht, hängt davon ab, ob sie die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Diese ergeben sich im Fall der Klägerin, die seit dem 1.12.2011 eine Altersrente für Frauen bezieht und deren Kinder vor dem 1.1.1992 geboren sind, aus § 249 Abs 1 SGB VI in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) und § 307d SGB VI (vgl zur Anerkennung und Fortentwicklung der Kindererziehungszeiten durch den Gesetzgeber Urteil des Senats vom 28.6.2018 - B 5 R 12/17 R - Juris RdNr 12 und 20 ff). Weder die Anspruchsgrundlagen noch die dazu ergangene Rechtsprechung finden in der Beschwerdebegründung auch nur Erwähnung. Aus welchen Gründen der Gesetzgeber den maßgeblichen Normen ihren jeweiligen Regelungsgehalt beigemessen hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hingegen unerheblich.
b) Ebenso wenig ist der Zulassungsgrund der Divergenz dargetan. Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Klägerin zeigt indes bereits keine Abweichung des Berufungsurteils von einer derartigen Entscheidung auf.
2. Die Bitte der Klägerin in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, soweit weitere Ausführungen als nötig erachtet würden, führt nicht dazu, dass eine Entscheidung über die unzureichend begründete Beschwerde zurückzustellen wäre. Der Senat ist nicht verpflichtet, eine anwaltlich vertretene Klägerin vor einer Entscheidung auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Die Bestimmung des § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Das Gesetz unterstellt vielmehr, dass ein Rechtsanwalt auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde formgerecht zu begründen (ua Senatsbeschluss vom 10.8.2011 - B 5 RS 40/11 B - sowie BSG Beschlüsse vom 31.5.2011 - B 13 R 103/11 B - und vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG (BSG Beschluss vom 16.11.2011 - B 13 R 317/11 B).
3. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann der Klägerin für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U. H., S. nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 S 1 ZPO).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen