Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 15.01.2021; Aktenzeichen S 23 VG 82/18) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.07.2023; Aktenzeichen L 2 VG 16/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Schädigungsfolgen (GdS) wegen der Folgen erlittener Gewalttaten.
Mit Urteil vom 14.7.2023 hat das LSG dem Kläger ab Antragstellung einen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach einem GdS von 30 und die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge erlittener Gewalttaten zugesprochen. Beim Kläger bestehe aufgrund dessen eine stärker behindernde Traumafolgestörung. Ein höherer GdS ergebe sich allerdings nicht, insbesondere auch nicht infolge der durch Atteste beschriebenen Wahrnehmung von Rauchschwaden bei gedanklicher Befassung mit den Taten. Zum einen sei bereits unsicher, dass es sich dabei um deren Folgen und nicht um eine Manifestation der psychischen Vorerkrankungen des Klägers handele. Zudem werde das Ausmaß einer stärker behindernden Störung, die mit einem GdS von 30 zu bewerten sei, nach dem Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung im Berufungsverfahren nur knapp erreicht. Daran würde die Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Untersuchung noch unbekannten Symptoms nichts ändern.
Gegen das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 3.8.2023 zugestellte Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit einem persönlich verfassten Schreiben zum BSG vom 17.8.2023, eingegangen am 21.8.2023. Darin erhebt er "Widerspruch" und "Beschwerde" und beantragt Prozesskostenhilfe (PKH), weil der GdS von 30 "zu wenig" sei. Er habe nach dem Untersuchungstermin beim Gutachter ein neues Symptom bekommen.
II
1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Als solche ist der "Widerspruch" des Klägers auszulegen, weil dies der einzig statthafte Rechtsbehelf ist, mit dem er eine Überprüfung des angegriffenen LSG-Urteils durch das BSG erreichen kann.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Nach Durchsicht der Akten fehlen auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben vom 17.8.2023 Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen oder bezeichnen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler des LSG bezeichnet werden könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für derartige Verfahrensfehler ist vom Kläger weder etwas vorgetragen noch sind diese ersichtlich.
Soweit der Kläger mit der Einschätzung der Schwere der Schädigungsfolgen, insbesondere hinsichtlich eines neu aufgetretenen Krankheitssymptoms, durch das LSG nicht einverstanden ist und seinen GdS deshalb für zu niedrig bemessen hält, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiermit kann er jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG in seinem Einzelfall rügen wollte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.11.2019 - B 9 V 6/19 BH - juris RdNr 8 mwN).
Da dem Kläger nach alledem keine PKH zusteht, kann er auch nicht die sinngemäß beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen LSG-Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
3. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde als unzulässig erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein Ch. Mecke Röhl
Fundstellen
Dokument-Index HI16155002 |